Kämpfer für Arbeitszeit-Erfassung von Lehrkräften – soll Bildungssenator werden

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BREMEN. Ein politischer Paukenschlag: Ausgerechnet Mark Rackles, SPD-Politiker und einer der profiliertesten Kämpfer für die verpflichtende Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften in Deutschland, soll neuer Bildungssenator in Bremen werden. Damit würde ein Mann an die Spitze des bundesweit schwächelnden kleinsten Schulsystems rücken, der sich wie kaum ein anderer mit den strukturellen Problemen des Lehrerberufs beschäftigt hat – und der die Debatte über Arbeitszeit und Belastung von Lehrkräften bundesweit aufmischt.

Bald (wieder) Mitglied der KMK? Mark Rackles als Berliner Bildungsstaatssekretär 2012. Foto: Heinrich-Böll-Stiftung CC BY-SA 2.0, Wikimedia Commons

Bremens Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Karolin Aulepp (SPD), hat ihren Rücktritt erklärt. „Die Mitte der Legislaturperiode ist ein guter Termin für einen Wechsel“, sagte sie bei einer Pressekonferenz. Aulepp betonte, sie übergebe die Amtsgeschäfte geordnet an eine Nachfolge. Die SPD will ihren Personalvorschlag beim Parteitag im September offiziell beschließen.

Nach Informationen der dpa soll es sich dabei um Mark Rackles handeln. Der 52-Jährige war von 2011 bis 2019 Staatssekretär für Bildung in Berlin, unter anderem Amtschef in der Kultusministerkonferenz und Leiter der Berliner Taskforce Schulbau. Jüngst trat er als freiberuflicher Berater, Publizist und Kolumnist in Erscheinung. Im August 2024 hatte er eine berufliche Auszeit angekündigt – eigentlich wollte er erst im September 2025 wieder einsteigen.

Rackles: Fachpolitiker mit klarer Agenda

Rackles gilt als einer der kenntnisreichsten SPD-Bildungspolitiker Deutschlands. An der Spitze des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg hat er Schulentwicklungsprozesse begleitet, später Studien und Gutachten veröffentlicht. Vor allem ein Thema hat ihn zuletzt in die Schlagzeilen gebracht: die Arbeitszeit der Lehrkräfte.

Gemeinsam mit dem Göttinger Sozialwissenschaftler Frank Mußmann verfasste er im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung ein Gutachten, das das seit 150 Jahren gültige Deputatsmodell als überholt und unzureichend bezeichnet. Die Autoren weisen nach, dass die Mehrheit der Lehrkräfte seit Jahrzehnten über die gesetzlichen und tariflichen Arbeitszeitnormen hinaus arbeitet – mit gravierenden gesundheitlichen Folgen.

„Der unbestimmte Teil der Arbeitszeit, der jenseits der Deputate liegt, kann nicht länger in dieser Unbestimmtheit belassen werden“, schreiben Rackles und Mußmann.

Politischer Druck – durch Rackles selbst

Rackles beließ es nicht bei wissenschaftlicher Analyse. Er schrieb im Mai direkt an Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und forderte, die Lehrkräfte in die geplante elektronische Arbeitszeiterfassung einzubeziehen. Das Bundesarbeitsministerium antwortete schriftlich: Das „Ob“ der Erfassung sei längst geklärt – die Pflicht gelte schon jetzt, es gehe nur noch um das „Wie“ (News4teachers berichtete).

Rackles kommentierte auf LinkedIn: „Der zentrale Satz kann nicht oft genug wiederholt werden: Das ‚Ob‘ der Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit auch bei Lehrkräften ist bereits geklärt! Es geht nur noch um das ‚Wie‘. Die Bundesländer sollten langsam (sechs Jahre nach dem Grundsatzurteil des EuGH) in die Gänge kommen.“

Bildungssystem Bremen: eine Baustelle

Bremen schneidet in bundesweiten Vergleichsstudien regelmäßig schlecht ab. Im aktuellen Bildungsmonitor der arbeitgebernahen INSM landete das kleinste Bundesland wieder auf dem letzten Platz. Das hat allerdings vor allem strukturelle Gründe: Der Speckgürtel von Bremen, in dem wohlhabende Familien leben, liegt in Niedersachsen. Unter Aulepp war das Ressort zuletzt aber auch durch eine Haushaltssperre und fehlende Kita-Plätze unter Druck geraten. Die oppositionelle CDU hatte im Sommer 2024 ein Misstrauensvotum angestrengt, das Aulepp aber überstand.

Nun übernimmt wohl Rackles – ausgerechnet er, der vehement für Arbeitszeit-Erfassung von Lehrerinnen und Lehrern eintritt – ein Ressort, das bundesweit als eines der problematischsten gilt. Pikant: Bremen ist das einzige Bundesland, das bereits einen Modellversuch zur Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften angekündigt hat. In Kooperation mit der Telekom Stiftung. Und für die hat Rackles auch schon ein Gutachten zur Lehrkräfte-Arbeitszeit geschrieben.

Die KMK, die sich bislang in dieser Grundsatzfrage auf Abwarten und Teetrinken verständigt hat, dürfte aufgemischt werden. News4teachers / mit Material der dpa

Arbeitszeit-Erfassung für Lehrkräfte kommt: Warum das Ende des Deputatsmodells unausweichlich ist – und was das für Schulen bedeutet

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447
1 Monat zuvor

Das ist eine wirkliche spannende Nachricht.

Mal schauen, was von der Position nach der “politischen Einbettung” übrig bleibt…es bleibt spannend.

RainerZufall
1 Monat zuvor

“Gemeinsam mit dem Göttinger Sozialwissenschaftler Frank Mußmann verfasste er im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung ein Gutachten, das das seit 150 Jahren gültige Deputatsmodell als überholt und unzureichend bezeichnet.”

Damit ist jetzt Schluss, nun ist er in Bremen kaltgestellt 😛 Kleiner Scherz.
Eine Chance für Bremen, schade für 15 Bundesländer.

Hysterican
1 Monat zuvor
Antwortet  RainerZufall

Du bist so lustig wie ein auf den Kopf fallender Ziegelstein … aua! 🙁

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

Klar kann der Ziegelstein sich glücklich schätzen, dass er weich fällt und nicht ungebremst auf den Boden knallt. Lieber Ex-Kollege, Du musst gelegentlich auch einmal die Perspektiven wechseln und ausgelatschte Pfade verlassen

RainerZufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

Da hat jemand als Kind nicht “Kevin allein in New York” gesehen 😉

Lera
1 Monat zuvor

AZE ist gut.

Deputate können bleiben – ggf. leicht senken, insbesondere bei Grundschulen, 28 ist schon hart.

Gedöns muss natürlich reduziert werden. Lehrerarbeitszeit muss vor allem in den Unterricht fließen. Andere Aufgaben (insbesondere Xy-Beauftragter) weglassen oder outsourcen.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Lera

AZE = Alte zuerst!
Find ich richtig gut. Ich fordere Altersteilzeit bzw. mehr Altersentlasung. Ab 58 25% und ab 63 50% Reduzierung der jetzt geltenden Deputate. Das schafft auch mehr Arbeitsplätze für jüngere, inovative Kolleg*innen.

Hysterican
1 Monat zuvor

Das begrüße ich ausdrücklich – da kann der Mann mal zeigen, was er so drauf hat und wie durchschlagkräftig sein politisches Gestalten in diesem Amt ist.

Ich werde das sehr aufmerksam verfolgen und bitte n4t darum, uns regelmäßig über die Arbeit und die Erfolge zu informieren.

Es bleibt spannend!

TimTulpe
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

Der Mann konnte zeigen, was er kann. In Berlin als erster Staatssekretär über 8 Jahre bei Sandra Schweres. Jeder wusste, dass sämtliche Ideen in ihr von ihm kamen. In der Zeit ist das Bildungsniveau dort dann extrem abgesackt.
Vor allem, weil er auch entgegen aller Voraussagen immer gegen die Verbeamtung der Lehrer einsetzte und dann nicht einsehen könnte, dass das der Hauptgrund war, warum so viele Lehrer Berlin verließen und der Lehrermangel dort immer größer wurde.

Tim
1 Monat zuvor

Bevor man ins Jubeln verfällt. Der Typ ist für den dramatischsten Lehrermangel in Berlin verantwortlich. Dort halt er hinter der Senatorin Scheeres als graue Eminenz, die fast alles gegen die Warnungen der Lehrerschaft umsetzte. Das Ergebnis ist bekannt.

Daniel Merten
1 Monat zuvor

In Bremen ist doch schon ein Deal mit der Telekom Stiftung gelaufen… da werden jetzt neue Apps entwickelt, für ein ein Bereich der schon tausende Lösungen hat, es gibt sogar welche die perfekt für die Lehrerzeiterfassung entwickelt wurden… aber für Bildung ist kein Geld da;-) Gratulation und Viel Erfolg