Karin Prien: Würde bei AfD-Kanzler auswandern (“dann nicht mehr mein Land”)

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BERLIN. Bundesbildungsministerin Prien hat jüdische Vorfahren. Schon jetzt gelinge es dem Staat nicht mehr, Juden vor Angriffen auf der Straße zu schützen, sagt sie. Und schließt persönliche Konsequenzen nicht aus, sollte die AfD die Bundesregierung übernehmen. Auch eine andere Spitzenpolitikerin sieht ihre Perspektive in Deutschland durch die AfD bedroht.

Jüdische Vorfahren: Bundesbildungsministerin Karin Prien. Foto: Bildungsministerium Schleswig-Holstein

Bundesbildungsministerin Karin Prien würde nach eigenen Worten auswandern, sollte die AfD einmal Kanzlerpartei werden. Die CDU-Politikerin, die jüdische Vorfahren hat, sagte im Podcast «Meine schwerste Entscheidung» der Funke Mediengruppe: «Wenn die AfD den Bundeskanzler stellt, dann werde ich sicherlich vorher Deutschland verlassen. Das kann ich, glaube ich, heute so sagen. Das wäre nicht mehr mein Land. Und ich fürchte aber, dass das schon sehr spät ist.»

Allerdings sei die Entscheidung, wohin man emigrieren könnte, nicht einfach, fügte Prien hinzu. Die USA und Israel seien im Moment eher schwierige Zufluchtsorte. Dennoch würde sie sagen: «Am ehesten ist es immer noch Israel. Aber das ist natürlich ein großer Schritt.»

Dem deutschen Staat gelinge es schon heute nicht mehr, «Jüdinnen und Juden wirklich wirksam zu schützen vor den Angriffen auf der Straße», sagte Prien. «Juden, die als Juden gelesen werden, also die durch Kippa, durch das Tragen eines Davidsterns erkennbar sind, werden auf offener Straße diskriminiert, werden angespuckt, werden angegriffen.» Viele, die sie kenne, zögen sich zurück oder diskutierten, ob man in Deutschland weiter leben könne.

Am Wochenende habe sie sich bei einem privaten Treffen mit Jüdinnen und Juden unterhalten über die Frage, ob man jetzt überlege, sich ein finanzielles Polster auch im Ausland zu schaffen, sagte Prien. «Also es sind schon so Gedankenspiele, denen ich mich auch nicht vollständig verschließe.»

Auch wenn die politischen Institutionen derzeit klar Linie hielten, müsse man sehr genau beobachten, ob das so bleibe. Es sei bitter, dass man nur, weil man tatsächlich oder vermeintlich als Jüdin oder Jude gelesen werden könne, für Entscheidungen der israelischen Regierung in Haftung genommen werde. «Und das ist klassisch antisemitisch. Und diese Zuschreibungen haben zugenommen.»

„Wir wissen, dass wir die Ersten sein werden, die verfolgt werden“

Die SPD-Vizevorsitzende Serpil Midyatli, Spitzenkandidatin ihrer Partei in Schleswig-Holstein, fühlt sich als Mensch mit Migrationshintergrund durch die AfD bedroht. „Wir wissen, dass wir die Ersten sein werden, die verfolgt werden, wenn die Rechten an die Macht kommen“, erklärte sie in einem Interview mit dem Journalisten Kay Müller vom „Flensburger Tageblatt“ für ein Buchprojekt, über das die „Welt“ berichtet.

Midyatli spricht offen dabei über einen Anschlag auf ihre Eltern. „Anfang der 90er-Jahre hatte meine Familie einen Tante-Emma-Laden hier in der Nähe“, sagte die gebürtige Kielerin. „Da haben uns Leute regelmäßig die Scheiben eingeworfen, bis die Versicherung gesagt hat, dass sie das nicht mehr zahlt.“

„Der Wagen meines Vaters ist demoliert worden, weil die wussten, wem er gehört“, berichtet die 50-Jährige. „Wir wissen, dass wir immer latent in Gefahr sind. Nicht zuletzt dadurch, dass jemand versucht hat, das Haus meiner Eltern anzuzünden.“ Die Brandstiftung sei zwar schon ein paar Jahre her, aber natürlich mache das etwas mit einem, weil die Gefahr plötzlich greifbarer sei. „So groß wie die Angst jetzt ist, war sie noch nie.“

Verfolgung sei für sie nicht neu, sagt die SPD-Politikerin. „Ich bin als Gastarbeiterkind häufig gefragt worden, wann ich wieder in die Türkei zurückgehe.“ Das sei bei ihren Kindern anders. Aber: „Meiner und der Lebensweg vieler anderer ist durch Ausgrenzung und Alltagsrassismus gelenkt worden.“ News4teachers / mit Material der dpa

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AvL
22 Minuten zuvor

Das fängt schon bei der Wohnungssuche an, wenn der Name einen Migrationshintergrund wahrscheinlich macht.