Smartphone-Regeln: „So wie es früher Raucherecken gab, könnte es Handyzonen geben“

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HANNOVER. Mit Smartphone-Führerschein, Social-Media-Sprechstunden – und Handy-Ecken auf dem Schulhof: Wie sich die Länder Niedersachsen und Hamburg den künftigen Umgang mit Handys an den Schulen vorstellen.

In der Handy-Ecke… Illustration: Shutterstock

Ein pauschales Handyverbot kommt nicht, aber: Die Schulen in Niedersachsen und Hamburg werden verpflichtet, innerhalb eines Jahres verbindliche Regeln zur Nutzung von Smartphones und Smartwatches zu erarbeiten – gemeinsam mit Eltern und Schülern. Beide Länder haben dafür erstmals gemeinsame Handlungsempfehlungen vorgelegt, die nach Angaben der Kultusressorts in den vergangenen Wochen unter Einbeziehung von Experten erstellt wurden.

Grundschulen: Restriktiver Kurs – mit Ausnahmen

Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) betonte erneut eine klare Linie für die Grundschulen: „Kein Kind braucht in der Grundschule ein Handy“, sagte sie. Die Empfehlung laute dezidiert, mobile Endgeräte dort nicht zu erlauben – Ausnahmen seien allenfalls bei Smartwatches im Flugmodus denkbar. Ihre Hamburger Kollegin, Senatorin Ksenija Bekeris (SPD), unterstrich diese Position nun ausdrücklich: „Kein Kind braucht im Grundschulalter ein Smartphone“, sagte sie. Zwar sei auch in Hamburg kein vollständiges Handyverbot vorgesehen, aber: „Unsere Empfehlungen, die wir hier aussprechen, sind für den Grundschulbereich sehr eindeutig.“

Bekeris betonte zugleich, dass Grundschulkinder noch nicht über die Fähigkeit zur Selbstregulation verfügten. Umso wichtiger sei eine klare Orientierung durch Schulen, Eltern und pädagogische Vorgaben.

Weiterführende Schulen: differenzierte Modelle statt Starrheit

Für weiterführende Schulen sehen die gemeinsamen Empfehlungen flexibel gestaltbare Regelungsmodelle vor: handyfreie Zeiten und Zonen – jedoch keine Verbote. Jugendliche bräuchten Möglichkeiten, sich in einem geschützten Rahmen mit digitalen Geräten auseinanderzusetzen. Niedersachsen und Hamburg verweisen dafür unter anderem auf ein optionales Angebot eines Smartphone-Führerscheins für die Jahrgänge 6 und 7 sowie auf Social-Media-Sprechstunden.

Im Empfehlungskatalog enthalten sind unter anderem: eine rechtliche Einordnung der Handynutzung, altersspezifische Empfehlungen je nach Schulform, praxisnahe Materialien wie Vorlagen für Schulordnungen, Projektideen und Beteiligungsformate. Bekeris sprach von einem „Werkzeugkasten“, der den über 380 staatlichen Schulen in Hamburg helfen solle, rechtssichere und pädagogisch sinnvolle Regeln zu entwickeln.

Bekeris betonte, digitale Teilhabe beginne mit Vertrauen und Bildung: „Schulen müssen Orte sein, an denen junge Menschen lernen, mit digitalen Medien reflektiert und sicher umzugehen – nicht Orte, die den Zugang pauschal verwehren.“ Hamburg ergänzte, sie könne sich räumlich abgegrenzte Lösungen vorstellen. Die Kultusministerin sagte dazu: „So wie es früher Raucherecken gab, könnte es Handyzonen geben.“

„Wir wissen bei all diesen Problemen, dass es einen Zusammenhang mit dem Medienkonsum gibt“

In die Handlungsempfehlungen eingeflossen sind Einschätzungen von Kinderärzten, Neurologen, Psychologen, Pädagogen und Medienwissenschaftlern. Die Göttinger Kinderärztin Tanja Brunnert warnte  vor zunehmenden Entwicklungsstörungen in Sprache, Motorik, Konzentration und Schlafverhalten. „Wir wissen bei all diesen Problemen, dass es einen Zusammenhang mit dem Medienkonsum gibt“, sagte sie. Fast jedes vierte Kind habe ein riskantes Mediennutzungsverhalten.

Marie Sievers vom Landesschülerrat Niedersachsen zeigte sich zufrieden mit dem dialogorientierten Ansatz: „Da müssen alle dran beteiligt werden.“ Auch viele Eltern hätten den richtigen Umgang mit digitalen Medien nie gelernt. Miriam Kaschel vom Landeselternrat Niedersachsen forderte, die Schulen müssten zugleich ihre analogen Angebote verbessern: Bewegung, Erholung, Gespräche.

Kritik kommt von der Hamburger CDU-Opposition. Die bildungspolitische Sprecherin Birgit Stöver bezeichnete die Empfehlungen als „halbherzige Lösung“, da sich viele Lehrkräfte mehr Rechtssicherheit gewünscht hätten. „Es bleibt nun also bei vagen, aber immerhin hamburgweiten Empfehlungen (…) Eine positive Verbesserung der Situation bleibt fragwürdig.“

„Wir weisen die Schulen heute an, dass sie alle eine Regelung haben müssen“

Beide Länder betonten, dass sie ursprünglich auf ein bundesweit einheitliches Verfahren gehofft hatten. „Wir wollten schlichtweg nicht länger warten“, sagte Hamburg. Bekeris ergänzte: Die Empfehlungen zeigten, „was möglich ist, wenn zwei Bundesländer an einem Strang ziehen“. Weitere Partner hätten sich bislang aber nicht gefunden.

„Wir weisen die Schulen heute an, dass sie alle eine Regelung haben müssen“, sagte Hamburg. Bekeris ergänzte: Entscheidend sei, „dass die Schulgemeinschaft die Regeln auf Basis unserer Empfehlungen gemeinsam erarbeitet“. 85 Prozent der Hamburger Schulen hätten bereits entsprechende Regelungen – bis zu den Herbstferien des kommenden Jahres sollen es alle sein. News4teachers / mit Material der dpa

“Unterrichten hat sich deutlich vereinfacht” – ein Schulleiter berichtet, was ein Handy-Verbot in der Praxis bringt (viel!)

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Realist
2 Stunden zuvor

Die Kultusministerin sagte dazu: „So wie es früher Raucherecken gab, könnte es Handyzonen geben.“”

Ah ha, und warum genau hat man dann die Raucherecken abgeschafft? Könnte man doch auch wieder einführen: Raucherecken und paralell Aufklärung im Unterricht über die Folgen von Nikotinkonsum.

Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Rauchen ist gesundheitsschädlich und kann süchtig machen. Ein Glück, dass das bei den Smartphones anders ist!

Mika
2 Stunden zuvor
Antwortet  Realist

Und so, wie sich auf Partys letztlich alles in der Raucherecke traf, trifft sich dann jetzt alles in der Handyecke der Schule??? Muss man das verstehen?

Realist
2 Stunden zuvor
Antwortet  Mika

Nö, am besten gar nicht erst versuchen, wenn man irgendwann auch mental gesund in die Pension will…

Rüdiger Vehrenkamp
1 Stunde zuvor

Oh, da wirds aber vermutlich eng in der Handyzone werden. Am besten man erklärt den kompletten Pausenhof zur Handyzone und spart 5 Quadratmeter aus, wo es nicht benutzt werden darf. Das bildet die Realität etwas wahrscheinlicher ab.

vhh
1 Stunde zuvor

Dann beschliesst mal schön, das wird sicherlich exakt so funktionieren wie geplant. In spätestens drei Jahren haben wir nur noch verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien, der Werkzeugkasten wird es richten.
Wer anfängt, über Details wie Smartwatches im Flugmodus oder einen Smartphone-Führerschein als Lösungswege nachzudenken, hat schon längst die Dimension des Problems nicht mehr im Blick.