Das neue Schuljahr ist gestartet – mit einer Serie von Bombendrohungen. Und dem Startchancen-Programm

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ERFURT. Nur für wenige Tage waren überall in Deutschland gleichzeitig die Schulen dicht. Während die Ferien in Bayern eben erst begonnen haben, ging es für Schüler in Thüringen heute Morgen zurück ins Klassenzimmer – an den meisten Schulen jedenfalls. Eine Reihe von Bombendrohungen sorgte im Freistaat für Wirbel. Erfreulicher: Mit dem Schuljahresbeginn ist auch das sogenannte Startchancen-Programm von Bund und Ländern angelaufen.

Fängt gut an (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Als erstes Bundesland ist Thüringen am Donnerstag in das neue Schuljahr 2024/25 gestartet. Nach den Sommerferienwochen ging es für 264.200 Kinder und Jugendliche an staatlichen und freien Schulen wieder in die Klassenzimmer. Schulkinder im Nachbarland Sachsen folgen als Nächstes, dort gehen die großen Ferien bis zum 2. August. Die letzten Rückkehrer in die Schulen werden in diesem Jahr dann wieder die Bayern sein – der erste Schultag im Freistaat ist der 10. September.

Traditionell gibt es in Deutschland viele unterschiedliche Ferienstarttermine, die die Bundesländer untereinander abstimmen. In diesem Jahr sind es sieben verschiedene. Einen landesweit einheitlichen Ferientermin haben etwa die Nachbarn in Frankreich: In diesem Sommer haben dort alle Schüler vom 6. Juli bis zum 1. September frei.

“Eine Million Kinder und Jugendliche in benachteiligten Quartieren werden auf ihrem Bildungsweg gezielter und chancengerechter unterstützt”

Eine Premiere, die alle Bundesländer betrifft: Als Maßnahme gegen die Bildungskrise ist das sogenannte Startchancen-Programm zur Förderung Tausender Schulen zum 1. August angelaufen. Das wichtigste bildungspolitische Vorhaben der Ampel sieht vor, dass bundesweit zunächst gut 2.100 und später bis zu 4.000 Schulen in sozial schwierigen Lagen eine spezielle Förderung bekommen. Die Maßnahmen greifen nach den Sommerferien mit Beginn des neuen Schuljahres.

Über die kommenden zehn Jahre wollen Bund und Länder dafür 20 Milliarden Euro bereitstellen. Die Förderung soll zu 60 Prozent an Grundschulen gehen, da sich in Bildungsstudien bei Schülerinnen und Schülern zunehmende Schwächen beim Lesen, Schreiben und Rechnen gezeigt hatten. Das Startchancen-Programm sei das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Unter den ersten geförderten 2.125 Schulen seien 1.389 Grundschulen.

Der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Kai Gehring (Grüne), sprach von einem «Gamechanger für mehr Chancengerechtigkeit». Angesichts eingetrübter Ergebnisse bei Bildungsstudien könne das Förderprogramm ein Jahrzehnt für bessere Bildungschancen einläuten. «Künftig lernen eine Million Kinder und Jugendliche in benachteiligten Quartieren in Startchancen-Schulen und werden auf ihrem Bildungsweg gezielter und chancengerechter unterstützt.»

4.000 Schulen – damit wird etwa jede zehnte Schule Deutschlands gefördert. Die konkrete Auswahl treffen die Bundesländer. Ausschlaggebend sind vor allem der Anteil ärmerer Kinder und Jugendlicher und der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Das Geld ist für Baumaßnahmen gedacht, allerdings nicht für ohnehin notwendige Turnhallen- oder Toiletten-Sanierungen, sondern für Lernlabore, Multifunktionsräume, Werkstätten, Ateliers oder für Sport- und Erholungsangebote im Außenbereich.

Die Startchancen-Milliarden sollen außerdem in zusätzliches Personal wie Sozialarbeiter investiert werden und die Schulen bekommen ein Budget zur freien Verwendung. Das ehrgeizige Ziel: Bis zum Ende der Programmlaufzeit 2034 soll die Zahl der Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, an den Startchancen-Schulen halbiert werden. Zudem geht es um eine Förderung der sogenannten sozio-emotionalen Kompetenz, der Fähigkeit zu angemessenem Verhalten im Umgang mit anderen Menschen und in verschiedenen Situationen.

Ob das zweite große bildungspolitische Versprechen der Ampel – der Digitalpakt 2.0 – in diesem Schuljahr realisiert werden kann, steht allerdings in den Sternen. Auch nach 18 Monaten Verhandlungen konnten Bund und Länder keine Verständigung erzielen. Die Länder befürchten, dass es nach dem ersten Digitalpakt, der im Mai ausgelaufen ist, keine Anschlussfinanzierung für die Schulen mehr geben und die angeschaffte digitale Ausstattung ohne Geld für Wartung und Ersatz verrotten könnte (News4teachers berichtete).

“Es ist eine Schande, dass Schulkinder zum Schuljahresbeginn bedroht werden. Es ist skrupellos und niederträchtig”

An etlichen Schulen hat das neue Schuljahr in Thüringen mit einer Ausnahmesituation begonnen: Bombendrohungen machten einen Strich durch die Pläne für den ersten Schultag nach den Sommerferien. An gleich mehreren Schulen waren am Morgen gleichlautende E-Mails von einer identischen Absenderadresse entdeckt worden. Darin wurde laut Polizei mit einer Bombenexplosion gedroht.

In vielen Städten mussten Schüler und Lehrer Gebäude verlassen, die Polizei durchsuchte die Schulhäuser. Landesweit seien dabei auch Sprengstoffspürhunde zum Einsatz gekommen, hieß es seitens der Landeseinsatzzentrale der Polizei. Fündig wurden die Beamten aber nicht.

Betroffen waren unter anderem Schulen in Friedrichroda, Eisenach, Stadtilm und Ilmenau. Auch in Schmölln, Weimar und Erfurt lief der erste Schultag anders als geplant. Manche Schulen verzichteten nach der Entwarnung komplett auf den Unterricht, andere nahmen den Betrieb wieder auf, in Weimar und an einem Gymnasium in Ilmenau etwa. Ein Sprecher der Polizei in Erfurt sagte, dass wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat ermittelt werde.

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) fand klar Worte: «Es ist eine Schande, dass Schulkinder zum Schuljahresbeginn bedroht werden. Es ist skrupellos und niederträchtig.» Solche Bedrohungen des Schulfriedens müssten scharf verfolgt und hart bestraft werden. Die Taten richteten sich gegen schutzbedürftige Kinder und ihre Rechte. «Wir müssen auch Nachahmungstäter abschrecken.» Er bedankte sich bei den Schulen für deren schnelles und umsichtiges Handeln.

Die Zahl solcher Drohungen gegen Schulen ist in den vergangenen zwei Jahren nach Angaben des Innenministeriums deutlich gestiegen. Von 2014 bis einschließlich 2021 erfassten die zuständigen Behörden demnach jährlich zwischen 4 und 19 solcher Fälle an Thüringer Schulen. In den Jahren 2022 und 2023 waren es dagegen 28 und 53 gewesen. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der fraktionslosen Landtagsabgeordneten Ute Bergner hervor. In keinem dieser Fälle habe sich eine konkrete Gefährdungssituation ergeben, heißt es darin.

Die drastische Zunahme gerade im vergangenen Jahr sieht das Bildungsministerium in Zusammenhang mit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023. So waren auch einige Thüringer Schulen und andere Einrichtungen von einer bundesweiten Serie von Bombendrohungen betroffen gewesen. Per Mail sollen sich die Täter als Gegner oder Mitglieder etwa der Hamas ausgegeben und gedroht haben, Unschuldige zu töten. Als mutmaßliche Täter ermittelten die Behörden einen 19-Jährigen aus Baden-Württemberg und einen 30-Jährigen aus Ostwestfalen.

Diese Serie habe das Bildungsministerium zum Anlass genommen, um die Abläufe bei solchen Drohungen zusammen mit Schulen und Sicherheitsbehörden zu überprüfen und zu schärfen. Deshalb seien die aktuellen Drohungen nach erster Einschätzung auf gut vorbereitete Schulen getroffen, so ein Ministeriumssprecher. News4teachers / mit Material der dpa

„Dieses Programm muss erfolgreich werden!“ Interview mit Prof. Kai Maaz, Direktor des DIPF, über die Chancen von Startchancen

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Gelbe Tulpe
1 Jahr zuvor

August in der Schule? Die armen Schüler. Wir brauchen 11 Wochen Sommerferien.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Hat das mit dem Thema zu tun?

Dejott
1 Jahr zuvor

Das neue Schuljahr startet wie die letzten 20: “Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt ein Schuljahr mit ganz besonderen Herausforderungen”….

AvL
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dejott

Letztes Jahr standen wir vor dem Abgrund,
lassen sie uns im Angesicht großer Herausforderungen
dieses Jahr einen großen Schritt nach vorne machen.

Besseranonym
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dejott

Unsere Version:
Nix Neues, liebe Kollegen.
Der Porschemotor ( der olympischen und glorreichen Fahrer )stottert noch mehr, unsere Automechatroniker empfehlen die Anschaffung eines praktikablen Mittelklassefahrzeuges, das solide einige km weiterbringt.
Da dies nicht passieren wird, schaukeln wir den Laden wie bisher.
Wer denkt, er braucht Hilfe kommt früh genug rum…

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Besseranonym

Wir setzen – im übertragenen Sinne – den Umstieg auf Elektromobilität um, der Antrag für die notwendige Ladeinfrastruktur befindet sich in der Abstimmung der zuständigen Stellen, kann aber derzeit aufgrund der Haushaltslage voraussichtlich nicht in den nächsten 10 Jahren genehmigt werden. Sollte die Haushaltssicherung darüber hinaus andauern, muss der Antrag erneut beschlossen und eingereicht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt stehen weiterhin die Dienstfahrräder zur Verfügung.

Besseranonym
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

🙂 🙂 genau so

Teacher Andi
1 Jahr zuvor

Da bin ich gespannt, wie das Startchancenprogramm anläuft. sicher wieder nach dem Motto “Wir haben tolle Ideen, ihr müsst sie umsetzen” (auch ohne optimale Voraussetzungen).
Und unter dieser Vorgaben und dann noch Bombendrohungen, gehen wir Lehrer doch beschwingt und voller Elan ins neue Schuljahr.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Hauptsache die Stimmung ist gut. Um nicht missverstanden zu werden, das nennt sich “Bombenstimmung”. Bessere Voraussetzungen für den Anlauf eines Programmes kann man sich doch nicht wünschen. Das wird sozusagen ein “echter Kracher”.