
Private Handys sind im hessischen Schulalltag vom kommenden Schuljahr an tabu. Im Landtag wurde in dieser Woche ein entsprechendes Gesetz mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und SPD beschlossen. Im Land gibt es allerdings bereits reichlich Schulen, an denen bereits ein Handyverbot für Schülerinnen und Schüler gilt – und die damit gute Erfahrungen gemacht haben.
«Wir sind ein Ort des Lernens und nicht des Zockens», betont Klaus Niesel, Leiter der Adolf-von-Dalberg-Schule (AvDS) in Fulda. An der Grundschule sind Handys und Smartwatches für die Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren schon seit Jahren verboten. «Wir sind ein Schutzraum für Kindheit. In der Grundschule brauchen Kinder keine Handys und keine Smartwatches.»
Eltern werden mit an Bord geholt
Der direkte persönliche Kontakt zwischen den Schülern etwa in der Pause und dem Schulhof lasse sich durch «digitale Endgeräte nicht ersetzen», sagt Niesel. Das wichtige Thema Digitalisierung werde im Unterricht mit dem Einsatz von Tablet-Computern und beispielsweise in einer Computer-AG behandelt.
Die Schule habe einen Auftrag in der Medienerziehung, erklärt der Schulleiter. Deshalb versuche die AvDS, die Eltern mit an Bord zu holen, etwa mit Informationen an Elternabenden über den verantwortungsvollen Umgang mit Handy und Co. und mit Hinweisen auf die Risiken eines übermäßigen Gebrauchs.
«Die allermeisten Eltern sind mit dem Verbot einverstanden»
In der Fuldaer Grundschule ist es den Kindern verboten, ein Handy oder eine Smartwatch zu zeigen oder zu nutzen. Verstöße gegen die Schulregel gebe es nur ganz selten, berichtet Niesel. Sollte das dennoch vorkommen, wird das Handy von einer Lehrkraft eingezogen und landet schließlich auf dem Schreibtisch des Rektors. Die Eltern werden verständigt und können das Gerät nach Unterrichtsschluss abholen.
«Die allermeisten Eltern sind mit dem Verbot sehr einverstanden, weil diese Medien eine absolute Ablenkung sind», erklärt der Schulleiter. In ganz wenigen und begründeten Fällen werden Ausnahmen erlaubt, beispielsweise wenn Schüler einen längeren Schulweg haben und nach der Schulbetreuung noch zum Vereinstraining wollen. Das Kind solle die Sondererlaubnis aber nicht an die große Glocke hängen.
Landesschülervertretung gegen generelles Handyverbot an Schulen
Die Landesschülervertretung Hessen begrüßt allgemein die Aufnahme der «Vermittlung digitaler Kompetenzen» in den Erziehungsauftrag der Schulen, lehnt aber ein generelles Handyverbot ab. Diese sorge nur dafür, dass Schülerinnen und Schüler «nicht auf ein Leben in der digitalen Welt vorbereitet werden».
Landesschulsprecher Laurenz Spies erklärt: «Was wir wirklich benötigen, ist flächendeckende Medienbildung. Nur so werden junge Menschen sicher und verantwortungsvoll auf die digitale Welt vorbereitet. Medienkompetenz entsteht nicht durch Verbote, sondern durch Bildung.» Wer Handys aus der Schule verbanne, verlagere die Probleme ins Private und lasse Schüler damit alleine.
An allen Hanauer Grundschulen gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung Regelungen, die auf ein Verbot von Handys abzielen. Diese wichen jedoch im Detail leicht voneinander ab. Eine einheitliche gesetzliche Regelung, die dies unterstütze und für Schulen, Schüler sowie die Eltern Klarheit schaffe, werde ausdrücklich befürwortet.
Schüler oft durch Nachrichten und Fotos aufgewühlt
Auch an der Bertha-von-Suttner-Schule (BvSS) in Nidderau (Main-Kinzig-Kreis), einer Gesamtschule mit derzeit rund 1.100 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen fünf bis zehn, dürfen Smartphones laut Schulordnung zwar mitgebracht, aber im eingezäunten Gelände nicht genutzt werden. Ausnahme ist, wenn die Lehrkräfte dies ausdrücklich erlauben oder dazu auffordern.
Schon außerhalb der Schulzeiten schickten sich die Kinder und Jugendlichen oft eine Vielzahl von Nachrichten in WhatsApp-Gruppen oder E-Mails, durch die sie morgens teils aufgewühlt in die Schule kämen. Hier die Wogen zu glätten, könne bereits viel Zeit der Lehrkräfte binden, sagt BvSS-Schulleiter Harald Klose. Weitere Störungen oder Vorfälle durch das Versenden von Nachrichten oder Smartphone-Bilder im Schulalltag wolle man möglichst vermeiden.
Bei Verstößen wird Handy bis Schulschluss eingezogen
In aller Regel halten sich die Schüler nach den Worten von Klose an die Vorgaben, doch gebe es auch Tage, an denen vier bis fünf Handys eingezogen werden müssten. In solchen Fällen werden die Geräte ausgeschaltet im Sekretariat verwahrt, nach Unterrichtsschluss dürfen die Kinder und Jugendlichen sie dort abholen. Bei wiederholten Verstößen würden auch die Eltern informiert. Dann kann es auch zu einer Klassenkonferenz und pädagogischen Maßnahmen wie bestimmten Schuldiensten kommen.
Bereits in der Vergangenheit habe die Schule aktiv Medienbildung betrieben, hinzu kämen etwa Vorträge einer Jugendkoordinatorin der Polizei bei Elternabenden. Außerdem gebe es neue Profilklassen «MINT und Medien», in denen die Themen vertieft werden könnten. Auch wenn die BvSS schon recht weit bei dem Thema ist, begrüßt Klose die hessenweite Regelung, denn dies erleichtere die Argumentation auch gegenüber den Eltern. Persönlich würde Klose, der selbst Vater ist, eine Freigabe sozialer Medien erst ab 16 Jahren befürworten. Nicht zuletzt der Vortrag der Jugendkoordinatorin der Polizei habe auch die Risiken verdeutlicht. «Die Eltern sollten darauf achten, welche Apps sie ermöglichen», sagte Klose. Von Michael Bauer, Christine Schultze und Jens Albes (dpa)
Kritik an Handy-Verbots-Plänen: Medienpädagogen sehen Zukunftskompetenzen gefährdet
“Die Landesschülervertretung Hessen begrüßt allgemein die Aufnahme der «Vermittlung digitaler Kompetenzen» in den Erziehungsauftrag der Schulen, lehnt aber ein generelles Handyverbot ab. Diese sorge nur dafür, dass Schülerinnen und Schüler «nicht auf ein Leben in der digitalen Welt vorbereitet werden».”
Hm, ich sehe das ein bisschen anders – die Schülerinnen und Schüler werden nicht auf ein Leben in der realen Welt vorbereitet, wenn sie ständig in die Zweidimensionalität gehen.
“Landesschulsprecher Laurenz Spies erklärt: «Was wir wirklich benötigen, ist flächendeckende Medienbildung. Nur so werden junge Menschen sicher und verantwortungsvoll auf die digitale Welt vorbereitet. Medienkompetenz entsteht nicht durch Verbote, sondern durch Bildung.» Wer Handys aus der Schule verbanne, verlagere die Probleme ins Private und lasse Schüler damit alleine.”
Hm, nun, wir haben das an der Schule – Medienbildung, Medienschulung, Rechte und Pflichten – und, was wir noch haben: jede Menge Ärger und diverse Anzeigen, auch von Lehrkräften gegen Schüler:innen.
Das ist eine Frage der Haltung, nicht der Bildung. (Wie so manch anderes auch….)
“jede Menge Ärger und diverse Anzeigen, auch von Lehrkräften gegen Schüler:innen.”
Heftig! Wegen Beleidigungen/ Mobbing/ verbotenen Inhalten und/ oder bezüglich des Verbots/ Einziehen von Handys?
“die Schülerinnen und Schüler werden nicht auf ein Leben in der realen Welt vorbereitet, wenn sie ständig in die Zweidimensionalität gehen.”
Das sehe ich nun ein wenig anders: Die Realität (außerhalb der Schule) ist, dass die Kinder und Jugendlichen von Smartphones umgeben sind. Ein Verbot in der Schule ändert daran nur, dass die Kinder und Jugendlichen am Ort des Lernens nicht lernen, damit umzugehen.
Nicht falsch verstehen: Als Medienpädagoge sehe ich die Entwicklung des Always-On sehr kritisch. Aber ein punktuelles Verbot ändert hier insgesamt gar nichts.
In der Schule solltendie Kinder und Jugendlichen entweder lernen, mit diesen Ablenkungen umzugehen (das ist möglich), oder man müsste eigentlich Smartphone/Social Media etc. ganz allgemein für alle verbieten.
Denn eine mangelhafte Kompetenz bzgl. Smartphones und Social-Media ist eben kein Kinder- und Jugendphänomen. Im Gegenteil. Die sind nur ein Spiegel der Gesellschaft.
Aber ein Verbot in der Schule ist natürlich sehr viel einfacher. Löst aber die zugrundeliegende Problematik nicht bzw. nur nach dem “Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn”-Prinzip.
“Der direkte persönliche Kontakt zwischen den Schülern etwa in der Pause und dem Schulhof lasse sich durch «digitale Endgeräte nicht ersetzen», sagt Niesel.”
Endlich erklärt es jemand der Politik – uneingeschränkt alle anderen wissen das bereits -__-
“Sollte das dennoch vorkommen, wird das Handy von einer Lehrkraft eingezogen und landet schließlich auf dem Schreibtisch des Rektors. Die Eltern werden verständigt und können das Gerät nach Unterrichtsschluss abholen.”
Es freut mich aufrichtig, wenn es an dieser Schule immer so funktioniert, die Eltern bei uns haben häufig keine Zeit, Geräte abzuholen. Wie sieht der Plan des Rektors/ Hessens dahingehend aus?
Meine Schulleitung (BW) sieht sich da ggf. haftend für die Endgeräte…
Naja. Wenn es gut läuft, mobben sich Schüler*innen in ihrer Freizeit zu Tode und belangen damit nicht mehr die Schulen (augenroll)
Ja und? Dann liegen sie dort herum, bis sie jemand abholt. Wo ist das Problem?
Die Haftung. Wir sind uns da wahrscheinlich einig, dass Erziehungsberechtigte hier sogar viel Gutes tun würden, wenn sie die Geräte nicht abholen und diese dann in der Handygarage das Wochenende verbringen.
Wenn ich es andernfalls zum Unterrichtsende übergeben muss, bin ich lediglich Handybutler und die Kids lernen nix
Keine Ahnung ob es in BW anders ist – bei uns haftet keine Lehrkraft/SL, so lange nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt wurde.
Was SuS in ihrer Freizeit machen – da sind wir glücklicherweise raus.
Sonst wären wir ja Pflege-/Adoptiveltern und nicht Lehrer.
Bin mir da ehrlichgesagt 100% sicher, ob es nicht auch an meiner Schule liegt.
Die Schulleitung macht hier nur, was erlaubt ist und nichts, was nicht verboten ist :/
Mit der tauschen will ich dennoch nicht, ggf. wäre mir da die leichte Anpassung des rechtlichen Rahmens lieber
“Bin mir da ehrlichgesagt 100% sicher, ob es nicht auch an meiner Schule liegt.”
Häääh? Deutsch kaputt? Können Sie den Satz bitte noch einmal verständlich formulieren?
Es war nicht meine Absicht, Sie dermaßen aus der Fassung zu beingen.
Das Wort “nicht” fehlte im ersten Satz.
Die Landesschülervertretung Hessen begrüßt allgemein die Aufnahme der «Vermittlung digitaler Kompetenzen» in den Erziehungsauftrag der Schulen, lehnt aber ein generelles Handyverbot ab. Diese sorge nur dafür, dass Schülerinnen und Schüler «nicht auf ein Leben in der digitalen Welt vorbereitet werden».
Was ein Quatsch. Man kann solche Kompetenzen durchaus vermitteln, ohne dass Schüler ihr Handy den ganzen Morgen über privat nutzen. Im Gegenteil. Zum Erwerb digitaler Kompetenzen gehört auch, dass ich weiß, wann das Smartphone mal ausgeschaltet und weggelegt werden muss.
Klagten Sie nicht unentwegt darüber, dass viele Eltern für sowas zu “faul” wären?
Wer bringt Ihrer Meinung nach die digitalen Kompetenzen bei? 🙂
Nicht ganz. Ich beklage, dass die Eltern in sehr vielen Familien, die wir betreuen, zu wenig auf das eigene Medienverhalten und das ihrer Kinder achten.
Wir alle sind gefordert, digitale Kompetenzen an die Kids heranzubringen. Das kann Schule durch ein Handyverbot innerhalb der Schulzeit zu kleinen Teilen erreichen, wird aber in Freizeit und Ferien von vielen Eltern nicht ernst genug genommen. Woher sonst kommen Bildschirmzeiten von 6 Stunden plus bei den Jugendlichen?
“Woher sonst kommen Bildschirmzeiten von 6 Stunden plus bei den Jugendlichen?”
Also liefern Eltern (+ Schulen?) nicht genug?
Sehe nichts ganz, wo Sie mir da genau zu widersprechen meinen oder wo stehe ich da auf dem Schlauch (es ist zu heiß!) -__-
Das ist es ja: Die bringt in den meisten Fällen schlicht niemand bei.
Die Kurskorrektur erfolgt dann durch harten Aufschlag von Abmahnung/Kündigung, wenn der Vorarbeiter in 447s Heizungskeller dem Azubi oft genug verklickert hat, dass Daddelspiele und Bilder swipen in die Pause oder den Feierabend gehören – nicht in die Kellerecke in der üppig kostenden Arbeitszeit.
Es läuft bei ganz vielen glaube ich wirklich erst über “angeblafft werden”-Realitätsschock (Handwerk) oder “Maulschelle in Papierform/Abmahnung” (große Mittelständler mit HR, da wird logischerweise nicht rumgetobt).
Sobald es um Geld oder (juristisch einklagbare) Sicherheit geht, regelt das die Wirtschaft schon.
Viele Eltern wohl nicht. So sonst gäbe es nicht so viele Süchtige, Cyber-Mobbing, Cyber-grooming etc. Wenn die Eltern mal wirklich schauen würden, was die Kids online machen. Was die so gucken. Was die so spielen. Dann würde sich vielleicht der Klassenchat nachts um 2 nicht mit Spam füllen… wenn die Eltern denn mal schauten.
Volle Zustimmung, trotzdem scheint der (einzige?) Plan zu sein, auf Eigenverantwortung ebendieser Erziehungsberechtigten zu pochen :/
Sind Ihnen nicht sonst auch die Vermittlung von Inhalten immer wichtiger als die Vermittlung von Kompetenzen. In diesem Sinne kann man doch darauf gut verzichten und lieber in Büchern über Smartphones lesen.
Übrigens gehört zu den digitalen Kompetenzen auch, die Chancen und Möglichkeiten digitaler Medien zu vermitteln – und nicht nur deren Risiken und Problematiken.
Idee für Abschlussmotto:
Wir sind ein Ort des Zockens, nicht des Lernens!
Medienkompetenz entsteht nicht durch Verbote, sondern durch Bildung.» Wer Handys aus der Schule verbanne, verlagere die Probleme ins Private und lasse Schüler damit alleine.
Also müssen die Kinder in der Schule daddeln, Mitschüler online mobben oder gleich Opfer von Cyber-Grooming werden, um zu lernen, wie man das vermeidet?
Die Absurdität dieser Aussage wird noch klarer, wenn man sie auf andere Themenbereiche überträgt, z.B.
“Wer Alkohol-Konsum aus der Schule verbanne, verlagert das Problem ins Private.”
Nein, es müssen Kinder in der Schule nicht an Handys daddeln, um das zu vermeiden!
Die Zeiten sind vorbei, dass man an Schulen Raucherecken hatte – wir verbieten stattdessen das Rauchen.
Wir brauchen keine Energy-Drinks am Schulkiosk, um Kinder im bewussten Umgang damit zu schulen.
Kinder müssen nicht in der Schule Drogen nehmen, um damit besser umgehen zu lernen!
Niemand käme auf die Idee, Geschlechtsverkehr in der Schule oder auf Klassenfahrten zu fordern, damit die Kindern praktisch Empfängnisverhütung lernen!
Wenn wir bis heute keine Lösung für das Handy-Problem gefunden haben, dann werden wir in 3 Jahren sehr dumm aus der Wäsche schauen, wenn die KI-Revolution beginnt.
Die Jugendlichen brauchen bald schlicht keine digitalen Kompetenzen mehr.