Mädchen-Power: Teenagerinnen überraschen die Mathe-Welt mit Pythagoras-Beweisen

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NEW ORLEANS. Das kennen viele noch aus der Schule: a² + b² = c². Beweise der Formel gibt es viele, doch manche sind sehr knifflig. Zwei US-Teenagerinnen ist nun etwas Besonders gelungen.

Statue des Pythagoras auf der griechischen Insel Samos. Foto: Shutterstock / Kadagan

Zwei mathe-affinen Nachwuchswissenschaftlerinnen ist gelungen, was in der Fachwelt lange Zeit als nahezu unmöglich galt: Sie haben den berühmten Satz des Pythagoras (a² + b² = c²) mit Mitteln der Trigonometrie bewiesen – und das gleich mehrfach. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift «American Mathematical Monthly» veröffentlicht.

Die Krux dabei: Die Trigonometrie ist ein Teilgebiet der Geometrie, und deren grundlegende Formeln beruhen auf der Annahme, dass der Satz des Pythagoras wahr ist. Es droht also ein Zirkelschluss – eine Beweisführung, in der das zu Beweisende schon als Voraussetzung steckt.

Ohne Zirkelschluss sei professionellen Mathematikern erst zweimal ein solcher Beweis geglückt, teilte der Verlag mit. Darüber hinaus gibt es Hunderte andere Beweise des Jahrtausende alten Lehrsatzes aus anderen Disziplinen der Mathematik wie der Algebra.

Worum geht es beim Satz des Pythagoras?

Der Satz des Pythagoras ist wohl eine der wenigen Formeln, die viele Menschen noch aus dem Schulunterricht irgendwo im Hinterkopf haben. Dabei geht es um die Beziehung zwischen den Seitenlängen eines rechtwinkligen Dreiecks: Die Summe der Quadrate der am rechten Winkel anliegenden Katheten (a und b) ist gleich dem Quadrat der Hypotenuse (c), die dem 90-Grad-Winkel gegenüberliegt. Man kann also die Länge einer beliebigen Seite eines rechtwinkligen Dreiecks berechnen, wenn man die Länge der beiden anderen Seiten kennt.

«Der Satz des Pythagoras verbindet Algebra – das heißt das Rechnen mit Zahlen und Variablen – und Geometrie – das heißt das Zeichnen und Messen», erläuterte Mario Gerwig, Autor des Buchs «Der Satz des Pythagoras in 365 Beweisen». Eine große Sammlung des Amerikaners Elisha Scott Loomis (1852-1940) mit mehr als 370 Beweisen enthalte ausschließlich algebraische und geometrische Beweise.

Die neuen Beweise

Die Autorinnen Calcea Johnson und Ne’Kiya Jackson haben in ihrer nun veröffentlichten Arbeit fünf Möglichkeiten vorgelegt, den Satz mit Hilfe der Trigonometrie zu beweisen. Hinzu kommt eine Methode, die fünf weitere Beweise ermöglicht. Dafür haben sie – grob gesagt – aus einem rechtwinkligen Dreieck ABC verschiedene neue rechtwinklige Dreiecke mit bestimmten Winkel-Maßen gebildet.

Auf die Idee gekommen waren die beiden als Schülerinnen im Jahr 2022 bei einem Mathematik-Wettbewerb an ihrer Highschool in den USA. Eine Frage lautete dabei, einen neuen Beweis für den Satz des Pythagoras zu erstellen. «500 Dollar Preisgeld motivierten uns, uns dieser Aufgabe zu stellen», schreiben sie. «Die Aufgabe erwies sich als viel schwieriger, als wir uns zunächst vorgestellt hatten, und wir verbrachten viele lange Nächte mit dem Versuch, einen Beweis zu erstellen, und scheiterten dabei.»

Einige Monate opferten die Teenagerinnen ihre Freizeit dem Vorhaben, arbeiteten sogar in den Ferien daran. «Es gab viele Momente, in denen wir beide das Projekt aufgeben wollten, aber wir beschlossen durchzuhalten und zu beenden, was wir begonnen hatten.» Am Ende gab es laut dem Verlag neben Auszeichnungen sogar ein Lob von Ex-First-Lady Michelle Obama. Und nun eine wissenschaftliche Veröffentlichung mit neuen Beweisen.

Warum neue Beweise – reicht nicht einer?

Der Satz des Pythagoras übe seit vielen Jahrhunderten einen erstaunlichen Reiz auf Personen sämtlicher Kulturkreise aus, stellte Experte Gerwig fest. «Es gibt Beweise aus dem antiken Griechenland, dem alten China und aus Indien, von Künstlern und Philosophen, Mathematikprofis und -amateuren, von Euklid, da Vinci, Leibniz, Einstein und Garfield, dem 20. US-Präsidenten.»

Im Grunde reiche nur ein einziger Beweis aus, um die Richtigkeit eines Satzes ein für alle Mal darzulegen. Warum dann ein solcher Hype? «Für einen Mathematiker muss ein Beweis nicht nur richtig, sondern auch schön, das heißt elegant, knapp und möglichst genial sein. Er sollte nicht nur überzeugen, sondern bestenfalls einen anderen Blick auf den bewiesenen Sachverhalt eröffnen und damit die Vorstellung von dem, was Mathematik ist, erneuern.»

Dass der Satz des Pythagoras aus unterschiedlichen Richtungen beleuchtet wurde, sei eine Fundgrube für jeden Mathematiker, jede Mathematikerin. «Für den heutigen Mathematikunterricht bietet die Sammlung eine echte Chance, das Beweisen so zu thematisieren, dass nicht nur ein einzelnes Beweisprodukt, sondern vielmehr der Beweisprozess und damit das, was es mit dem Beweisen in der Mathematik eigentlich auf sich hat, deutlich werden kann.»

Besonderes Signal

Insofern ist aus Gerwigs Sicht nicht unbedingt zentral, dass die beiden Autorinnen neue trigonometrische Beweise gefunden haben – sondern dass überhaupt neue Beweise formuliert wurden, zumal von zwei Schülerinnen.

«Ich bin sehr stolz darauf, dass wir beide einen so positiven Einfluss ausüben können», erklärte Co-Autorin Johnson. Die beiden Autorinnen hätten gezeigt, dass junge Frauen dazu in der Lage seien, und «und damit andere junge Frauen wissen lassen, dass sie alles tun können, was sie tun wollen».

Johnson studiert inzwischen Umwelttechnik an der Louisiana State University, Jackson studiert Pharmazie an der Xavier University of Louisiana. News4teachers / mit Material der dpa

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Unfassbar
11 Monate zuvor

Mathematik gehört zu den Disziplinen, bei denen es am egalsten ist, welchem Geschlecht sich jemand zuordnet. Wer etwas drauf hat, wird geehrt. Insofern ist den beiden zu gratulieren. Ich finde es sehr bedauerlich, dass sie ihr Potenzial in Umwelttechnik und Pharmazie verkümmern lassen.

Realist
11 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Es ist schon erstaunlich, dass zwei Schülerinnen auf einen Beweis kommen, den noch niemand vorher in dieser Form gefunden hat. Immerhin ein zweitausend Jahre altes Problem. Das zeigt natürlich mathematisches Talent. Aber deshalb gleich Mathematikerin werden? In diesem Bereich gelingt es ja nur wenigen, etwas grundlegend Neues zu entdecken / entwickeln, diejenigen, die das schaffen, schaffen es in der Regel auch nur einmal im Leben. Die meisten Mathematiker beschäftigen sich ja mit der Anwendung / Optimierung von bereits mehr oder weniger Bekanntem.

Auch in Umwelttechnik und Pharmazie kann man mathematische Kenntnisse gut gebrauchen, Zukunftsfelder sind das auf jeden Fall. Wenn die beiden daran Interesse haben, ist das sicherlich kein “Verkümmern von Potenzial”.

Dr. Specht
11 Monate zuvor

Zwei äußerst beeindruckenden jungen Menschen gelingt eine außergewöhnliche wissenschaftliche Leistung.

Leider wird diese durch Ihre Überschrift “Mädchen-Power” abgewertet. Die beiden sind keine “Mädchen”, sondern junge Frauen. Hätten Sie, falls es sich um zwei junge Männer gehandelt hätte, von “Buben-Power” geschrieben?

Das passt meines Erachtens nicht zu der klaren Haltung, die n4t sonst an den Tag legt.

Mimü
11 Monate zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Wenn man das Geschlecht -wie in der Überschrift dieses Artikels – so herausstellt, dann sagt man, dass das etwas besonderes ist. Eigentlich bestätigt man dann das Vorurteil, dass Mädchen nicht so gut in Mathe sind und die beiden die erwähnenswerte Ausnahme. Das ist bestimmt keine absichtliche Wirkung, kann aber so ankommen. Da sollten wir doch schon weiter sein.

Lisa
11 Monate zuvor
Antwortet  Mimü

Das Ungleichgewicht herrscht, weil junge Frauen oft nicht wollen, nicht weil sie nicht können. Paradoxerweise gerade, weil Deutschland ein reiches Land ist. Die Studenten müssen oft nicht das studieren, was am schnellsten Einkommen generiert, sondern dürfen ihren Neigungen nachgehen.

Unfassbar
11 Monate zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Noch dazu sind es Schwarze und damit noch weniger in der Mathematiker-Szene vertreten als Weiße. Die mediale Aufmerksamkeit wird auch dem Geschlecht und der Hautfarbe geschuldet sein. Leider.

Jonoko
11 Monate zuvor

Die Authorinnen nennen in ihrem Artikel, dass der beste Beweis des Satzes des Pythagoras darauf beruht, in einem rechtwinkligen Dreieck ABC mit rechtem Winkel in C den Lotfußpunkt D von C auf AB zu betrachten, dann über den Hauptähnlichkeitssatz die Ähnlichkeit der Dreiecke ABC, ADC und BCD abzulesen und aus diesen Ähnlichkeiten die Gleichungen |AB|:|AC|=|AC|:|AD| und |AB|:|BC|=|BC|:|BD|, also |AC|^2=|AB|*|AD| und |BC|^2=|AB|*|BD| zu folgern und dann durch Addition beider Gleichungen |AC|^2+|BC|^2=|AB|*(|AD|+|BD|)=|AB|^2 zu erhalten. Dieser Beweis nutzt nur den Hauptähnlichkeitssatz und ist kurz.

Was sind nun Sinus, Cosinus und die anderen vier trigonometrischen Funktionen? Sie beschreiben einfach, dass die 6 Seitenverhältnisse bei rechtwinkligen Dreiecken nach dem Hauptähnlichkeitssatz nur von der Größe eines der spitzen Winkel abhängen. Jegliche Anwendung von trigonometrischen Funktionen ist daher nur Anwendung des Hauptähnlichkeitssatzes.

Die beiden Authorinnen haben “nur” gefunden, wie man den Beweis des Satzes des Pythagoras auf weiteren, komplizierten Wegen wieder unter Nutzung des Hauptähnlichkeitssatzes (Trigonomerie) führen kann. Warum einfach, wenn es auch komplizierter geht.

Es ist schön, dass sie sich als Schülerinnen damit beschäftigt haben. Sie haben bestimmt einiges zu Trigonometrie gelernt. Und das ist sehr gut.

Dass man einfache Beweise verkomplizieren kann, ist nicht überraschend. Überraschend wäre, wenn sie einfachere Beweise statt kompliziertere Beweise gefunden hätten. Der Hype um diesen Artikel ist daher völlig übertrieben.

Unfassbar
11 Monate zuvor
Antwortet  Jonoko

Unabhängig davon bleibt es ein Beweis, der vorher noch nicht veröffentlicht wurde. Aber ja, für übertrieben halte ich die Berichterstattung auch.

unverzagte
11 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

An der Reportage findet sich weder ein Ansatz zum “Hype” noch erscheint sie mir “völlig übertrieben”. Derartige Abwertungen wirken vielmehr schlicht missgünstig.

Lisa
11 Monate zuvor

Die beiden Autorinnen hätten gezeigt, dass junge Frauen dazu in der Lage seien… Soweit ist es mit der Gleichstellung nicht her, wenn das so extra betont werden muss. Erinnert mich an das misogyne Zitat, dass auch ein dressierter Albinoaffe etwas Besonderes ist….:(
Hat jemand denn bezweifelt im Jahre 2024, dass junge Frauen Mathematik können?

Jonoko
11 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Ich kenne einige sehr gute Mathematikerinnen, habe selber mathematisch begabte Schülerinnen gefördert und bilde jetzt auch viele Mathematiklehrerinnen aus. Die sind nicht schlechter, sondern einige sehr gut. Da muss nicht mit Gleichstellung oder Gleichberechtigung argumentiert werden, um zu begründen, dass sie sehr gut sind, da sie einfach ihren Leistungen nach sehr gut in Mathematik sind. Leider wird aber viel zu vielen Mädchen noch immer eingeredet, dass Mathematik nichts für sie wäre. Vorbilder wie im Artikel genannt, könnten daher hilfreich sein.

Jonoko
11 Monate zuvor

“Teenagerinnen überraschen die Mathe-Welt mit Pythagoras-Beweisen” ist Hype. Welche Mathe-Welt soll denn da gemeint sein?
“Das kennen viele noch aus der Schule: a² + b² = c². Beweise der Formel gibt es viele, doch manche sind sehr knifflig. Zwei US-Teenagerinnen ist nun etwas Besonders gelungen.” Was den beiden Schülerinnen gelungen ist, ist nichts Besonderes. Der langen Liste von kniffligen Beweisen sind nur weitere Varianten hinzugefügt worden.
Es ist Hype, wenn in mehreren deutschen Zeitschriften faktisch derselbe Artikel zu einem eigentlich nicht sehr bedeutsamen Ereignis in den USA erscheint und dies mit sehr übertriebenen Titeln wie auch “Dieser mathematische Beweis galt als nahezu unmöglich – bis jetzt”. Es ist auch ein Hype, wenn so etwas bei schwarzen Schülerinnen berichtenswert ist, bei Schülern asiatischer oder anderer Herkunft nicht.
Anders wäre es, wenn zum Beispiel in einer lokalen Zeitung so etwas zu Schülerinnen (oder Schülern) des Ortes berichtet würde.
Man stelle sich einfach die Frage, ob in deutschen Zeitungen auch berichtet würde, was chinesische Schülerinnen in ihren Projektarbeiten herausgefunden haben. Das interessiert hier niemanden. Warum?
Nochmal: Ich befürworte über solche Leistungen zu berichten. Dies aber korrekt und ohne Übertreibungen. Gerne auch, um solche Schülerinnen als echte Vorbilder zu nennen, aber in der Nähe und nicht in aus einem fernen Land. Und vor allem sollte dann nicht herausklingen, dass es etwas Ungewöhnliches wäre, etwas, was man Schülerinnen nicht zutraut, was sie normalerweise nicht können. Nein, Schülerinnen, egal ob schwarz, weiß, kaukasisch oder sonstwie in den USA rassistisch einsortiert, können genauso wie Schüler auch in Mathematik und vielen anderen Gebieten erfolgreich sein, wenn ihre dazu vorhandenen Begabungen durch das Umfeld (Familie, Schule, …) anerkannt und gefördert wird.