Distanzunterricht: Bald das neue Normal? Immer mehr Einsatzgründe werden erlaubt

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DÜSSELDORF. Distanzunterricht soll künftig auch dann möglich sein, wenn Schulen etwa wegen Großveranstaltungen, Hochwasser oder Bedrohungslagen geschlossen bleiben müssen. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) spricht von einer „sinnvollen Absicherung für Ausnahmesituationen“. Lehrkräfteverbände und Eltern sehen die Neuregelung dagegen kritisch: Sie warnen vor Überlastung, mangelnder Technik – und davor, dass Schulen als Ersatzräume für Events herhalten müssen.

Omnipräsent. Illustration: Shutterstock

Distanzunterricht ist künftig in Nordrhein-Westfalen in mehr Ausnahmefällen als bisher rechtlich abgesichert. Das gilt etwa, wenn das Schulgebäude wegen einer besonderen Veranstaltung vorübergehend nicht zur Verfügung steht oder auch bei Hochwasser, Großbränden und anderen akuten Bedrohungslagen. Eine entsprechende Änderungsverordnung hat der Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags beschlossen.

Die Aktualisierung sorge dafür, dass Schülerinnen und Schüler auch in besonderen Ausnahmesituationen nicht auf ihre schulische Bildung verzichten müssten, unterstrich Schulministerin Dorothee Feller (CDU). «Gleichzeitig halten wir am Grundsatz fest: Präsenzunterricht ist und bleibt die beste Form des Lernens und sozialen Miteinanders.»

Die Ausnahmen: Eine akute Bedrohungslage – oder eine Großveranstaltung

«Distanzunterricht bleibt auf das notwendige Maß begrenzt und dient der kurzfristigen Überbrückung, wenn eine Nutzung des Schulgebäudes vorübergehend nicht möglich ist», fasste Feller die Änderung zusammen. Die neue Verordnung erweitere die bisherigen Anwendungsfälle – epidemisches Infektionsgeschehen und Extremwetterlagen – um zwei weitere Situationen:

  • Distanzunterricht ist möglich, wenn das Schulgebäude aufgrund einer religiösen, wissenschaftlichen oder kulturellen Veranstaltung von landes- oder bundesweiter Bedeutung vorübergehend nicht zur Verfügung steht.
  • Zum anderen greift die Verordnung, wenn ein unvorhersehbares Ereignis wie ein Großbrand, Hochwasser, eine akute Bedrohungslage oder ein anderer Katastrophenfall eine konkrete Gesundheitsgefahr darstellt und keine kurzfristige Ausweichmöglichkeit besteht.

In solchen Fällen werde der Distanzunterricht in der Regel auf fünf Tage begrenzt, erläuterte das Ministerium. Eine Verlängerung könne durch die obere Schulaufsichtsbehörde gewährt werden, die ohnehin für die Genehmigung der beiden neu geregelten Fälle zuständig sei. Viele Schulen hätten sich die Klärung gewünscht, unterstrich Feller.

Sorge über mangelhafte Technik und Chancengerechtigkeit

Distanzunterricht müsse aber wirklich eine Notlösung bleiben und dürfe nicht schleichend zur Regel werden, mahnte der Philologenverband NRW. Zudem seien die technischen Voraussetzungen für störungsfreien Distanzunterricht nicht überall gleichermaßen gesichert. «Ohne die technische Infrastruktur und Ausstattung mit entsprechenden Endgeräten ist Distanzunterricht nicht machbar», stellte die Landesvorsitzende Sabine Mistler fest.

Die Landeselternschaft der integrierten Schulen begrüßte die Aktualisierung, betonte aber auch: «Eltern dürfen nicht länger dafür aufkommen müssen, dass ihr Kind am Unterricht teilnehmen kann – egal, ob an der Tafel oder am Tablet.»

Lernchancengleichheit bedeute, dass jedes Kind unabhängig von der finanziellen Situation seiner Familie die notwendige Ausstattung erhalte, um im Unterricht und im Distanzlernen gleich zu lernen, mahnte der Landesvorsitzende Harald Amelang. «Bildung darf nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern.»

GEW: Schule ist kein Ersatzraum für Großevents

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die außerdem unterstrich: «Für Lehrkräfte ist Distanzunterricht eine enorme Zusatzbelastung: digitale Vorbereitung, parallele Betreuung, technische Schwierigkeiten und pädagogische Herausforderungen.» Dies setze entsprechende Entlastungen voraus. Grundsätzlich sei zu beachten: «Der Bildungsauftrag darf nicht hinter Veranstaltungsinteressen zurückstehen – schulische Infrastruktur ist kein Ersatzraum für Großevents», stellte die Landesvorsitzende Ayla Celik fest.

Ins gleiche Horn stößt der Philologenverband. «Präsenzunterricht ist und bleibt der pädagogische Regelfall. Distanzunterricht kann nur in eng definierten, echten Notsituationen eine Lösung sein», sagte die Landesvorsitzende Sabine Mistler. «Dieses Ausnahmeinstrument darf nicht durch die Hintertür zur Regel für Großevents entwickelt werden.»

Kritisch sieht der Philologenverband, dass künftig auch Großveranstaltungen von landes- oder bundesweiter Bedeutung, als Beispiel wird gern ein Kirchentag genannt, Anlass für Distanzunterricht sein sollen. Ebenso kritisiert er die unpräzise Definition von «unvorhersehbaren Ereignissen». «Wenn Präsenzunterricht wegen externer Zwecke auf Distanzunterricht verlegt werden muss oder unbestimmte Gefährdungslagen ausreichen, führt das zu Unsicherheit in den Kollegien und auch bei den Eltern», so Mistler.

Funktionierende Technik Voraussetzung für Distanzlernen

Die Erfahrungen aus der Coronapandemie weisen aus Sicht des Verbandes noch auf ein weiteres Problem hin: «Die technischen Voraussetzungen für störungsfreien Distanzunterricht sind sowohl aus Schul- wie aus Schülersicht nicht überall gleichermaßen gesichert. Ohne die technische Infrastruktur und Ausstattung mit entsprechenden Endgeräten ist Distanzunterricht nicht machbar.» News4teachers / mit Material der dpa

Distanzunterricht gesetzlich verankern – Schulleitungen: Aber nicht als Billig-Lösung!

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1 Kommentar
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Torben
2 Stunden zuvor

Funktioniert im Zweifel nicht. Man kann von Schülern einer 5. oder 6. Klasse oder noch geringer nicht erwarten, dass diese sich spontan eine Technik beibringen, die sie womöglich noch nie benutzt haben.

Nur mal so: Wenn ich meinen Schülern ihr Logineo Passwort mitteile, sehe ich zum einen, dass sich mindestens die Hälfte der Schüler niemals anmeldet und die ersten Schüler haben nach 2 Wochen bereits das Passwort verloren oder sonstiges.