NEUSTADT/ORLA. In Thüringen erschüttert erneut ein Fall mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs durch einen Lehrer die Schulgemeinschaft – diesmal im Saale-Orla-Kreis. Nur eine Woche nach einem aufsehenerregenden Urteil gegen einen Erfurter Gymnasiallehrer ist ein Lehrer des Orlatal-Gymnasiums in Neustadt an der Orla während des laufenden Unterrichts festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts des mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und wegen Nötigung.

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera, Thomas Riebel, bestätigte, wurde der Mann von der Schulleitung in einen separaten Raum der Schule gebeten und dort verhaftet. Anschließend sei er „relativ diskret“ vom Schulgelände geführt worden. Gegen den Lehrer wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl erlassen; er befindet sich inzwischen in Untersuchungshaft.
Als Haftgründe wurden Fluchtgefahr und Wiederholungsgefahr genannt. Ob sich die Vorwürfe konkret auf Schülerinnen oder Schüler beziehen, ließ die Staatsanwaltschaft offen. „Die Ermittlungen stehen ganz am Anfang“, so Riebel. Weitere Details nannte die Behörde bislang nicht.
Der Fall sorgt in Thüringen für große Betroffenheit – nicht zuletzt, weil erst vor wenigen Tagen ein ähnlich gelagerter Fall aus Erfurt für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Gericht verurteilte Erfurter Lehrer wegen jahrelangen Missbrauchs – Richter spricht von „erschütternder Verantwortungslosigkeit“
Am Donnerstag vergangener Woche war am Landgericht Erfurt ein 63-jähriger Lehrer wegen des sexuellen Missbrauchs einer Schülerin in mehr als 80 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt worden (News4teachers berichtete). Der Mann hatte zwischen 2016 und 2020 eine damals 13-jährige Schülerin über Jahre hinweg missbraucht – in der Schule, auf Klassenfahrten und in seiner Wohnung.
Der Vorsitzende Richter Holger Pröbstel fand bei der Urteilsverkündung deutliche Worte: Der Angeklagte habe das Vertrauen eines labilen Mädchens ausgenutzt, das eine „Schulter zum Anlehnen“ gesucht habe. Damit habe er sich „als Lehrer als charakterlich ungeeignet erwiesen“. Pröbstel betonte: „Ihnen werden Kinder und Jugendliche anvertraut, um vernünftige junge Leute aus denen zu formen, die später im Leben bestehen können. Stattdessen haben Sie ein Leben zerstört.“
Kritik an der Schule: „Ein verdammt falsches Bild“
Besonders erschütternd im Erfurter Fall: Das Opfer hatte sich, nachdem die Übergriffe durch ihren Lehrer begonnen hatten, einem sogenannten Vertrauenslehrer anvertraut – einer Person also, die laut Schulgesetz eigentlich speziell dafür benannt ist, dass sich Schülerinnen und Schüler bei Problemen oder Grenzverletzungen an sie wenden können. Doch gerade dieser Lehrer, der der Jugendlichen hätte helfen sollen, steht nun selbst im Verdacht des sexuellen Missbrauchs.
Wie im Vorfeld des Prozesses bekannt wurde, soll der Vertrauenslehrer dem Mädchen pornografische Bilder abgepresst haben. Gegen ihn läuft ein separates Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung. Der Vorsitzende Richter Holger Pröbstel sagte dazu im Gerichtssaal: „Die Schule gibt ein verdammt falsches Bild ab.“
Auch der Schulleiter des Gymnasiums wurde in der Urteilsbegründung scharf kritisiert. Das Opfer hatte sich, nachdem sie vom Vertrauenslehrer keine Hilfe bekam, auch an ihn gewandt – und sei dort „abgeblitzt“, wie der Richter sagte. „Mit dem Schulleiter hätte ich gerne Tacheles geredet“, so Pröbstel weiter. „Wie kann man der Sache dann nicht mal nachgehen? Ich stehe ziemlich fassungslos davor.“
Die Staatsanwältin Dorothee Ohlendorf sprach in ihrem Plädoyer von einem „Klima des Wegschauens und Negierens“, das an Schulen herrschen könne. Für Betroffene sei es äußerst schwer, sich in einem solchen Umfeld zu offenbaren. „Alle, die von Übergriffen und Belästigungen erfahren, sollten das zur Anzeige bringen“, appellierte sie. News4teachers / mit Material der dpa








