Realschullehrer kritisieren “vorherrschende Haltung, den Schülern immer weniger abzuverlangen”

7

STUTTGART. Der Realschullehrerverband Baden-Württemberg (RLV) reagiert mit scharfer Kritik auf die neuen IQB-Ergebnisse: Die jüngste Erhebung zeige erneut einen deutlichen Leistungsabfall der Neuntklässler in Mathematik und Naturwissenschaften – auch im Südwesten. „Die Schwäche der Schüler in Mathe und Naturwissenschaften im Land ist auch Resultat einer bildungspolitischen Schwäche“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands.

Zu viel Kuschelpädagogik? (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

Laut IQB-Bildungstrend 2024 verfehlt bundesweit mehr als ein Viertel der Neuntklässler die Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss. Die Leistungen seien quer durch alle Schularten und Bundesländer gesunken, besonders betroffen seien jedoch die Schüler an nicht-gymnasialen Schulformen. „Mit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung und der damit verbundenen Vereinheitlichung der einstmals vielfältigen und profilierten Schularten geht es auch mit der Leistung im Land steil bergab“, so der Verband weiter.

RLV-Landesvorsitzende Karin Broszat warnt vor einem strukturellen Problem: „Nur vielfältige und sinnvoll nach Leistung ineinandergreifende Schulsysteme können großen Erschütterungen standhalten. Wer in krisengeschüttelten Zeiten auf Vereinheitlichung setzt und unbelehrbar eine Einheitsschule schafft, macht sich an den so unterschiedlichen Kindern im Land schuldig.“ Gerade bei der Integration von Kindern mit Migrationsgeschichte spiele die Differenzierung nach Leistung eine enorme Rolle, so Broszat.

„Schule ohne Leistungsorientierung kommt einer Betreuungsanstalt gleich“

Die Vorsitzende kritisiert zudem die „vorherrschende Haltung, den Schülerinnen und Schülern immer weniger abzuverlangen“. Das schade „den Kindern, der Wirtschaft, der Gesellschaft und unserer Demokratie“. Lernen müsse wieder mit Anstrengung, Übung und Konzentration verbunden werden: „Schule ohne Leistungsorientierung kommt einer Betreuungsanstalt gleich. Das kann sich ein Land wie Deutschland, das auf seine klugen Köpfe angewiesen ist, nicht leisten.“

Der Verband fordert einen klaren bildungspolitischen Kurswechsel. „Ran an die Wurzeln der Probleme, die längst bekannt sind“, heißt es in der Mitteilung. Dazu nennt der RLV vier zentrale Punkte: Verbindlichkeit statt Beliebigkeit bei der Schulwahl, Stärkung und Profilierung statt Vereinheitlichung der Schularten, passende Didaktik und Methodik an allen Schulformen sowie ein klares Bekenntnis zur Leistungsorientierung auf jedem Niveau. Das seien, so der Verband, „kostenneutrale und pragmatische Gebote der Stunde“. News4teachers 

„Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System!” – Nächste Klatsche für die Bildung: die IQB-Studie (Reaktionen von Lehrern)

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

7 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Rüdiger Vehrenkamp
19 Stunden zuvor

Dieses Statement möchte ich gerne zu 100% unterschreiben. Gerade die Realschule wurde in den letzten Jahren unnötigerweise abgehandelt und in ihrem Profil verwässert. Schade.

Lehrer Heinz
19 Stunden zuvor

Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung, also werden sie definitiv nicht umgesetzt.

Irgendjemand aus der Regierung wird erklären, dass die Schüler bereits heute extrem viel leisten, was in den IQB-Ergebnissen aber nicht abgebildet wird. Zukünftig müsse man den bisher eingeschlagenen Weg noch entschlossener gehen, damit sich die Erfolge zeitnah einstellen können.

Götz
9 Stunden zuvor

“Anstrengung, Übung, Konzentration” – nichts ist dem Zeitgeist fremder. Und die Schule mit ihren – je nach Auslastung – überforderten und desillusionierten Kräften soll das richten? Ich kann das nur noch humoristisch auffassen.

Roland
8 Stunden zuvor

„Nur vielfältige und sinnvoll nach Leistung ineinandergreifende Schulsysteme können großen Erschütterungen standhalten. Wer in krisengeschüttelten Zeiten auf Vereinheitlichung setzt und unbelehrbar eine Einheitsschule schafft, macht sich an den so unterschiedlichen Kindern im Land schuldig.“

So?

Kennt der RLV etwa gar nicht die seit Jahrzehnten klaren Erkenntnisse, dass die Aufteilung der Zehnjährigen auf drei Schularten gar nicht gelingt, sondern es große Überschneidungen in den Leistungsbereichen gibt?

Und haben die noch nie was davon gehört, dass diese Aufteilung oft entlang von Herkunftsgrenzen verläuft, und nicht immer an Leistung orientiert ist?

Vermutlich wissen sie auch nicht, dass seit 2019 insgesamt 9 Gemeinschafts-/Gesamtschulen mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurden?

Haben die nicht schon mal in den Süden ihres Ländles nach Wutöschingen geschaut und deren Leistungen mit dem Gesamtschnitt in BW verglichen?

Könnte sein, dass “unbelehrbar” auf den RLV zurückfällt.

Und mit dem Verdikt, sich “an Kindern im Land schuldig” zu machen, sollten der Verband vorsichtiger umgehen.

ed840
1 Stunde zuvor
Antwortet  Roland

Könnte man machen, aber wäre es nicht wesentlich informativer den Schnitt aller Schüler auf RS-Niveau an Gemeinschaftsschulen mit dem Schnitt aller Realschulen zu vergleichen und/oder die Schnitte besonders guter Schulen aus den beiden Schularten gegenüberzustellen?

Rainer Zufall
3 Stunden zuvor

“Die Vorsitzende kritisiert zudem die „vorherrschende Haltung, den Schülerinnen und Schülern immer weniger abzuverlangen“. ”

Bin da nicht vom Fach. Wo konkret wird den Schüler*innen weniger abverlangt? Ich hatte bisher angenommen, dass Lehrkräftemangel und geringere Voraussetzungen der Kinder Hauptursache wären :/

Katrin
2 Stunden zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

In RLP hat unser Sven angewiesen, dass keine unangekündigten HÜ, Tests, Abfragen, Benoten von Hausaufgaben etc. mehr gibt.