Werkunterricht auf den Stundenplan! Weshalb Handwerk für Schüler so wichtig ist

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BIELEFELD. Eine Werkstatt in der Schule – bietet ein pädagogisches Potenzial, das weit über das bloße Handwerk hinausgeht. Denn im Werkraum werden nicht nur Regale gebaut oder Metallplatten bearbeitet, sondern auch Selbstvertrauen, Geduld und Teamfähigkeit geschult. Daraus hat sich eine eigene Methodik entwickelt: Die Werkstattpädagogik zeigt, wie praktisches Tun das Lernen beflügeln und Jugendlichen neue Perspektiven eröffnen kann.

Handwerk hat goldenen Boden (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Es ist 8.05 Uhr: Anwesenheit, Begrüßung, ein kurzer Austausch. Dann Deutsch – und nach der großen Pause geht’s endlich in die Werkstatt. Holz, Metall, Farbe, technisches Zeichnen: Lernen an der Werkbank, nicht nur an der Tafel. So sieht ein Stundenplan an der Werk(statt)schule Bielefeld aus – ein „anderer“ Lernort für Jugendliche, die dem Regelschulbetrieb entglitten sind. Dort zeigt sich, was Werkstattpädagogik leisten kann: Jugendlichen, die längst abgehängt schienen, eine Tagesstruktur, Motivation und neue Perspektiven zu geben.

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Ob Holz, Metall oder Textil – unsere Lösungen machen praktisches Lernen sichtbar und greifbar. So entstehen Räume, in denen Theorie und Praxis aufeinandertreffen, Schüler Erfolgserlebnisse sammeln und die Freude am Tun spürbar wird.

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Früher war der Werkunterricht in Regelschulen verbreitet, hatte eine deutlich größere Relevanz. Er galt als Vorbereitung auf die spätere berufliche Tätigkeit und war damals nur Jungen vorbehalten. Mädchen wurden in dieser Zeit in Nadelarbeit und Hauswirtschaft unterrichtet.

Die Trennung wirkt heute antiquiert. Der Werkunterricht selbst ist es offenbar nicht: Eine breite Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger stünde wohl hinter einer Wiedereinführung in der Fläche. Laut einer aktuellen MDR-Umfrage jedenfalls sprechen sich 88 Prozent für eine handwerkliche Grundausbildung an Schulen aus. Begründungen reichen von Alltagsnutzen bis hin zu kognitiven Vorteilen. Ein Befragter formuliert es so: „Etwas mehr Wissen über das Handwerk schadet ganz sicher nicht – egal welchen Beruf man später ergreift.“

Lernziele: Exaktheit, Ordnung, Sauberkeit, Ausdauer und Geduld

Zeitgemäße Pädagogik sieht noch mehr darin: Der Werkunterricht trägt entscheidend zur ganzheitlichen Entwicklung bei. Im Zentrum steht die praktische Tätigkeit, die an den Bedürfnissen, Interessen und Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler ansetzt. Sie lösen kreative Problemlagen, trainieren taktile Fertigkeiten und eignen sich dabei Tugenden an wie Exaktheit, Ordnung, Sauberkeit, Ausdauer und Geduld. Gleichzeitig entwickeln sie ihre kognitiven Fähigkeiten weiter. Die Problemlösungsprozesse sind technischer Natur und stets mehrdimensional – sie verlangen Wissen aus verschiedenen Bereichen, Teamarbeit und kommunikative Fähigkeiten. Kein Wunder also, dass der Werkunterricht in Reformschulen nach wie vor eine große Rolle spielt.

Auch Einrichtungen, die abbruchgefährdete Schülerinnen und Schüler zu einem Abschluss führen sollen – sogenannte „Werk(statt)schulen“ oder „Produktionsschulen“ – wissen um die Bedeutung der kreativen handwerklichen Arbeit für ihre Klientel. Der Friedrich-Verlag beschreibt das Konzept so: „In der Werk(statt)schule sollen die Jugendlichen ihre alltagspraktischen Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen weiterentwickeln. Voraussetzung dafür sind zunächst einmal eine regelmäßige Teilnahme und die Einhaltung von Absprachen. Im Weiteren geht es darum, die Jugendlichen zu motivieren, deren Interessen und Ressourcen zu erkennen und zu fördern, den Umgang mit Strukturen erfahrbar zu machen, sodass sie berufspraktische Erfahrungen sammeln und persönliche Probleme bearbeiten können.“

Werkstattpädagogik bedeutet also: Lernen in handlungsorientierten Projekten, die sichtbaren Sinn stiften. Statt nur Theorie zu pauken, erleben Jugendliche, dass ihr Tun Wirkung hat – ob beim Möbelbau, bei Malerarbeiten oder im technischen Zeichnen. Das stärkt Selbstwirksamkeit und Teamfähigkeit. Gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ist dieser Zugang wichtiger denn je. Das Arbeiten mit Holz oder Metall bietet eine besondere Möglichkeit, etwas Eigenes zu schaffen und nach individuellen Vorstellungen zu gestalten. Feinmotorisches Geschick, Handlungsplanung und Kreativität werden dabei aktiviert. Wichtig ist die Unterstützung durch Erwachsene – ebenso aber das freie Ausprobieren und Entdecken.

Folgende Elemente stehen im Mittelpunkt der Werkstattpädagogik:

  1. Handlungsorientierung: Lernen geschieht über praktische Arbeit an realen Projekten.
  2. Selbstwirksamkeit: Jugendliche erleben, dass ihr Tun sichtbare Wirkung hat.
  3. Struktur und Tagesrhythmus: Klare Regeln, Pausen und Abläufe geben Halt.
  4. Soziales Lernen: Gruppenprozesse, Teamarbeit und Verantwortung stehen im Zentrum.
  5. Qualifizierte Fachkräfte: Werkstattpädagogen mit spezieller Weiterbildung begleiten die Jugendlichen.
  6. Brücke zur Ausbildung: Praxisarbeit öffnet Wege in Berufsausbildung und gesellschaftliche Teilhabe.

Damit das Konzept funktioniert, braucht es qualifizierte Fachkräfte. Dafür gibt es inzwischen eine eigene Weiterbildung zum Werkstattpädagogen, etwa beim Bundesverband Produktionsschulen. Sie umfasst neun Module, von „Didaktik und Methodik des praktischen Lernens“ über „Arbeiten am Kundenauftrag“ bis zu „Gruppenprozessen und Teamarbeit“. Ein zentrales Ziel ist die klare Rolle der Fachkräfte: Wertschätzung zeigen, Strukturen vermitteln, Grenzen setzen – und den Jugendlichen Erfolgserlebnisse ermöglichen.

Der Lernort Werkstatt bietet ihnen sichtbaren Sinn: Das Regal steht, die Platte passt, der Auftrag ist erfüllt. Oder, wie es das Konzept der Produktionsschulen beschreibt: „Arbeiten und Lernen bedingen sich gegenseitig.“ Genau dieser Ansatz motiviert eben auch Jugendliche, die zuvor als „schulmüde“ galten.

Auch die Handwerksorganisationen selbst fordern die Rückkehr zum Werkunterricht. Die Vollversammlung der Handwerkskammer Halle befand unlängst: „Auszubildende kommen in die Ausbildung und haben zuvor noch nie Werkzeuge in der Hand gehabt. Egal welchen Berufsweg jemand einschlägt – ein Grundlagenwissen vom Umgang mit Hammer und Säge oder anderen Werkzeugen sollte dazugehören.“ Gefordert wurde deshalb, das Fach wieder einzuführen. Zuvor hatte die Handwerkskammer Aachen gefordert: „Werkunterricht sollte verpflichtendes Schulfach werden.“ News4teachers

Hier geht es zu allen Beiträgen des Themenmonats “Schulbau & Schulausstattung”. 

Und noch ein Rekord… Das neue Redaktionskonzept von News4teachers zieht!

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14 Kommentare
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Lehrer
1 Monat zuvor

Ich kenne die Schule aus dem Artikel selbst. Die sind wirklich klasse!

Als Techniklehrer einer Regelschule finde ich es schade, dass diese Art Unterricht an Regelschulen schon allein deshalb ausstirbt, weil es schlicht keine Lehrer mehr für das Fach gibt. Hauswirtschaft und Textil betrifft das übrigens genauso.

Unfassbar
1 Monat zuvor

Natürlich ist Werkunterricht wichtig, besonders an Schulformen, die nicht oder nicht überwiegend zum Abitur führen. Dasselbe gilt natürlich auch für Hauswirtschaft, Textilgestaltung/Design usw.

Fräulein Rottenmeier
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

In anderen Bundesländern gibt es Werkunterricht auch schon für Grundschüler….ich finde das Klasse….und jede Schule, die einen Werkraum hat, beneide ich heiß und innig….

mama51
9 Tage zuvor

Joa, wir (= GS) haben einen Werkraum!Toll ausgestattet! Fein! Der Schlüssel ist unauffindbar! Schon deswegen, weil die hess. Bestimmungen für die GS vorschreiben, dass der nur mit max. 12 SuS gleichzeitig belegt werden darf. Desgleichen übrigens auch für unsere tolle Schulküche…Wer merkt was? Wem fällt etwas auf?

potschemutschka
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

Auch Abiturienten schadet es nicht, wenn sie einen Knopf annähen, eine Bohrmaschine bedienen können und andere handwerkliche/hauswirtschaftliche Fähigkeiten besitzen. 🙂

vhh
1 Monat zuvor

Es geht um ‘abbruchgefährdete, schulmüde Jugendliche’ an einer Schule mit speziell auf diese zugeschnittenem Konzept in sehr kleinen Gruppen, ein Konzept das ich uneingeschränkt befürworte. Allgemeiner Technikunterricht an Regelschulen ist sinnvoll, kommt aber nicht annähernd an diese Bedingungen heran und wird das realistischerweise auch nie. Entsprechend können die aufgeführten Ziele und Möglichkeiten bei weitem nicht so verfolgt und erreicht werden, wie es hier dargestellt wird. Eine erste Idee von ‘Handarbeit’, das ist möglich und wichtig, aber nicht mehr als Sportunterricht eine Idee von verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten vermittelt. Werk- oder Technikunterricht ist nicht Werkstattunterricht mit einem vollständigen pädagogischen Konzept zur Persönlichkeitsentwickling, das kann keine Regelschule leisten und man kann es auch nicht erwarten.

Ruhrgebiet
1 Monat zuvor

Ich hätte nicht gedacht, dass ich es einmal gut finde, dass wir vor laaaaaangeeeer Zeit die Laubsägen abgeschafft haben – ich habe selbst zunächst ein Handwerk erlernt – später dann u.a. Textilgestaltung studiert – sprich handwerkliches Arbeiten und Gestalten haben einen hohen Stellenwert für mich. Zu Beginn meiner Lehrerlaufbahn habe ich auch einiges an die Kinder weitergegeben. Doch mit Zunahme der recht kreativen Umdeutung so mancher Werkzeuge (Zange, Handbohrer, Nadeln u.ä.) habe ich davon großen Abstand genommen. Es wurde mir tatsächlich zu gefährlich.
Und, ehrlich, dem Einsatz des Zirkels in Klasse 4 schaue ich auch öfters (je nach Schülerschaft) mit gemischten Gefühlen entgegen.
Inzwischen habe ich mir auch schon einmal von Eltern unterschreiben lassen, dass ich ihr Kind explizit (also zusätzlich zur Unterweisung im Klassenverband, die ich inzwischen im Klassenbuch zu meiner Absicherung dokumentiere) über den korrekten Umgang mit der Schere aufgeklärt habe. Das Kind lief (!) mit aufrecht gehaltener Schere durch den Raum. Wäre es gestürzt, es wäre in die Schere gefallen.

Tja, immer wieder aufregend in der Grundschule, es wird nicht langweilig 😉
Die Sägen jedenfalls, setzte ich heutzutage keinesfalls mehr ein, obwohl unsere SuS ganz überwiegend wirklich sehr, sehr freundliche, “liebe” Kinder sind.

potschemutschka
1 Monat zuvor
Antwortet  Ruhrgebiet

Das verstehe ich sehr gut. In großen Klassen der heutigen Zeit würde ich so etwas auch nicht machen.
In unserer temporären Kleingruppe (ESE-Schüler der 3. und 4. Klasse) haben wir aber tatsächlich auch mit der Laubsäge gearbeitet. Allerdings waren wir in diesen Stunden immer zu zweit (Sonderpädagoge + Sozialpädagoge) und es waren nur 6 Schüler. Die Erfahrungen waren sehr positiv. Die Schüler waren stolz wie Bolle, wenn sie ihr persönliches Werk fertiggestellt hatten und mit nach Hause nehmen durften. Vorher zeigten sie es noch stolz den Mitschülern der Regelklasse. Interessant war auch die körperliche “Belastbarkeit” der Schüler. Mancher “starke Mann” klagte in der ersten Stunden mit der Säge schon nach wenigen Minuten über Schmerzen in Hand und Arm, die verstummten aber schnell, als sie den Mädchen zusahen, die ohne jammern arbeiteten. 🙂

potschemutschka
1 Monat zuvor

“Früher war der Werkunterricht in Regelschulen verbreitet, hatte eine deutlich größere Relevanz. Er galt als Vorbereitung auf die spätere berufliche Tätigkeit und war damals nur Jungen vorbehalten. Mädchen wurden in dieser Zeit in Nadelarbeit und Hauswirtschaft unterrichtet
Zu meiner Zeit hatten wir Werkunterricht, Nadelarbeit und Schulgartenunterricht an der GS sowohl für Jungen als auch für Mädchen. Der UTP-Unterricht (ab 8. Klasse?) war ebenfalls für alle Geschlechter gleich.
An den Hilfsschulen gab es auch Arbeitslehre (Holz-, Metallbearbeitung), Hauswirtschaft und Schulgartenunterricht in speziellen Fachräumen und mit dafür ausgebildeten Lehrern für alle.

Graeka
1 Monat zuvor

Werkunterricht in den 90ern an der Realschule in BaWü war ganz normal. Separiert nach Jungs und Mädchen wurde allerdings nicht. Halbes Jahr Nähen/Handarbeit im Wechsel mit Werken in Klasse 5 und 6 für alle.
Umgang mit Werkzeug und Werkstoffen wurde gelernt und die Scheu vor dem selber anpacken genommen.

Johannes Metzger
1 Monat zuvor

Werkstattunterricht in der Schule finde ich gut.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Johannes Metzger

Werk- und Werkstattunterricht sind aber grundsätzlich zwei Paar Stiefel.

Gummibärchen
1 Monat zuvor

Ist ja toll, welche Banalitäten festgestellt werden…..

mama51
9 Tage zuvor

Jaaaa – jaaaa! Nach 30 – 40 Jahren wiederholt sich alles!
Erst wird alles abgeschafft – dann ist Jahr10te später das Geheule groß, dass es weder Werkräume noch Fachpersonal (mehr) gibt…
In Hessen wurde, vor ca. 30 Jahren, in den GS das Fach “Ästhetische Erziehung” eingeführt:
Das bedeutete, dass die Fächer Musik( = ursprünglich (!) 2 Std/wöchtl.) + Kunst ( = dito) + Werken/Handarbeit ( = auch dito) = 6 Stunden insgesamt, in der Stundentafel zu DREI Stunden zusammengefasst wurden….Diese Fächer gab es theoretisch also gar nicht mehr (offiziell). Über viele Jahre gab es dann viele “kreative” Lösungen, die die einzelnen GS entwickelten, aber irgendwann gaben alle auf! Werken und Handarbeit – weg damit, dafür Musik und Kunst irgendwie im Wechsel, damit die DREI Stunden der “Ästhetischen” Erziehung stattfanden…Inzwischen ist alles, glaube ich wieder anders,…man weiß es nicht so genau!
Aber, Hauptsache, das Rad wird wieder einmaö neu erfunden.