Länder sollen Bundesgeld vorrangig in Kita-Personal stecken – Ramelow: Skandal

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BERLIN. Auch in den kommenden Jahren wird es für Kitas in Deutschland Milliarden vom Bund geben. Anders als bisher sollen die Länder das Geld aber künftig nicht mehr für niedrige Gebühren verwenden dürfen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte die  Pläne der Bundesregierung scharf. «Für mich ist das ein Skandal», sagte Ramelow in Erfurt. Auf Facebook schrieb er: «Diese Bundesregierung hat „kein Herz für Kinder“». 

Kritisiert “eine Kehrtwende”: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Foto: Thüringer Staatskanzlei (TSK) / Delf Zeh

Die Länder sollen die Milliarden des Bundes zur Kita-Förderung künftig nicht mehr nutzen dürfen, um Eltern bei den Gebühren zu entlasten. Stattdessen soll das Geld ab 2025 hauptsächlich in die Sicherung und Gewinnung von Fachkräften fließen, wie aus einem Papier zur geplanten Neuauflage des Kita-Qualitätsgesetzes hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Bislang konnten die Bundesländer die Mittel in Höhe von zwei Milliarden Euro jährlich bis zu einem Prozentsatz von maximal 49 Prozent zur Senkung oder Abschaffung von Kita-Gebühren verwenden. Mit dem neuen Gesetz, das in den kommenden Wochen das Kabinett passieren soll, soll diese Möglichkeit künftig entfallen. Bislang machen nach Angaben des Familienministeriums nur sechs Bundesländer überhaupt von der Möglichkeit Gebrauch, einen Teil der entsprechenden Bundesmittel für niedrige Kita-Beiträge auszugeben. 2024 seien 327 Millionen Euro, also rund 15 Prozent der jährlichen Mittel, für diesen Zweck eingeplant. Die Tendenz sei sinkend, heißt es. Außerdem verweist das Ministerium darauf, dass das Land Berlin, in dem die Kindertagesbetreuung bis auf einen Grundbetrag und mögliche Zuzahlungen kostenfrei ist, beispielsweise nur die Landesmittel dafür nutze.

Ministerium rechnet nicht mit höheren Kita-Gebühren

Deshalb rechnet das Ministerium nach eigenen Angaben auch nicht damit, dass die Neuerung zu höheren Kita-Gebühren führt. Die Länder hätten weiterhin die Möglichkeit, die Entlastung von Eltern bei den Gebühren über ihre Landesmittel zu finanzieren, heißt es. Außerdem solle es eine Übergangsfrist von einem halben Jahr geben, in dem die Verwendung der Mittel für die Steuerung von Kita-Gebühren wie bisher erlaubt bleibe. In Kraft treten soll das neue Kita-Qualitätsgesetz zum 1. Januar 2025. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung dazu habe aber gerade erst begonnen.

In diesem und im vergangenen Jahr hat der Bund die Qualität an Kitas mit Mitteln in Höhe von vier Milliarden Euro gefördert. Weitere vier Milliarden Euro soll es in den kommenden zwei Jahren, also 2025 und 2026, geben.

Zehntausende Kita-Fachkräfte fehlen

Mit der Gesetzesänderung sollen die Länder verpflichtet werden, das Geld künftig mindestens in eine Maßnahme zur Gewinnung und Sicherung von qualifiziertem Personal zu investieren, heißt es in dem Papier. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) betonte, dass bei der Förderung von Kitas in Zukunft vor allem die Qualität der Einrichtungen im Vordergrund stehen werde – daher die Fokussierung auf Fachkräfte. Investitionen in die frühe Bildung seien «zentral für den Bildungserfolg und Chancengerechtigkeit unserer Kinder», sagte Paus der dpa. Bundesweit verfolge die Regierung hier das Ziel, «gleichwertige Standards in allen Kitas» zu erreichen.

Eine Zielgröße für das angestrebte Personal nennt die Ministerin allerdings nicht. Paus hatte aber unlängst gesagt, dass bis 2030 mit 50.000 bis 90.000 fehlenden Fachkräften in Deutschlands Kitas zu rechnen sei. Laut dem kürzlich veröffentlichten Kita-Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands könnten es im gesamten Bereich der Kinderbetreuung sogar 125.000 fehlende Fachkräfte sein. Wie diese Lücke personell geschlossen werden kann, ist nicht klar.

Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Elke Hannack, äußerte sich positiv zu dem Vorhaben. Das Gesetz ermögliche es, «das Geld dort einzusetzen, wo es dringend gebraucht wird: um Fachkräfte zu gewinnen sowie bessere Betreuungsschlüssel und bedarfsgerechte Angebote zu realisieren», sagte sie laut Mitteilung. Dennoch müssten Eltern mit geringem Einkommen weiter eine Beitragsentlastung bekommen. Hier seien die Länder in der Verantwortung.

Thüringens Ministerpräsident Ramelow bekräftigte auf Facebook seine Forderung nach kostenloser Bildung und Betreuung von Kindern. Er warf der Bundesregierung vor, eine Kindergrundsicherung zu verweigern, die Kita-Gebühren auch enthalten könnte. Nun wolle sie zudem den Ländern das Recht nehmen, selbst zu entscheiden, wie sie kostenlose Bildung durchsetzen wollen. Ramelow sagte, er habe Vertrauen in die Ampel-Regierung gehabt, dass «endlich ein anderes Bild von der Bundesregierung für Kinder in der Gesellschaft geprägt wird – nämlich, dass uns jedes Kind gleich viel Wert sein muss». Die neuen Ampel-Pläne seien nun eine Kehrtwende. News4teachers / mit Material der dpa

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4 Kommentare
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RainerZufall
1 Jahr zuvor

Ich teile Ramelows Kritik an der Situation. Frühkindliche und schulische Bildung in Verantwortung des Bundes übertragen!

Dann dürfen die Länder sogar etwas einfordern, anstatt ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden.
Ohne Bund scheint es ja eh nicht zu gehen 😉

Anika von Bose
1 Jahr zuvor
Antwortet  RainerZufall

Das ist so. Die Dezentralisierung der Verantwortung für die Bildung muss dringend reformiert werden. Wir haben es ja in Deutschland so „weit getrieben“, dass wir die sächliche Ausstattung und die Personalversorgung in unterschiedliche Verantwortungsbereiche geteilt haben. Mit dem Resultat, dass finanziell gut ausgestattete Kommunen ihre Schulen exzellent ausstatten und die Schülerinnen und Schüler aus weniger finanzstarken Kommunen „in die Röhre gucken“. Jedes Bundesland „kocht sein eigenes Süppchen“…hat seine eigenen Curricula, bezahlt ihr Personal unterschiedlich, setzt unterschiedlich viel Personal ein usw.

Ich muss zugeben mir gefällt die Vorgabe, dass die Bundesländer die Fördergelder künftig für mehr Personal einsetzen sollen, statt mit diesen Geldern die Gebühren zu reduzieren…Ich finde kostenlose Bildung auch toll und ein erstrebenswertes Ziel, aber dafür sollten die Bundesländer amS eigene Geldmittel einsetzen…Und wirklich finanzstarke Familien können auch Gebühren zahlen, dafür könnte man die Gebühren bei anderen Familien absenken. In Niedersachsen wurden die Kitagebühren auch zulasten der Qualität abgeschafft – wir hätten gerne weiter Kitagebühren bezahlt, wenn man dafür die Qualität deutlich verbessert hätte.

Mika
1 Jahr zuvor

Die Verwendung der Mittel für niedrigere Gebühren zieht halt mit sich, dass diese Gelder nicht für mehr Erzieherstunden (z.B. zur Vor- und Nachbereitung), kleineren Gruppen, Qualifizierung usw. und damit zur Entlastung der bereits angestellten Erzieher beitragen. Damit bleibt der Beruf unattraktiv, und der Erziehermangel besteht weiter.
Kita sollte meiner Ansicht nach bis auf den Beitrag zum Essen generell kostenfrei sein. Also heißt der Auftrag an Bund und Länder in meinem Verständnis eigentlich: macht Euch nen Kopf, wie dies einhergehend mit der notwendigen Entlastung für Erzieher machbar ist!

Gustav
1 Jahr zuvor

Ich empfinde die Gebühren für die Kita als sozial ungerecht. Wieso zahle ich über 500€ im Monat an Gebühren, wenn eine Kommune weiter bei gleicher Leistung gerade einmal 100€ monatlich zu zahlen sind?
Das Problem wäre schnell erledigt. Einheitlicher Satz für alle und der Bund bezuschusst den Beitrag oder lässt es sein.