LUDWIGSHAFEN. Seit dem Brandbrief des Kollegiums ist klar, dass an der Karolina-Burger-Realschule Plus in Ludwigshafen einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Darin beschrieben die Lehrkräfte einen Schulalltag voller Gewalt, Angst und Überforderung – ein Hilferuf, der bundesweit Aufmerksamkeit erregte. Ein aktuelles Interview des SWR mit einer anonymen Lehrkraft der Schule verstärkt den Eindruck, dass von einem geordneten Schulbetrieb nicht mehr die Rede sein kann.

„Die Kräfte schwinden eklatant.“ Es ist ein Satz, aus dem tiefe Erschöpfung spricht. Gesprochen hat ihn eine Lehrkraft der Karolina-Burger-Realschule Plus in Ludwigshafen, die nicht möchte, dass ihr Name veröffentlicht wird – aus Angst vor dienstlichen Konsequenzen. Doch die Situation, sagt sie in einem Gespräch mit dem SWR, sei inzwischen so unerträglich geworden, dass Schweigen keine Option mehr sei. Ihre Schilderungen sind drastisch, sie zeichnen das Bild eines Schulalltags, der jede pädagogische Normalität hinter sich gelassen hat – und sie bestätigen eindrücklich das, worüber News4teachers bereits berichtete: Die Schule befindet sich im Ausnahmezustand.
Die Lehrkraft beschreibt eine Realität, die mit Unterricht im eigentlichen Sinne kaum noch etwas zu tun hat. Viele Schülerinnen und Schüler kämen „ohne Bücher, ohne Hefte, ohne Stifte“ in die Schule, häufig ohne grundlegende Kompetenzen. Die einfachsten Regeln des Zusammenlebens seien ihnen fremd, ebenso die grundlegenden Kulturtechniken. „Die Kinder können oft weder lesen noch schreiben“, sagt sie. Manche könnten nicht einmal die Grundrechenarten, sollen aber dennoch anspruchsvolle Aufgaben lösen. Die Lehrkraft spricht von einem System, das überfordert ist – und von Kolleg*innen, die tagtäglich versuchen, Situationen zu entschärfen, anstatt Bildungsziele zu erreichen.
„Wir versuchen, die Kinder und uns zu schützen, aber es geht unter diesen Bedingungen nicht“
„Wir sind im Prinzip eine Förderschule mit einer Klassengröße von 30 Schülern und einer Lehrkraft“, fasst sie zusammen. Ein geregelter Unterricht sei unmöglich. Man plane den Tag so, dass alle „unverletzt rauskommen und irgendwie beschäftigt sind“.
Besonders belastend ist die allgegenwärtige Gewalt. Laut SWR-Bericht sagt die Lehrkraft: „Gewalt ist Alltag.“ Lehrkräfte müssten Schlägereien in den Gängen bewusst übersehen, um schnell ins eigene Klassenzimmer zu gelangen und dort das Schlimmste zu verhindern. Kinder würden unter Druck gesetzt, keine Zeugenaussagen zu machen. Wenn auf dem Hof Böller flögen, bildeten Schülergruppen eine Mauer um die Lehrkraft, die Aufsicht habe. „Bis man da ist, sind die Täter unsichtbar.“
Die Lehrkraft spricht offen aus, was eigentlich niemand an einer Schule sagen möchte: „Wir sind nicht mehr in der Lage, diese Dinge zu kontrollieren. Wir versuchen, die Kinder und uns zu schützen, aber es geht unter diesen Bedingungen nicht.“
Seit Monaten versuche das Kollegium, Hilfe zu bekommen. Dutzende Brandbriefe seien an die Aufsichtsbehörde ADD in Trier gegangen, ohne spürbare Wirkung. Der Messerangriff auf eine Lehrerin im Mai – eine 16-Jährige war mit einer Klinge ins Lehrerzimmer eingedrungen – sei ein Kipppunkt gewesen. Seitdem gehe es vielen Kolleginnen und Kollegen deutlich schlechter, nicht wenige seien krank oder überlastet.
Eine Amokdrohung Ende Oktober (die sich am Ende als substanzlos erwies) habe das Gefühl, im Stich gelassen zu sein, noch verstärkt. Ausschlüsse von Schülerinnen und Schülern fänden kaum statt, weil der bürokratische Aufwand so groß sei, dass er nur für extreme Fälle betrieben werde. Eine Veränderung sei nicht in Sicht, sagt die Lehrkraft. Die Forderungen des Kollegiums – mehr Sicherheit, Kameras, kleinere Klassen, Unterstützung durch Jugendamt und Schulpsychologie – seien seit Langem bekannt. Doch es fehle der politische Wille. „Es geht hier um Geld – und das stellen weder Kommune noch Land ausreichend zur Verfügung“, sagt die Lehrerin. Die Folgen seien absehbar: „Die Folgen werden katastrophal sein – und unbezahlbar.“
„Wir können so nicht mehr unterrichten“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bestätigt die dramatischen Zustände. Auf Anfrage des SWR erklärte die GEW-Landesgeschäftsstelle, dass „dort aktuell kein gutes Lernen stattfinden“ könne, weil der Schulalltag von Gewalt und Angst geprägt sei. Die GEW-Landesvorsitzende Christiane Herz berichtet, sie habe mit jungen Lehrkräften gesprochen, die überfordert seien und teils krankheitsbedingt ausfielen. Man fühle sich im Stich gelassen und wünsche sich, dass endlich offen über die Probleme gesprochen werde. Herz beschreibt ein Kollegium, das sich nach Entlastung sehnt – und nach einem politischen Signal, dass die Missstände ernst genommen werden.
Die Schilderungen der Lehrkraft fügen sich ein in das Bild, das bereits der Brandbrief des Kollegiums an die Schulaufsicht gezeichnet hat. Nach dem Messerangriff und wiederholten Amokalarmen hatten sich die Lehrkräfte in einem längeren Schreiben an die Behörden gewandt. Darin berichten sie von einem Schulalltag, in dem Gewalt, Drohungen und massive Störungen zum Normalfall geworden sind.
Lehrkräfte werden den Schilderungen zufolge mit Büchern beworfen, es gibt sexualisierte Beschimpfungen, körperliche Übergriffe und Fake-Accounts von Lehrerinnen und Lehrern in sozialen Medien, über die sie gezielt beleidigt und diffamiert werden. Schüler zerstören Mobiliar, schlagen Löcher in Wände und zünden Böller in Klassenräumen. Die hygienischen Zustände sind ebenso erschütternd: überflutete Toiletten, beschmierte Wände, Urinlachen in Gängen. Schüler sollen sogar im Kellergeschoss unter Treppen ihr Geschäft verrichtet haben. Manche Lehrkräfte würden ganze Gebäudeteile meiden, weil die Luft dort „unerträglich“ sei. Laut Schulaufsicht gab es nach Auskunft der Polizei im vergangenen Jahr zwölf Einsätze an der Schule.
Die Lehrkräfte sprechen in ihrem Schreiben offen von Überforderung: „Wir können so nicht mehr unterrichten.“ News4teachers









Das klingt furchtbar für Lehrer und Schüler. Ich kann mir auch vorstellen, dass gewöhnliche Eltern alles tun, ihre Kinder nicht an diese Schule zu schicken.