Für höherere Unterrichtsverpflichtung – weniger Prüfungen und Elterngespräche

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POTSDAM. Eine Stunde mehr Unterricht pro Woche, aber weniger Prüfungen und Elterngespräche: Wie das neue Maßnahmenpaket des Landes Brandenburg Lehrkräfte entlasten soll.

Im Lot? Illustration: Shutterstock

Bildungsminister Steffen Freiberg will Lehrkräfte an Schulen entlasten und hat dafür ein neues Maßnahmenpaket vorgestellt. «Lehrerinnen und Lehrer in Brandenburg werden weiter von administrativen Aufgaben entlastet, um sich auf guten Unterricht fokussieren zu können», sagte der SPD-Politiker. Bereits im Sommer 2024 hatte das Ministerium ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht, nun folgt die aktualisierte Fassung.

Weniger Prüfungen, Gespräche und Gutachten

Die zentralen Prüfungen in der Jahrgangsstufe 10 an Gymnasien sollen abgeschafft werden – ebenso die verpflichtenden Facharbeiten in der Klasse 9. Orientierungsarbeiten in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik sollen wie Klassenarbeiten gewertet werden und damit nicht mehr zusätzlich anfallen.

Grundschulgutachten sollen nicht mehr nötig sein, für die Eignung werde das Halbjahreszeugnis der 6. Jahrgangsstufe sowie die Einschätzung des Arbeits- und Sozialverhaltens gewertet. Dadurch würde auch das Übergangsverfahren in die 7. Klasse vereinfacht. Zudem soll die Zahl verpflichtender Elterngespräche reduziert werden und es soll weniger Bewertungen von Arbeits- und Sozialverhalten an Grundschulen und weiterführenden Schulen geben.

Die neuen Maßnahmen sollen ab dem im Februar startenden zweiten Schulhalbjahr 2025/26 sowie ab 2026/27 gelten. Perspektivisch arbeite das Ministerium auch daran, die Abiturprüfungen weiter zu zentralisieren und digitale Schülerakten einzuführen.

Schulverweis schneller möglich

Und: Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sollen schneller und einfacher umgesetzt werden. Dazu gehören etwa Tadel, Klassenwechsel oder Schulverweis. Bisher sei dies in Absprache mit allen zuständigen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern- und Schülervertretungen sowie der Schulleitung möglich – also den Klassenkonferenzen, erklärte Freiberg.

Geplant sei, dass dafür künftig nur die Klassenleitung sowie die Schulleitung zustimmen müssten. Für diese Änderung müsse das Brandenburgische Schulgesetz vom Landtag geändert werden, das Verfahren sei bereits eingeleitet, hieß es vom Ministerium.

Der Brandenburgische Pädagogen-Verband (BPV) kritisierte das aktualisierte Paket als «unzureichend». Damit könne die bevorstehende Pflichtstundenerhöhung nicht ausgeglichen werden, sagte BPV-Präsident Hartmut Stäker.

Mehr Unterrichtsstunden pro Lehrkraft

«Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung ab Februar 2026 hat vielfach für Verunsicherung und auch Kritik gesorgt», sagte Freiberg. In Brandenburg sank die Zahl der Lehrerstellen im Haushalt für dieses Jahr um 345 Vollzeitstellen, auch wenn der Bildungsetat im Landeshaushalt insgesamt größer geworden ist. Die Lehrerinnen und Lehrer sollen ab dem zweiten Halbjahr eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Beides hatte für Proteste gesorgt. News4teachers / mit Material der dpa

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4 Kommentare
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Mika
3 Stunden zuvor

„ Orientierungsarbeiten in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik sollen wie Klassenarbeiten gewertet werden und damit nicht mehr zusätzlich anfallen.“

Vielleicht weiß es der Herr Minister ja nicht besser, aber die Orientierungsarbeiten ersetzen bereits eine der verbindlichen Klassenarbeiten im jeweiligen Fach. Welche Entlastung gibts da jetzt?

Muss ich die Stunde trotzdem unterrichten, wenn ich keine 10te in De, Ma, En unterrichte, obwohl bei mir dann keine Entlastung durch die wegfallende MSA- Prüfung entsteht?

An meiner Schule ist man immer Klassenlehrer oder Tutor, weil wir einfach so wenig Kollegen sind. Müssen wir trotzdem die Stunde mehr unterrichten, obwohl wir keine Entlastung durch weniger Klassenkonferenzen oder Elterngespräche haben?

Glaubt Herr Freiberg ernsthaft, dass das Nichterteilen von ASV- Noten 35 Unterrichtsstunden nebst Vor- und Nachbereitung sowie die dazugehörigen Tätigkeiten zeitlich aufwiegt?

Ehrlich jetzt? Ich finds nur noch peinlich. Sich mit Händen und Füßen gegen die AZE wehren, aber herumtönen, dass die genannten „Entlastungen“ ungefähr 70 Zeitstunden aufwiegen würden. Und so jemand ist Bildungsminister….

Penkiki
2 Stunden zuvor

Ich unterstütze unseren überaus kompetenten Bildungsminister gern in diesem Vorhaben und suche mir selbst weitere Entlastungen. Mitten im Schuljahr neue Klassen übernehmen und/oder Stunden aufstocken, um längere Ausfälle von Kollegen aufzufangen? Exkursionen oder gar Klassenfahrten? Arbeitsaufträge zur Bearbeitung während meiner Krankheit oder der meiner Kinder? Fachkonferenzleitung, Mitarbeit in den Schulgremien, Brandschutzbeauftragter, Erstellen des neuesten Konzeptes für Wasauchimmer … ? Tschuldigung, würd ich wirklich schrecklich gern machen, muss mich aber leider maximal entlasten, geht nicht.

Fözi
1 Stunde zuvor

Jämmerlich!
Habe gerade eine sechste Klasse und ziehe das nicht vereinfachte Ü7-Verfahren in diesem Schuljahr noch einmal durch. Zum Dank darf ich dann nach Abschluss desselben die Stunde mehr arbeiten. Wegfallende MSA-Prüfungen und Facharbeiten tangieren mich in der Grundschule überhaupt nicht. Das Entlastungspaket aus dem letzten Jahr beinhaltete nochmal was? Ist jedenfalls nix davon bei mir angekommen. Die Arbeitsbelastung steigt und steigt. Verpflichtetende Elterngespräche fallen weg? Ich lach mich schlapp- die immer schwächer werdenden Voraussetzungen und Fähigkeiten der SuS, steigende Zahlen von Verhaltens- und Lernauffälligkeiten machen es um ein Vielfaches nötig, Elterngespräche anzuberaumen. Ich kann mich ja nicht hinstellen und sagen: ist ja jetzt nicht mehr verpflichtend, kann ich so laufen lassen.
Wem möchte Herr Minister Freiberg die Augen verkleistern? Ich habe jede Illusion um Erleichterungen verloren.

Tozitna
27 Minuten zuvor

Wir erleben in Brandenburg gerade den größten Bildungsrückschritt der letzten 30 Jahre. Nun ist das nur bedingt der Bildungsminister, der dafür die Verantwortung trägt. Ausgangspunkt ist das Diktum des Finanzministers Crumbach, auf dessen Druck hin die Lehrkräfte mehr arbeiten müssen (= Sparmaßnahme). Nicht mehr und nicht weniger. Vor dem Bildungsminister stand nur noch die Aufgabe, diese Einsparung irgendwie rechtssicher aussehen zu lassen. Alle sogenannten Entlastungspakete (was für ein Euphemismus) sind Potemkinsche Dörfer, die aus Sorge vor einer möglichen Klage in die Welt gesetzt werden. Beispiele?
(1) Lehrkräfte mit Fächern, die nicht als sogenannte “Hauptfächer” tituliert werden, gehen leer aus, denn

  • Klassenarbeiten/Vergleichsarbeiten/Orientierungsarbeiten/P10-Prüfungen wurden ohnehin nur in Deutsch, Mathe und Englisch geschrieben.
  • Entlastungen für Grundschullehrer helfen den Oberschullehrkräften nicht weiter und der Wegfall der P10-Prüfungen interessiert die Grundschullehrkräfte aus guten Gründen nicht.
  • Arbeitsvoraussetzungen wie digitale Endgeräte (auf denen übrigens aus Datenschutzgründen – die Geräte gehören zum Aufsichtsbereich der MBJS-Datenschutzbeauftragten – keine Programme außer ein Webbrowser und die Apple-Apps sind; gerade Apple-Apps!!!) und Mailprogramm oder ein datenschutzkonformer Chatbot sind keine Entlastung, sondern sind entweder Arbeitsvoraussetzung, die der Arbeitgeber zu stellen hat (Mail, Endgeräte) oder erfordern einen deutlichen Arbeitszeitinput, um sie zu nutzen (Telli als Chatbot).

(2) Nahezu alle “Entlastungen” gehen zu Lasten von pädagogischer Qualität.

  • Grundschulgutachten fallen weg: Bei raren Schulplätzen und Übernachfrage entscheiden künftig nur noch die Noten aus dem ersten Halbjahr (!) der 6. Klasse. Kein Freitext, keine schulische Entwicklung, keine fachübergreifenden Kompetenzen. Ob ein Kind den Vorlesewettbewerb gewonnen hat, ob es Klassen- oder Schulsprecher war, ob es im Vorspielwettbewerb der Musikschulen des Landkreises gewonnen hat, ist unerheblich. Ob es sich in der 5. Klasse enorm gesteigert hat – unerheblich. Ob es aus gesundheitlichen/sprachlichen Gründen Lernschwierigkeiten hatte und deshalb sein Potential noch nicht ausschöpfen konnte – wen interessiert es…
  • Vergleichsarbeiten 8 sollen bewertet werden können und eine Klassenarbeit ersetzten: War da mal ein Argument aus dem Ministerium, dass man Vergleichsarbeiten auf keinen Fall benoten solle, um zu verhindern, dass “teaching for the test” die Ergebnisse verzerrt?
  • Reduktion der Elterngespräche: Auch wenn es hier im Forum nicht jeder hören mag – Elterngespräche halte ich u.a. für den Kern pädagogischer Tätigkeit, denn die Eltern sind grunsätzlich erst mal Partner für uns und – in ihrem Bereich – Experten für ihre Kinder. Hier zu reduzieren nimmt die Möglichkeit einer pädagogischen Intervention.
  • Verweise, Klassenwechsel und Schulwechsel im Sinne von Ordnungsmaßnahmen werden jetzt durch den Schulleiter erteilt? So ist es übrigens im Gesetzestext vorgesehen, die Klassenlehrkräfte sollen nur den einfachen Verweis aussprechen können, der dann aber als Erziehungsmaßnahme zählt. Das bedeutet zunächst einmal eine unglaubliche Arbeitsverdichtung bei Schulleitungen, ohne dass die Klassenlehrkräfte sich da raushalten können. Denn woher sollen Schulleitende wissen, wie in dem betreffenden Fall und den ganz konkreten Umständen rechtssicher zu verfahren ist? Sie ahnen es schon: Sie holen sich den Rat und die Expertise von den Klassen- und Fachlehrkräften. Nur wird das jetzt nicht mehr Klassenkonferenz genannt. Ungeachtet dessen müssen sich letztlich doch alle treffen, um den Fall zu besprechen.

Was passiert gerade in der Praxis? Der Minister ist ja der Meinung, dass die 26. Stunde zum Halbjahr eingeführt werden muss. Wir produzieren also an einer Schule mit 50 Vollzeitkräften 50 Einzelstunden Überhang. Der kann ja aber nicht einzeln mit Unterricht versorgt werden, und es funktioniert auch nicht, dass 4 Mathelehrer eine Klasse unterrichten – jeder mit einer Stunde. Also schiebt man die Stunden zusammen und schickt die Lehrkraft ins Karrussel, die entweder unbeliebt ist oder wo der Fachbedarf noch am geringsten ist. Das wird nicht die Lehrkraft sein, die an der Schule B, 60km entfernt, gebraucht wird. Es bedarf also zwei/drei/vier Zwischenversetzungen, um dann in der Entfernung eine Stelle zu besetzen. In der Zwischenzeit versuchen die armen Planer an den Schulen irgendwie einen Stundenplan zu basteln, da bisher ja nicht klar ist, wer eigentlich gehen muss und ob er/sie sich das bieten lässt und sich entweder krank meldet oder einen Anwalt nimmt.

Und so kann jede einzelne Maßnahme durchdekliniert werden, am Ende bleibt nur noch heiße Luft.
Da man gleichzeitig die Leistungsanforderungen senkt (pro Schuljahr nur noch 1-2 Klassenarbeiten, je nach Beschlusslage), werden wir in Brandenburg vielleicht sogar eine Leistungssteigerung erleben. Wie in den letzten Jahren zu beobachten war: Leistung zu schlecht – wird halt der Bewertungsmaßstab verändert.

Kleine Petitesse am Rande: Lehrkräfte an Schulen mit einem schlechten Sozialindex (also mit schwieriger Klientel) müssen auch 26h unterrichten lt. noch zu verabschiedender Arbeitszeitverordnung, bekommen die 26. Stunden jedoch in Form einer Abminderung zurück. Es wird gemunkelt, dass man so schon mal vorsorgt für den Fall, dass Gerichte diese Schimäre kippen und man dann super schnell zumindest an diesen Schulen zurück wechseln kann in das alte System. Aber ich wollte mich nicht in Gerüchten verlieren, sondern meinen Unmut über dieses bildungspolitische Desaster äußern.