STUTTGART. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg meldet vermeintliche Fortschritte bei der Inklusion – rund 9.500 Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf würden inzwischen an Regelschulen im Land gemeinsam mit nichtbehinderten Mitschülern unterrichtet, so viel wie nie. Doch der Schein trügt: Der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen ist seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 in Baden-Württemberg gar nicht gesunken, sondern sogar gestiegen. Bildungsexperten sprechen von einem „Inklusionsparadoxon“. Und das ist in vielen Bundesländern zu beobachten.

In seiner Pressemitteilung Nr. 230/2025 vom 8. Oktober 2025 teilt das Statistische Landesamt Baden-Württemberg mit, dass im Schuljahr 2024/25 insgesamt 9.532 Kinder und Jugendliche mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an Regelschulen unterrichtet wurden. Seit Einführung des inklusiven Unterrichts vor zehn Jahren sei die Zahl um rund 48 Prozent gestiegen. Besonders häufig findet Inklusion demnach an Grundschulen (43 Prozent) und Gemeinschaftsschulen (53,4 Prozent der Sekundarstufe I) statt.
Auch die Förderschwerpunkte haben sich deutlich verschoben. Am häufigsten sei nach Angaben des Landesamts weiterhin der Schwerpunkt „Lernen“ (60,5 Prozent), gefolgt von „emotionale und soziale Entwicklung“ (14,9 Prozent) und „Sprache“ (9,4 Prozent). Während der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen seit 2015/16 um 5,5 Prozentpunkte zurückgegangen ist, hat der Bereich „emotionale und soziale Entwicklung“ um 5,6 Punkte zugelegt. Auch der Förderschwerpunkt Sprache ist um 2,4 Prozentpunkte gestiegen. Im Gegenzug ist der Anteil der Kinder mit dem Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ leicht gesunken – von damals 9,4 auf jetzt 8,8 Prozent.
Wer nur diese Meldung der Landesstatistiker liest, muss den Eindruck gewinnen – die Inklusion schreitet voran. Doch ein genauerer Blick auf die Gesamtschülerzahlen zeigt ein anderes Bild. Laut einer Analyse der Bertelsmann Stiftung lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen in Baden-Württemberg im Schuljahr 2022/2023 und den Jahren davor bei konstant 5,0 bis 5,1 Prozent – 2008, also vor Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, waren es erst 4,5 Prozent. Damit hat der Anteil der betroffenen Kinder, die nicht inklusiv beschult werden, sogar zugenommen.
Das „Inklusionsparadoxon“: Mehr Förderdiagnosen, aber nicht mehr Inklusion
Wie lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch erklären? Die Frankfurter Inklusionsforscherin Prof. Vera Moser spricht im „Spiegel“ von einem „Inklusionsparadoxon“. Zwar wachse die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen, doch zugleich steige auch die Gesamtzahl der Diagnosen.
„In den Regelschulen bekommen Kinder zunehmend ein sonderpädagogisches ‚Förderetikett‘, sodass die Inklusionsquote steigt. Gleichzeitig gehen viele andere Kinder, weitgehend wie gehabt, in Förderschulen“, erklärt Moser. Das Problem liege im System: Jede Förderdiagnose bringe zusätzliche Ressourcen – etwa Stunden für Sonderpädagoginnen oder Erzieher –, was Schulen verständlicherweise dazu verleite, Förderbedarfe großzügig zu attestieren.
Moser kritisiert, dass die sonderpädagogische Diagnostik auf einem über hundert Jahre alten Konzept beruhe: „Oft steht gar nicht das Lern- und Arbeitsverhalten des Kindes im Mittelpunkt, sondern es geht insgesamt um das Kind und seine individuellen Schwächen.“ Der Blick auf „Besonderheiten“ verstärke sich stetig – besonders bei Diagnosen im Bereich „geistige Entwicklung“ oder Autismus, die in den vergangenen Jahren auffällig häufig vergeben würden.
Immer mehr Kinder mit Förderstatus – bundesweiter Trend mit fragwürdiger Dynamik
Bundesweit zeigt sich ein ähnliches Bild. Laut Spiegel-Analyse auf Basis amtlicher Daten lag der Anteil der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Jahr 2024 bei 7,5 Prozent – im Jahr 2000 waren es 5,3 Prozent. Das bedeutet: Mittlerweile haben mehr als 600.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine Förderdiagnose.
Die größte Gruppe – rund ein Drittel – fällt in den Förderschwerpunkt „Lernen“, also Kinder, die im Unterricht schlecht mitkommen. Deutlich zugenommen hat auch der Bereich „emotionale und soziale Entwicklung“, in dem Kinder mit auffälligem Verhalten geführt werden.
Die Frankfurter Bildungsforscherin Prof. Vera Moser erkennt an, dass tatsächlich mehr Kinder heute Förderbedarf haben könnten. „Davon ist sogar auszugehen“, sagt sie im Interview mit dem Spiegel. „Kinder sind heute von vielen familiären oder gesellschaftlichen Krisen geprägt – von Zukunftsängsten, Nachwirkungen der Coronapandemie, Trennung der Eltern, exzessiver Handynutzung oder auch fehlenden sozialen Netzwerken. All dies wirkt sich auf ihre Entwicklung aus.“
Doch eine Steigerung um fast die Hälfte? Hält sie damit für schwer erklärbar. Seit über hundert Jahren lasse sich zeigen, dass sonderpädagogischer Förderbedarf stark mit sozialer Herkunft zusammenhänge. „Kindern von armutsgefährdeten Eltern mit geringem Bildungsgrad wird überdurchschnittlich häufig sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert. In den vergangenen Jahrzehnten gilt dies außerdem für Kinder mit Migrationsgeschichte sowie für Jungen“, sagt Moser – und fügt hinzu: „Diese Zusammenhänge lassen mich an dem Konzept der Förderdiagnostik zweifeln.“
Etikettierung statt Inklusion – die Kritik ist nicht neu
Bereits 2022 hatte News4teachers über dieselbe Entwicklung in Nordrhein-Westfalen berichtet. Damals stieg dort der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Förderstatus auf 7,7 Prozent – und zugleich nahm auch die Zahl der Förderschüler weiter zu. Der emeritierte Inklusionspädagoge Prof. Hans Wocken befand mit Blick auf die Zahlen schon damals: „Das Geheimnis der Inklusionsquote ist in Wahrheit eine unkontrollierte und ausufernde Etikettierungsschwemme“, wie er auf bildungsklick.de schrieb. Viele Schulen nutzten die Diagnoseverfahren, um zusätzliche personelle Ressourcen zu erhalten.
Gegenüber dem Deutschen Schulportal erklärte er: „Das ist nur mit einem Etikettenschwindel zu erklären. Alle Bundesländer haben tatsächlich die sogenannte Inklusionsquote an den Regelschulen erhöht, während der Anteil der Schüler an den Förderschulen sich kaum verändert hat. Das bedeutet, dass Schüler, die früher allenfalls als Risikoschüler galten, nun mit dem Etikett des sonderpädagogischen Förderbedarfs versehen werden. Die Inklusionsquote ist daher kein verlässlicher Indikator für den Erfolg der Reform, wenn man nicht gleichzeitig auch die Exklusionsquote mitbetrachtet.“
Die Bertelsmann Stiftung hielt den Verdacht seinerzeit für glaubwürdig. In zahlreichen Ländern sei die Ressourcenzuweisung an allgemeine Schulen tatsächlich an die Zahl der dort diagnostizierten Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf gekoppelt. „Dieser Zusammenhang könnte dazu verleiten, einen solchen Förderbedarf bei zusätzlichen Schülerinnen und Schülern zu diagnostizieren, um damit die an den einzelnen Schulen verfügbaren Lehrerstellen zu erhöhen – nicht zuletzt zugunsten eben dieser Kinder und Jugendlichen.“
Lehrkräfte könnten aufmerksamer und individualisierender auf einzelne schwächere Schüler blicken
Die Stiftung beschrieb aber darüber hinaus weitere mögliche Ursachen für die Vermehrung der Förderschüler: Gleichzeitig könne es aber auch sein, dass sich die Diagnosekompetenzen von Lehrkräften verbessert hätten. „Der Anstieg der diagnostizierten Fälle könnte eine Folge der Tatsache sein, dass im Verlauf des Ausbaus inklusiven Unterrichtens in den allgemeinen Schulen Lehrkräfte aufmerksamer und individualisierender auf einzelne schwächere Schülerinnen und Schüler blicken – also auf diejenigen Kinder und Jugendlichen, die ‚immer schon‘ in allgemeinen Schulen unterrichtet wurden. Dieses genauere Hinsehen wäre sehr wünschenswert.“ Darüber hinaus sei möglich, dass entsprechende Diagnosen in Zeiten der Inklusion weniger stigmatisierend wirkten – und deshalb weniger Vorbehalte bei Eltern und Lehrkräften bestünden. News4teachers
Ich liebe das ja, wenn eine Schlange sich in den eigenen Schwanz beisst 🙂 :
1. “Blah blah wir müüüssen alles und jeden fördern und diagnostizieren, dreigliedriges System böse, eingliedrig gut !”
2. “Nieder mit Anspruch, Lesen, Stoffmenge, Selektion! Pauken böse und schlecht, ‘Kompetenz’ gut und gerecht ! Lehrer = Servicepersonal ! Eltern + SuS = Chefs, sonst Undemokratie !”
3. “Äh, Chefs, wir haben das gemacht – und ganz viele Probleme und Mängel gefunden! Wir fangen dann jetzt mit dem Fördern an !”
4. “Äh, HALT STOP mal, was soll das heissen !!1!11! Ne, nix da!”
5. “Aber wieso denn Chefs, genau so sollte es doch laufen ?”
6. “Aber doch nicht so™ ! Ihr solltet halt alles so gut machen wie früher, nur anders und ohne Ressourcen und vor allem ohne Eltern und Schülern was vorzuschreiben oder von denen zu verlangen! Wie sollen wir denn jetzt weiter kürzen, sparen, zusammenstreichen, wenn ihr hergeht und jeden Schüler individuell diagnostiziert ???2?22”
7. “Äh, Chefs…das war doch EURE Idee, wir haben nur…”
8. “NAIN!!!1 Popu-lol-ismus! Unzulässige Vereinfachung hochkomplexer Komplexitätssachverhalte! Anekdotische Evidenz! Die, äh, Diagnosen sind gefakt! Ja, genau! Das kann garnicht sein, dass so viele gefördert werden müssen…und dann auch noch individuell! Das habt ihr, äh, gefälscht! Ja! Um an die wertvollen, güldenen Schatzkisten der Ressourcen zu kommen, die wir euch klauen woll…äh, die wir streich…also, ist mal gut jetzt hier !”
9. “Boss, wir sind müde.”
10. “Ja aber, äh, die leuchtenden Kinderaugen ? Vorgriffsstunde? Giftzähne? Arbeitszeit?”
…
..
.
“Hallo ? Wo sind alle ?”
.
..
“Was soll das jetzt wieder heissen, krank, Teilzeit, schwanger, gekündigt ? Dann schaufelt halt neue Lehrer rein ins System!”
…
“W-w-as soll das denn heissen, die wollen nicht mehr und Studierendenzahlen gehen runter? D-d-das ist doch, also wirklich ! Verdammte Generation Z, das, äh, Internet…”
Die generelle Schuldzuweisung an die Boomer haben Sie total vernachlässigt:)
Köstlich!
Aber leider wahr… 🙁
Find ich auch
Großartig!
Und leider treffend.
Und darum wollen Sie eine bessere Inklusion. Bin ganz bei Ihnen!
Oder kommen Sie jetzt mit “NAIN!!!1 Popu-lol-ismus!”, um das derzeitige Niveau zu entschuldigen und beizubehalten? 😉
Was genau verstehen Sie eigentlich unter “besserer” Inklusion?
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass es Ihnen eher darum geht, dass alle Kids (unabhängig davon, ob es für sie überhaupt möglich ist) immer gemeinsam in einem Raum unterrichtet werden. … Also sowas wie die “reine Lehre” der Inklusion.
Hab ich Ihnen schon mindestens drei mal geschrieben – u.a. im letzten Strang noch mal ausführlich.
Fakelusion = nein.
Inklusion = ja.
Lesen hilft.
„Der Anstieg der diagnostizierten Fälle könnte eine Folge der Tatsache sein, dass im Verlauf des Ausbaus inklusiven Unterrichtens in den allgemeinen Schulen Lehrkräfte aufmerksamer und individualisierender auf einzelne schwächere Schülerinnen und Schüler blicken…”
das geht dann so weiter:
“Die Beobachtungen befragter Eltern (vgl. Abschnitt 3.3 weiter unten), …, stützen diese Überlegung.”
Ein weiterer Punkt in der Studie der Bertelsmann Stifung ist, dass die Diagnose weniger Stigmatisierung bedeutet und deshalb besser angenommen wird.
Die Verfahren ziehen sich nicht in die Länge bis zum Schulwechsel, denn danach (surprise, surprise) muss man ja wieder von vorne anfangen. Manchmal wurde dann auch die Grundschule zwischendurch gewechselt, damit das Verfahren ins Leere läuft.
Die These, die Frau Moser vertritt, stammt aus dem Jahre 1996 (Wocken) und ist, wie hier ja auch schon beschrieben wurde, nicht mehr zeitgemäß. Es stehen den Schulen zwar theoretisch mehr Ressourcen zu, die gibt es aber gar nicht. Förderlehrkräfte werden abgeordnet, obwohl der Bedarf besteht, da der Mangel an anderer Stelle noch größer ist. So ist die Realität nunmal…
Versprochen wurde damals (in NRW): Klassengröße in Inklusionsklassen nicht über 24, Doppelbesetzung, Entlastungststunden … nix davon, Sparschwein …
Und genau deshalb ist mir diese Konvention persönlich völlig schnurzpiep egal, denn wir können so einfach nicht arbeiten und es ist in der Praxis besser, die viele (nicht alle!) der Kinder an Förderschulen zu unterrichten. Denn auch die anderen haben ein Recht auf Unterricht.
Vielleicht sollten wir mal überprüfen, wie es mit der Anzahl der Förderschüler:innen in 10 Jahren aussieht, wenn ab morgen alle Schulen bestmöglich versorgt sind.
Wie kann man Fiktionen und Traumtänzereien “überprüfen”?
Mit…
*puff*
*Sternchenregen*
… “Bildungswissenschaft”:
Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt
dass Bildung Inklusion enthält,
Inklusion enthäääällllt !
Tja, leider gibt es diese rosarote Welt nicht.
Für die steigende Anzahl der ESE Kinder sehe ich einen Mangel in der frühkindlichen Entwicklung und Erziehung im Alter von 1 bis 3 in der Unsicherheit und dem Unwillen der Eltern bezüglich einem angebrachten Nein.
Ich nutze gerne das Bild der kognitiven Schemata, in denen das Kind Erfahrungen sammelt und diese in „Schubladen“ einsortiert. So können Bauklötze zu einem Turm gestapelt werden, Bälle jedoch nicht. Das Kind erfährt bei den Bällen ein Nein vonseiten der Physik und möglicherweise reagiert es mit einem Wutausbruch. Es wird eine neue „Schublade“ öffnen, in der nicht alle Gegenstände stapelbar sind. Auch seine Erfahrung, wütend geworden zu sein, ist wertfrei für das Kind ein kognitives Erlebnis, das sich wie alle bereits einsortierten Erfahrungen immer weiter entwickeln wird, auch durch den Einfluss von Sozialisation und Erziehung.
Eltern scheinen mittlerweile kollektiv das Gefühl zu haben, ihr Kind von der Exploration und somit von ihrer positiven Entwicklung abzuhalten, wenn sie bei den neugierigen, aktiven kleinen Ein- bis Dreijährigen zu einigen Ideen Nein sagen.
Ich habe als Tagesmutter mit dem Nein als wichtigen, aus der Sozialisation und nicht aus der MINT- Gruppe stammenden „Widerstand“ gegen das Vorgehen des Kindes gearbeitet.
„Nein“ bezog sich nur auf die gerade stattfindende Interaktion, nicht auf die Persönlichkeit des Kindes und auch nicht auf die generelle Exploration.
Baute das Kind gerade sein kognitives Schema „Werfen“ aus, indem es Bauklötze gegen meine Zimmertür donnern ließ, habe ich mich auf Augenhöhe begeben, die Hände über den Bauklotzeimer gehalten, das Kind angeschaut und „Nein“ gesagt.
Ich habe ihm dann die Kiste mit den Kissen und Teddybären gegeben, die es gegen die Tür werfen durfte ohne Lärm und ohne Macken. Stellte sich heraus, dass das Kind eher an der Erfahrung „Lärm durch Bauklötze“ interessiert gewesen war und der Lärm in der gegenwärtigen Situation in Ordnung war, habe ich eine Holzkiste zur Verfügung gestellt, wo es die Klötze hineinwerfen durfte.
Die Kinder lernten so, dass ein Nein nicht persönlich ist und dass es zu einem Nein Alternativen geben kann. Sie lernten, nach einem Nein von mir selbst Alternativen zu suchen und entwickelten ihre kognitiven Fähigkeiten angemessen an die Umgebung weiter.
Es hat ihnen und mir viel Spaß gemacht, die gefundenen Alternativen als neue Entwicklungsmöglichkeiten zu sehen. Das ging so weit, dass „ältere“ Tageskinder den neuen geholfen haben, eine alternative Spielidee zu entwickeln, wenn es etwas tat, was bei uns „Nein“ war.
Dieses friedliche, wichtige Nein fehlte in vielen meiner sehr achtsamen, liebevollen Elternhäuser, weil die Eltern bei Nein das Gefühl hatten, ihren Kindern zu schaden. Sie waren positiv beeindruckt, wie ich dieses umgesetzt habe und ich durfte sie erfolgreich beratend unterstützen.
Das Nein ist gesellschaftlich extrem negativ bewertet und hat so seine wahre Bedeutung für die Sicherheit, die Stabilität und die Entwicklung verloren. Früher wurde es oft missbraucht und auch heute erlebe ich es, gerade Kindern gegenüber, häufig in sehr negativer Form als Erziehungsmittel.
Es wird benutzt, wenn die Eltern plötzlich im Stress sind und deshalb Dinge verbieten, die vorher erlaubt waren. Kinder lernen dadurch, dass sie auf die Stimmung ihrer Eltern achten müssen um zu wissen, wann etwas Nein ist. Dadurch erlebt das kognitive Schema „Nein“ eine Überforderung für die ganz kleinen Kinder, da es an Stimmungen geknüpft wird, die von dieser Altersklasse noch nicht verstanden werden kann. Das verursacht Verunsicherung und die Verbindung mit etwas Negativem.
Damit kommen die Kinder dann in die Kita und später in die Schule.
Zu keinem Zeitpunkt hatten sie in ihrer sozial- emotionalen Entwicklung die Möglichkeit, Grenzen positiv wahrzunehmen. Die Adaption von Nein im präfrontalen Cortex unter positiven Bedingungen ist ausgeblieben. Das ist in meinen Augen ein Erziehungsmangel, der zu einer Entwickelungsstörung führt. Ich beobachte das seit Langem mit Sorge.
Ich weiß, dass die Lehrkräfte in diesem Forum nicht mehr viel tun können, wenn die Kinder so in ihre Klassen kommen und dass sie so kaum unterrichten können. Meine Gruppen hätten nicht funktioniert, wenn ich dieses Element „Nein“ nicht frühzeitig positiv bewertet bei den U3 Kindern eingesetzt hätte. In diesem Alter konnten sie es noch mühelos und vorurteilsfrei lernen.
Es wäre gut, wenn gesamtgesellschaftlich Grenzen zu setzen und Nein zu sagen in der Erziehung in einer förderlichen und achtsamen Form unabhängig von der emotionalen Befindlichkeit des gerade anwesenden Erwachsenen, zu einem positiven Element in der frühkindlichen Entwicklung und Erziehung würde.
Damit würde sich meiner Einschätzung nach die Anzahl der ESE Kinder verringern, was für alle in jeder Hinsicht das Beste wäre.
Bitte dazu die Kommentare unter folgendem n4t-Artikel lesen:
„Der Fehler steckt im System“ – Bildungsforscherin kritisiert sonderpädagogische Diagnoseverfahren und: Stillstand bei der InklusionDa wird schon sehr viel zu diesem Thema gesagt.
„Der Anstieg der diagnostizierten Fälle könnte eine Folge der Tatsache sein, dass…”
… immer mehr Kinder eingeschult werden, die nicht die nötige “Schulreife” besitzen.
Die vorschulische Bildung und Erziehungist ist oft sehr abhängig vom Elternhaus und der Ausstattung der Kitas ….
Vielleicht sollte die Politik auch mal im Bereich Vorschule mehr Anstrengungen für Bildungsgerechtigkeit unternehmen? Dann gäbe es in den Schulen evtl. auch weniger Fö-Diagnosen. Die Schulen können nicht die Versäumnisse der Vorschulzeit aufholen, schon gar nicht unter den derzeitigen “Mangel-Bedingungen”.
Für die Zunahme der Diagnosen ESE und Lernen könnte es noch einen, bei n4t noch nie angesprochenen, Grund geben, der mMn. in unserer Gesellschaft zu wenig beachtet, bzw. tabuisiert wird – das “Fetale Alkohol-Syndrom” (FAS oder auch FASD). Dieses Syndrom ist sehr schwierig zu diagnostizieren, nicht alle Betroffenen zeigen die “typischen” äußerlichen/körperlichen Merkmale und bei nicht allen sind die Mütter Alkoholikerinnen. Auch kleine Mengen Alkohol in der Schwangerschaft, bzw. einmal ein Glas zu viel, können fatale Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben (z. T. auch schon, bevor die Mutter etwas von ihrer Schwangerschaft wusste). Dieses Thema müsste viel mehr in der Öffentlichkeit und in den Medien Beachtung finden, denke ich.
https://www.lwl-jugendpsychiatrie-marsberg.de/media/filer_public/79/3a/793a70c0-cc29-43f8-8dcf-5973ac9a26ec/vortrag-fas.pdf
https://www.bing.com/videos/riverview/relatedvideo?q=fetales+alkoholsyndrom&mid=02F46AD08151F342491502F46AD08151F3424915&FORM=VIRE
https://www.bing.com/videos/riverview/relatedvideo?q=fetales+alkoholsyndrom&mid=55D661DF1A9F24DE945655D661DF1A9F24DE9456&FORM=VIRE
Insbesondere wenn es selbsternannte Expert*innen gibt, die in Büchern oder auf anderem Wege den Müttern die Botschaft vermitteln, sie sollen sich mal locker machen und dass ein Glas Wein hin und wieder nicht so schlimm sei.
Bei näherem Hinsehen allerdings entpuppt sich dann zudem der prominent dargestellte akademische Grad der Autorin zwar als echt, aber nicht im entferntesten aus dem Bereich Medizin/Biologie o.ä.
Und auch wenn es rechtlich und ethisch natürlich sehr problematisch ist, einer Schwangeren den Alkoholkonsum zu verbieten bzw. ihn zu verhindern, so sollte es zumindest keine Unklarheiten bezüglich der Risiken und Folgen geben.
Glaubt denn wirklich irgendjemand im Ernst, dass ich an einer Gemeinschaftsschule so unglaublich scharf darauf bin, für meine zwei Inklusionskinder neben den eh schon geforderten drei Niveaustufen pro Stunde ein viertes und ein fünftes Niveau vorzubereiten, dass ich dafür Kinder “unsauber etikettiere”?
Weil ich es so feiere, wenn die Sonderpädagogin ihre geradezu obszön ausufernden zwei Wochenstunden in meiner Klasse verbringt, mit denen sie mich unterstützen darf? Oder weil es so geilen Kaffee gibt, wenn neben den regelmǎßig anstehenden 26 regulären Lernentwicklungsgesprächen nun zusätzlich der monatliche Runde Tisch mit Jugendamt/SBBZ/Eltern etc ansteht?
Weil ich mich so gerne in Entwicklungsberichten austobe?
Die haben doch alle den Schuss nicht gehört.
Soooooo wahr !!!!!
Danke! Genau meine Gedanken.
Als langjährig erfahrener Arzt im Bereich Sozialpädiatrie und Kinderpsychiatrie und enger Verbindung zur Schulsituation bin ich sehr überzeugt, dass tatsächlich der Anteil der Kinder mit dekompensierten Entwicklungsstörungen und -defiziten deutlich zugenommen hat und nicht nur die zunehmende diagnostische Aufklärung oder Etikettierung. Die Vulnerabilitaet und der Schweregrad der Störungen haben zugenommen: 1. durch familiaere Stressfaktoren, wie Scheidung, Zerfall kompensierender Strukturen, Mediensucht, moralischer Zerfall usw., 2. durch gesellschaftliche Faktoren, wie Verarmung von Familien bzw. Bekomnen arme Familien eher noch Kinder als Mittelschicht oder/ und Akademiker also state und shift Problematik, 3. durch starke Zunahme von Kindern mit Migrationshintergrund, in deren Familien und sozialem Umfeld kein Deutsch gespochen wird, die Eltern praktisch Analphabeten bzw. keine Bildungsvorbilder sind, ja sogar den Schulbesuch generell infragestellen.
Familien und Schulklassen, die vorhandene Entwicklungsstörungen kompensieren können, gibt es immer weniger bzw. Inklusion braucht Personal und Geld.
Somit ist der allgemeine starke Anstieg des Foerderbedarf sicher ganz wesentlich kein Etikettierungsproblem wie es Inklusionspaedagogen leider oft behaupten.
Mit anderen Worten und vereinfacht: Kinder brauchen, wie früher, so auch heute, eine klassische Familie, ein traditionelles Zuhause, einen Vater und eine Mutter, die sich kümmern, kochen, pflegen, trösten und einfach da sind.
Karriere oder Familie, das ist die Frage.
Auch in unserem Freundes- und Familienkreis kennen wir viele klassische und viele nicht klassische Familien.
Die Kinder aus klassischen Familien zeigen keine Verhaltensauffälligkeiten.
Und nein, das ist kein Thema für eine Diskussion über die Rechte von Frauen, Müttern, Vätern, Männern oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, das ist einfach mein persönliches Fazit, zu dem ich in meinen über 50 Lebensjahren gekommen bin.
Ob es mir gefällt oder nicht, es ist einfach eine Tatsache.
Vielleicht würde ich mich in einem anderen Universum, mit dem Wissen von heute, anders entscheiden, für Karriere und ein paar Hunde und Katzen statt Kinder.
Aber Kinder brauchen einen Anker, einen festen Halt, jemanden, der immer da ist, ganz egal, ob es sich um zwei Väter, zwei Mütter oder Mutter und Vater handelt. Das ist überhaupt nicht das Thema.
Das Thema ist, dass Kinder eine Bezugsperson brauchen, der sie vertrauen und die jeden Tag in ihrem Zuhause für sie da ist.
Dann kann jede Krise, jede Schwierigkeit außerhalb des Hauses, leicht überwunden werden, im idealen Fall, natürlich, einer normalen, alltäglichen Familie, die selbst keine Quelle von Stress ist.
Die Welt hat sich verändert, sie ist schneller, digitaler, weniger empathisch, kälter und selektiver geworden. Das sieht man heute besonders im Bildungssystem.
Doch weder wir noch die Kinder haben uns verändert.
Wir sind immer noch biologische Wesen, jene Affen von vor ein paar Tausend Jahren,
ohne eingebaute Chips und ohne dass wir zu Cyborgs geworden sind.
So wie jedes Hündchen oder Kätzchen brauchen auch die Kinder des Homo sapiens noch immer eine Bezugsperson, die sie durch das Leben begleitet, bis sie selbst erwachsen sind.
Besonders in Deutschland ist dieses Ungleichgewicht deutlich zu spüren.
Ich habe es schon unzählige Male gehört: „Oh, wir brauchen die Schule, wir brauchen kürzere Ferien, ich kann es kaum erwarten, dass die Kinder endlich wieder in den Kindergarten oder in die Schule gehen – damit sie versorgt sind.“
Und genau darin liegt das Problem.
Kein Kindergarten und keine Schule kann den Menschen zu Hause ersetzen,
der nur zu diesem Kind gehört und den es nicht mit fünfzig anderen Gleichaltrigen teilen muss.Und dann kommt es zu solchen Diskussionen, die meist leere Phrasen sind –
denn die Tatsache bleibt: Der Staat kann weder Mutter noch Vater ersetzen.
Die Bildungsforscherin Frau Moser geht, genau wie Sie, auch davon aus, dass die Anzahl der Kinder mit Entwicklungsstörungen und -defiziten tatsächlich gestiegen ist – sie führt dazu ähnliche Gründe auf wie Sie. Da gibt es also gar keinen Dissens zwischen Ihnen und der „Inklusionspädagogin“. Aber unbestritten dürfte doch wohl sein, dass die Anzahl der Fördergutachten – vor allem in den Förderschwerpunkten Lernen und Emotional und soziale Entwicklung – stark zugenommen haben. In Niedersachsen gehört sogar der Förderschwerpunkt geistige Entwicklung dazu, bei uns haben sich die Schülerströme sehr stark verschoben: man schließt Förderschulen Lernen und baut neue Förderschulen für die Förderschwerpunkte geistige Entwicklung und Emotional und Soziale Entwicklung. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Und die Förderschwerpunkte Lernen und Emotional und soziale Entwicklung sind aus meiner Sicht auch Diagnosen die schwer zu definieren sind und somit auch durchaus in Frage zu stellen.
Die Frage ist doch, wie reagieren wir auf die Tatsache, dass sich die Anzahl der Kinder mit Defiziten und Störungen in ihrer Entwicklung so stark erhöht hat? Aus meiner Sicht müssen wir uns mehr um die Prävention während der frühkindlichen Entwicklung kümmern und diese massiv ausbauen, denn „Vorbeugen ist besser als heilen“. Wirksame, institutionell vernetzte, kommunale Beratungs- und Unterstützungszentren könnten Familien von Geburt an und später auch die Mitarbeiter/innen von Bildungseinrichtungen begleiten, beraten und unterstützen. Das Ziel muss sein, mögliche Defizite im häuslichen Umfeld betroffener Kinder auszugleichen und durch frühzeitige gezielte Maßnahmen Kompetenzen zu verbessern und so möglichst jedem Kind die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen. Kinder würden besser eingeschult werden, und die Anzahl der Überprülfungsverfahren ließe sich bestimmt deutlich reduzieren, wenn Entwicklungsverzögerungen früher erkannt und schneller behandelt werden, wie es das Neuvola System in Finnland z. B. gewährleistet.
Schön mal die Sicht einer anderen Berufsgruppe zu lesen.
Da wird landauf, landab geschrieben, welche Erkrankungen insbesondere psychischer Art der SuS durch die Pandemie und auch durch frühere Diagnose massiv zugenommen haben, und gleichzeitig wird sich gewundert, dass es mehr Förderbedarfe gibt?
Der massive Anstieg der Zahl von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf hat schon deutlich vor der Pandemie eingesetzt.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Wir machen ein sehr aufwendiges AO-SF-Verfahren, treffen uns zu zusätzlichen Inklusionssitzungen, schreiben und besprechen Förderpläne, machen Elterntermine, um diese Förderpläne zu besprechen, differenzieren Arbeitsmaterialien und Klassenarbeiten und schreiben Textzeugnisse, weil wir auf zusätzliche Ressourcen scharf sind ??? Welche denn? Leergelaufene SoPä-Stellen ???? Ne, Leute, das kann ich ausschließen. Der Anteil der Kinder, bei denen wirklich einfach besondere Bedingungen vorliegen, steigt. Fertig.
Vielleicht sollte sich Schule ändern? In einer sich immer mehr individualisieren Gesellschaft ein Lehr- und Lernangebot aus dem letzten Jahrhundert anzubieten, könnte möglicherweise mit den festgestellten Entwicklungen zusammen hängen. Aber gut, wenn es ofttmals nicht um eine inhaltliche und fachliche Diskussion und Entwicklung geht, sondern nur um Politik und Bedürfnisse aus dem wirtschaftlichen Umfeld und niemand davon ablässt, läuft es einfach, wie gehabt weiter.
In dieser Diskussion fehlt, dass das Augenmerk auch auf die Folgen der Coronapandemie gerichtet wird. Ich finde es nicht erstaunlich, dass die Zahl der Förderbedarfe steigt. Viele Kinder haben durch die Isolation, die teilweise Überforderung der Eltern und soziale Ungerechtigkeiten Entwicklungsrückstände aufgebaut. Sie wurden und konnten nicht ausreichend gefördert werden. Jetzt fallen genau diese Defizite in der Schule auf. Die Kinder müssen jetzt mit viel Einfühlung und intensiver Begleitung unterstützt werden.
Mit den geplanten Sparmaßnahmen wird das niemals gelingen. Ich bin sehr pessimistisch. Schließlich sind dies die Erwachsenen der Zukunft.
Inklusion ist in den meisten Fällen an normalen Schulen sehr schwierig:
Der Lehrer hat nicht genügend Zeit, sich für jeden Inklusionschüler speziell vorzubereiten und ihm viele Dinge noch zusätzlich und mehrmals zu erklären.
Diese Schüler sind besser an Förderschulen mit kleinen Klassen und Zeit für individuelle Betreuung aufgehoben.
Neben guten und Deutsch sprechenden Schüler sollen sich die Lehrer also noch um Inklusion, Schülern aus aller Welt, die nicht oder schlecht Deutsch sprechen und um verhaltensauffällige Kinder kümmern. Dass dabei den guten Schülern nicht entsprochen wird, müsste eigentlich klar sein.
Alle, die hier nur reden, sollen mal ein Jahr lang solche Klassen unterrichten!