Website-Icon News4teachers

Über 250.000 syrische Schüler in Deutschland: Was sie im Heimatland erwartet

Anzeige

BERLIN. Während in Deutschland mehr als 250.000 syrische Kinder und Jugendliche die Schule besuchten oder eine Ausbildung machen, rückt die politische Debatte über mögliche Rückführungen geflüchteter Syrerinnen und Syrer in den Mittelpunkt. Doch was würde Kinder und Jugendliche, die hier integriert sind, in ihrer alten Heimat erwarten? UNICEF zeichnet ein düsteres Bild – und warnt vor einem Rückfall in die humanitäre Katastrophe.

Zwei Mädchen in Syrien – nachdem sie im Müll nach Plastikabfällen gesucht haben, um ihrer Familie zu helfen. Foto vom September 2025. Foto: Shutterstock / Mohammad Bash

Rund 206.000 syrische Schülerinnen und Schüler besuchen eine allgemeinbildende Schule in Deutschland. Weitere 56.100 Jugendliche lernen an Berufsschulen (Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2023/2024) – sie machen Hausaufgaben auf Deutsch, absolvieren Praktika, sprechen von Zukunftsplänen in Medizin, Handwerk oder Pflege. Viele von ihnen sind hier aufgewachsen, einige geboren. Doch ihre Zukunft ist plötzlich wieder politisch geworden: Die Bundesregierung diskutiert darüber, ob Syrerinnen und Syrer nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad in ihre Heimat zurückkehren sollen.

Was sie in Syrien erwarten würde

Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt eindringlich vor vorschnellen Rückführungen. Geschäftsführer Christian Schneider reiste im Oktober in die zerstörten Städte Homs, Hama und Aleppo. Seine Bilanz: „Für Millionen Kinder in Syrien hat ein Ausnahmezustand den nächsten abgelöst. Der Krieg ist zu Ende, ein Ende der humanitären Krise aber weit entfernt.“ Ganze Stadtviertel lägen in Trümmern, viele Häuser seien unbewohnbar. In Regionen wie Latamneh stehe „kaum noch ein Haus“.

Anzeige

Für Kinder und Jugendliche sei der Alltag lebensgefährlich: Blindgänger, Minen und marode Gebäude fordern immer neue Opfer. Seit Dezember 2024 starben laut UNICEF mehr als 150 Kinder, Hunderte wurden verletzt. Mehr als sieben Millionen Kinder seien auf humanitäre Hilfe angewiesen, 2,5 Millionen gingen überhaupt nicht zur Schule. 40 Prozent der Schulen – rund 8.000 Gebäude – müssen neu aufgebaut oder repariert werden.

Hinzu kommen Hunger und psychische Belastungen: „Viele Kinder sind mangelernährt, ein Drittel berichtet über psychischen Stress“, so Schneider. „Die Kinder sind eine Generation der Hoffnung, aber diese Hoffnung ist sehr fragil.“

Rückkehr in ein Land ohne Zukunft für Kinder?

Trotz der zerstörten Infrastruktur sind laut UNICEF seit Dezember 2024 mehr als eine Million Geflüchtete aus Nachbarstaaten wie Jordanien, Libanon und der Türkei zurückgekehrt – zusätzlich zu rund zwei Millionen Binnenflüchtlingen. Doch anstatt Stabilität zu bringen, habe die Rückkehr die Lage verschärft: Es fehle an Wohnungen, Wasser, Strom, Jobs und medizinischer Versorgung. UNICEF befürchtet, dass bis Jahresende mehr als ein Drittel der Bevölkerung in extremer Armut lebt.

Vor diesem Hintergrund sorgt die neue Linie der Bundesregierung für Kritik. Kanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte kürzlich: „Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland.“ Er setze darauf, dass viele Syrer freiwillig zurückkehren, um ihr Land wiederaufzubauen – wer sich weigere, könne „selbstverständlich abgeschoben“ werden.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte an, zunächst straffällige Syrerinnen und Syrer zurückzuführen, später auch Personen ohne Aufenthaltsrecht. Eine Rückführungsvereinbarung mit der syrischen Übergangsregierung sei in Arbeit. Außenminister Johann Wadephul mahnte dagegen, die Lage im Land bleibe „hochgradig fragil“.

Syrer als Teil der deutschen Gesellschaft

In Deutschland leben laut Ausländerzentralregister derzeit rund 951.000 Syrerinnen und Syrer. Viele von ihnen sind längst integriert: Über 300.000 haben Arbeit – vor allem in Bereichen mit Fachkräftemangel wie Pflege, Logistik und Gesundheit. Mehr als 7.000 syrische Ärztinnen und Ärzte arbeiten laut Bundesärztekammer im deutschen Gesundheitswesen. Und: Jeder vierte deutsche Neubürger 2024 hatte syrische Wurzeln.

Die Integration der seit 2015 zugewanderten syrischen Flüchtlinge gilt unter Arbeitsmarktforschern als Erfolgsgeschichte. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben syrische Schutzsuchende sieben Jahre nach ihrer Ankunft eine Erwerbstätigenquote von 61 Prozent erreicht – ein international herausragender Wert.

Gleichzeitig erhielten im Sommer 2024 noch 518.000 syrische Staatsangehörige Bürgergeld, darunter viele Kinder. Experten betonen, dass Sprache und Ausbildung entscheidend für den Arbeitsmarkterfolg seien. Eine vorschnelle Rückkehrpolitik gefährde diese Fortschritte – und treffe am Ende besonders die jungen Menschen, die hier eine Zukunft gefunden haben.

„In meinen Gesprächen haben mir Kinder erzählt, dass sie Ärztin werden wollen, Architekt, Lehrerin, Polizist“, sagt UNICEF-Chef Schneider. „Die Kinder sind eine Generation der Hoffnung – aber diese Hoffnung ist sehr fragil.“ News4teachers / mit Material der dpa

Bildungsmonitor: Auf Migration nicht eingestellt – Deutschlands Schulen rutschen weiter ab

Anzeige
Die mobile Version verlassen