Die Oberstufe an Niedersachsens Gymnasien soll reformiert werden – das plant die rot-grüne Landesregierung. Die Schülerinnen und Schüler sollen künftig schon bei der Fächerwahl für Stufe 11 eigene Schwerpunkte setzen können und die Schulen gleichzeitig mehr Freiräume bekommen, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) im Landtag.
Die CDU warnte indes, allen Fremdsprachen außer Englisch drohe mit der Reform das Aus, auch das Fach Politik und Wirtschaft könne hinten runterfallen und mit weniger Klausuren drohe das Abiturniveau zu sinken. Ein Überblick zum Stand der Diskussion.
Was soll sich in der Oberstufe ändern?
Die Stundentafeln der Schülerinnen und Schüler sollen individueller werden. Für die Einführung in Stufe 11 werden die Fächer dazu in drei Bereiche aufgeteilt:
- In den Pflichtbereich mit 14 Wochenstunden fallen die Fächer Deutsch, Mathematik, eine fortgeführte Fremdsprache, Sport sowie Religion beziehungsweise Werte und Normen oder Philosophie. Hinzu kommt für alle eine Wochenstunde Berufliche Orientierung und Beratung.
- Im Wahlpflichtbereich I mit 10 Wochenstunden können die Schülerinnen und Schüler wählen: ein Fach aus Musik, Kunst und Darstellendem Spiel, zwei Fächer aus Geschichte, Erdkunde sowie Politik und Wirtschaft und zwei Fächer aus Biologie, Chemie, Physik und Informatik.
- Im Wahlpflichtbereich II mit 6 Wochenstunden gibt es weitere Optionen: Möglich sind etwa eine weitere fortgeführte oder neue Fremdsprache oder bis zu drei weitere Fächer aus dem Wahlpflichtbereich I.
Die Wahlmöglichkeiten sollen dazu führen, dass die angehenden Abiturientinnen und Abiturienten sich frühzeitig auf die Wahl ihrer individuellen Prüfungsfächer in den Stufen 12 und 13 vorbereiten können.
Wird es bald Podcasts statt Klausuren geben?
In jedem Fach außer Sport schreiben die Schülerinnen und Schüler in Stufe 11 zwei Klausuren, heißt es im Eckpunktepapier des Kultusministeriums. Das soll eine Grundlage schaffen für das auch im Abi wichtige Prüfungsformat. Daneben soll es allerdings für alle Schülerinnen und Schüler auch zwei sogenannte kombinierte Leistungsnachweise geben, die jeweils eine Klausur ersetzen. Das könne etwa ein Vortrag mit der Beantwortung von Rückfragen sein – oder eben auch ein Podcast, wie Ministerin Hamburg im Landtag sagte.
Wie geht es bis zum Abitur weiter?
Auch die Qualifikationsphase in den Stufen 12 und 13 soll so überarbeitet werden, dass die Schülerinnen und Schüler mehr Wahlfreiheit erhalten – und auch in diesen Jahrgängen soll es die kombinierten Leistungsnachweise als neues Prüfungsformat geben.
Im Abitur sind weiterhin fünf Prüfungsfächer geplant: In drei Leistungskursen werden zentrale Abiturklausuren geschrieben, in zwei Grundkursen soll es mündliche Abiprüfungen geben. Eine Absenkung auf vier Prüfungsfächer lehnt das Ministerium ab, da sonst die Kombination von etwa zwei Naturwissenschaften oder zwei Gesellschaftswissenschaften unmöglich werde.
Werden die Ansprüche gesenkt?
«Die Anforderungen in unserem Abitur sind hoch, und das werden sie auch zukünftig sein», betonte die Ministerin. Es gehe nicht darum, die Standards abzusenken. «Ganz im Gegenteil, die Reform wird die Qualität des Abiturs in Niedersachsen erhöhen.» Alle Pläne für die Oberstufenreform entsprächen den Vorgaben der Kultusministerkonferenz – das garantiere Vergleichbarkeit mit den anderen Bundesländern.
Die CDU kritisierte dagegen unter anderem die mögliche Reduktion auf eine einzige Fremdsprache. Diese schwäche die sprachliche und interkulturelle Bildung an den niedersächsischen Gymnasien, sagte die CDU-Abgeordnete Sophie Ramdor. Zudem könne ein eingeschränktes Sprachenangebot dazu führen, dass den Schülerinnen und Schülern die für viele Studiengänge erforderlichen Sprachzertifikate fehlen werden. Auch die mögliche Abwahl des Fachs Politik und Wirtschaft sieht die Opposition mit Sorge.
Was sagen die Schüler zu den Plänen?
Der Landesschülerrat unterstützt die geplante Wahlfreiheit und erhofft sich eine spürbare Entlastung dadurch, dass weniger Klausuren geschrieben werden. Im Zentrum der Reform stehe kein Wettbewerb zwischen Fächern, sondern die Freiheit der Schülerinnen und Schüler, ihren eigenen Bildungsweg zu gestalten, sagte der Vorsitzende Matteo Feind: «Die neue Oberstufe schafft Raum für individuelle Schwerpunktsetzungen – und genau das ist der entscheidende Fortschritt.»
Ab wann soll die Reform gelten?
Ministerin Hamburg betonte, dass die finalen Regelungen noch ausgearbeitet werden. «Wir sind am Anfang eines Prozesses, den wir bewusst sehr breit diskutieren», sagte die Grünen-Politikerin. Gelten soll das neue System spätestens für die Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahr 2027/28 in die elfte Klasse kommen. News4teachers / mit Material der dpa
