“Warnsignal” IQB-Bildungstrend: Bundeselternrat fordert Bund-Länder-Aktionsplan

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BERLIN. Der Bundeselternrat reagiert mit großer Sorge auf die Ergebnisse des aktuellen IQB-Bildungstrends. Die neuen Daten zeigten erneut sinkende Kompetenzen von Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik – und eine wachsende Zahl von Schülerinnen und Schülern, die nicht einmal die Mindeststandards erreichen. Für den obersten Elternvertretungsverband Deutschlands steht fest: Die Studie ist „ein Warnsignal, das gehört werden muss“.

Chefsache – das Bundeskanzleramt in Berlin. Foto: Shutterstock / Sybille Reuter

„Es reicht nicht, den Kopf zu schütteln und zur Tagesordnung überzugehen“, heißt es in der Stellungnahme. „Diese Ergebnisse sind ein Symptom eines Systems, das seit Jahren an seinen Grenzen arbeitet – und diese Grenzen längst überschritten hat.“

IQB-Bildungstrend zeigt dramatische Defizite

Der IQB-Bildungstrend untersucht regelmäßig die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in den Ländern der Bundesrepublik. Die aktuelle Erhebung belegt einen erneuten Leistungsrückgang in den naturwissenschaftlichen Fächern und in Mathematik. Laut der Studie verfehlt mittlerweile ein erheblicher Anteil der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler die Mindeststandards, die für den Mittleren Schulabschluss erforderlich wären (News4teachers berichtete).

Für den Bundeselternrat ist das kein überraschendes, aber ein umso alarmierenderes Ergebnis. „Das deutsche Bildungssystem steht unter Druck – und dieser Druck trifft die Kinder am stärksten“, so die stellvertretende Vorsitzende Aline Sommer-Noack.

Positives Beispiel: Sprachförderung – aber Ungleichheit bleibt

Als Beispiel für wirksame Maßnahmen nennt der Bundeselternrat die Sprachförderung. Programme wie „Sprach-Kitas“ hätten vielerorts Erfolge gezeigt – und einige Länder führten diese sogar auf eigene Kosten fort, nachdem der Bund sich aus der Finanzierung zurückgezogen hatte.

Doch genau hier sieht der Verband auch ein Grundproblem: „Der Bund stößt nützliche Initiativen an, überlässt sie jedoch dann den Ländern“, heißt es in der Erklärung. Das führe zu Ungerechtigkeit zwischen den Ländern, insbesondere dort, wo die Haushaltsmittel begrenzt seien. „Das gefährdet Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit – zentrale Werte, auf die sich alle Ebenen verpflichtet haben.“

Ursachen: Ungleichheit, Überlastung, Symbolpolitik

Die Ursachen des Leistungsabfalls sieht der Bundeselternrat in einer Mischung aus strukturellen Defiziten und gesellschaftlichen Problemen. Soziale Ungleichheit, überlastete Lehrkräfte und fachfremder Unterricht verschärften die Situation weiter. „Symbolpolitik reicht nicht“, heißt es in der Erklärung unmissverständlich.

Die Reaktionen nach jeder neuen Bildungsstudie seien stets dieselben: Arbeitsgruppen, Ankündigungen, Berichte – aber keine spürbaren Veränderungen. „Wir brauchen keine weiteren Analysen, die das Bekannte bestätigen, sondern politischen Mut, endlich zu handeln“, fordert Sommer-Noack.

Forderungen: Qualität, Fachkräfte, Gerechtigkeit

Der Bundeselternrat fordert deshalb einen Bund-Länder-Aktionsplan, der sich auf Qualität, Fachkräfte und Chancengerechtigkeit konzentriert. Zu den zentralen Punkten zählen:

  • Verlässliche Rahmenbedingungen: kleinere Klassen, individuelle Förderung, Schulsozialarbeit, Lerncoaching und Schulpsychologie.

  • Beteiligung & Transparenz: Eltern müssen aktiv eingebunden, Maßnahmen regelmäßig evaluiert und angepasst werden.

  • Nachhaltige Finanzierung: Bildungsprogramme dürfen nicht von Haushaltszyklen abhängen – sie müssen langfristig gesichert sein.

  • Psychosoziale Unterstützung: Schulen sollen gezielt Resilienz, Selbstwirksamkeit und ein positives Schulklima fördern.

  • Frühförderung & Übergänge: Der Übergang von der Grundschule sowie die Berufsorientierung müssen systematisch gestärkt werden.

Das Fazit des Bundeselternrats ist deutlich: Der IQB-Bildungstrend sei ein Weckruf, der politische Konsequenzen haben müsse – auf allen Ebenen. „Bildungsgerechtigkeit darf kein Ideal bleiben – sie muss gelebte Realität werden“, heißt es abschließend. News4teachers 

„Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System!” – Nächste Klatsche für die Bildung: die IQB-Studie (Reaktionen von Lehrern)

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Katze
1 Monat zuvor

Ach, es wird wieder gefordert. Der Bundeselternrat ist „besorgt“. Die MINT-Kompetenzen der Neuntklässler sind im Keller, und plötzlich wird ein „Bund-Länder-Aktionsplan“ gefordert. 

Dabei waren es doch “Räte” – Elternräte, Schülerräte, Bildungsräte, Gleichstellungsräte, Inklusionsräte, Diversitätsräte, Schulentwicklungsräte und das ganze pädagogische Panoptikum, die jahrelang ihre Bestellungen aufgegeben haben: weniger Druck, weniger Noten, weniger Inhalte, mehr Wohlfühlatmosphäre, mehr „Kompetenzen“, mehr „Lernbegleitung“. Und das bitte alles ohne Anspruch, aber mit ganz viel Haltung.
Die MINT-Fächer? Zu anstrengend. Mathematik? Zu abstrakt. Chemie? Zu gefährlich. Physik? Zu elitär. Also wurde das Niveau systematisch abgesenkt, die Anforderungen weichgespült, die Noten inflationiert und Lehrkräfte, die sich dem verweigerten, wurden öffentlich als „rückwärtsgewandt“, „renitent“ und „konservativ“ geframt. Man hat sie behandelt wie Fossilien aus der Bildungssteinzeit, die dem Fortschritt im Weg stehen.
Jetzt, wo die IQB-Daten das ganze Ausmaß der bildungspolitischen Selbstzerstörung offenlegen, ist das Entsetzen groß. Aber schon gibt’s die nächste Forderung. Als ob man mit einem Aktionsplan gegen die Folgen der eigenen Forderitis ankommt. Die Räte fühlten sich berufen zu rufen und zu fordern – und wundern sich, dass das Niveau des MINT-Unterrichts ihren Rufen gefolgt ist.
Wer bestellt, muss auch die Konsequenzen tragen und nicht so tun, als kämen die verbrannten Ergebnisse aus dem Nichts. Die Rechnung liegt auf dem Tisch und ist mit IQB-Siegel versehen.
Und noch etwas: Eine Rückkehr zu den Wurzeln des Lehrberufs, mit echtem Fachunterricht, klaren Anforderungen und Respekt vor Expertise, wäre nicht nur ein Rettungsanker für die Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte. Denn die Flucht vieler MINT-Lehrer in den vorzeitigen Ruhestand ist kein Zufall, sondern eine stille Abstimmung mit den Füßen. Wer den Beruf entkernt, darf sich nicht wundern, wenn ihn niemand mehr ausüben will.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

“Dabei waren es doch “Räte” – Elternräte, Schülerräte, Bildungsräte, Gleichstellungsräte, Inklusionsräte, Diversitätsräte, Schulentwicklungsräte und das ganze pädagogische Panoptikum, die jahrelang ihre Bestellungen aufgegeben haben”
Hey, all Ihre Feindbilder sind an allem schuld:
Eltern, Schüler*innen, Schulentwicklung, Pädagogik sowie Grundrechte auf auf Teilhabe und Anerkennung – welch Zufall 😀

GBS-Mensch
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

Und was haben Sie jetzt konkret gegen den Inhalt der Äußerungen und Forderungen einzuwenden?

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

Das Geschwätz dieser ganzen “Räte” ist letztendlich dasselbe wie das Geschwätz der Politiker: Man verlangt Reformen in den Schulen und drückt diese “wissenschaftlich” belegt (Bildung”forschung”) durch ohne auf die Praktiker vor Ort (“Frösche im Teich”) zu hören. Wenn sich dann ein paar Jahre später zeigt, dass das alles nicht funktioniert, ja, wer ist dann Schuld?

Die “Sündenböcke” in den Schulen natürlich: Haben die Reformen nicht verstanden, waren zu blöd, diese umzusetzen, oder zu faul, oder (ganz neuer Turn) haben sich dagegen nicht “gewehrt”, obwohl doch jede hätte sehen müssen, dass das Ganze Schwachsinn war.

Und so dreht sich alles im Kreis, nur der Universalsündenbock bleibt der Gleiche. Määääh!

AvL
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Ihre Kommunikationsstrategie basiert maßgeblich auf Provozieren und polarisieren gegen das sog. Establishment der gerne so titulierten “Altparteien” und hier eben noch von ihrer Seite gegen Elternräte. Sie wollen einen Keil zwischen die aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen Kultusministerien und den Lehrern treiben, aber auch an anderer Stelle wettern Sie gegen die aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen gewerkschaftlichen Vertreter der angestellten Lehrer, gegen deren Vertreter der GEW.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

MINT = Muss ich nicht trainieren.

Muss ich wissen, wie mein Smartphone funktioniert, um es bedienen zu können. Die für den Bau und Betrieb des Gerätes theoretischen naturwisen- und ingenieurwissenschaftlichen Grundkenntnisse braucht niemeand, um während des Unterrichtes damit daddeln oder chatten zu wollen.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

“Der Bund stößt nützliche Initiativen an, überlässt sie jedoch dann den Ländern”
Die landeshoheitlichen Aufgaben wiegen schwer. Wenn die Länder von sich aus keine nützlichen Initiativen mehr finanzieren wollen… 😉

Rüdiger Vehrenkamp
1 Monat zuvor

Vom Bundeselternrat fühle ich mich eher schwach vertreten, denn außer Allgemeinplätzen haut der auch nichts raus. Er tut also genau das, was er von anderen Stellen nicht mehr haben möchte, wobei ein Forderungskatalog immer eine nette Sache ist, wenn man sich um die Umsetzung keine Gedanken machen muss.

Zu den einzelnen Forderungen:

  • Verlässliche Rahmenbedingungen: kleinere Klassen, individuelle Förderung, Schulsozialarbeit, Lerncoaching und Schulpsychologie.

Alles toll, aber nach wie vor bleibt die Frage, woher das Personal dazu kommen soll. Diese Forderungen tauchen alle paar Tage erneut auf. Ich fordere auch mehr Meer und Strand in Baden-Württemberg.

  • Beteiligung & Transparenz: Eltern müssen aktiv eingebunden, Maßnahmen regelmäßig evaluiert und angepasst werden.

Ein frommer Wunsch. Wir kennen viele Eltern, die sich raushalten, ja sogar falsche Telefonnummern in den Schulen angeben, um nicht von den Lehrern belästigt zu werden. Selbst in der sozialen Arbeit laufen einige Handynummern ins Leere, da man uns den Wechsel der Nummer nicht anzeigt. Und einige wechseln sehr oft die Nummer. Bei den letzten Elternabenden meiner Kinder wollte auch niemand in die Elternvertretung. In der Klasse meines Sohnes hab ich den Job übernommen. Wer genau evaluiert denn eigentlich die Maßnahmen? Die Lehrer? Die sollten doch lieber mehr unterrichten, anstatt zu evaluieren und diagnostizieren.

  • Nachhaltige Finanzierung: Bildungsprogramme dürfen nicht von Haushaltszyklen abhängen – sie müssen langfristig gesichert sein.

Vor allem müssen diese Programme mal ernst gemeint sein. Oft scheitern sie an Formular- und Antragswüsten für die Lehrkräfte.

  • Psychosoziale Unterstützung: Schulen sollen gezielt Resilienz, Selbstwirksamkeit und ein positives Schulklima fördern.

Das tun die Schulen doch. Was sie aber nicht sind: Therapiezentren, sondern Orte der Bildung.

  • Frühförderung & Übergänge: Der Übergang von der Grundschule sowie die Berufsorientierung müssen systematisch gestärkt werden.

Und wie genau? Ehrlich gesagt, kann ich mit dieser Forderung überhaupt nichts anfangen. Sie liest sich inhaltsleer für mich.

Kleopas
1 Monat zuvor

“Das führe zu Ungerechtigkeit zwischen den Ländern, insbesondere dort, wo die Haushaltsmittel begrenzt seien.” (meint der Bundeselternrat)

Tja, das ist wohl so im Föderalismus, Einheitlichkeit passt nicht zu diesem Konzept. EU-weit haben wir erst recht Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern, aber niemand will alles einer Zentralregierung überlassen.
Übrigens: Haushaltsmittel sind IMMER begrenzt. Der zitierte zweite Halbsatz erinnert also an die Feststellung der berühmten Fußballtrainer “der Ball ist rund”.

Teacher Andi
1 Monat zuvor

Was dann so kommt, kennen wir schon. Heftiges und übereiltes Flügelschlagen, Reformen werden angestoßen, die von Leuten “ausgearbeitet” wurden, die wenig Ahnung von der Basis haben, man klopft sich aufgrund ultimativer Lösungsansätze auf die Schulter und merkt mal wieder nicht, wie sehr daneben diese Ansätze sind und schwer umzusetzen, wenn nicht realitätsfern. Die wahren Gründe möchte man nicht sehen, die notwendigen Veränderungen kosten zu viel Geld. So what? Das wird nichts mehr, zumal man immer noch nicht den Leistungsgedanken wieder integriert hat.