Schulfach Wirtschaft? DGB kündigt gemeinsame Linie mit Arbeitgebern

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DÜSSELDORF. Was müssen Schüler zum Thema Wirtschaft lernen? Nicht das, was Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände gerne sähen – meint jedenfalls der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Er fordert jetzt eine „gute sozioökonomische Bildung“ statt „eindimensionaler Betriebs- und Volkswirtschaftslehre“.

Müssen Schüler lernen, wie die Börse funktioniert? US-Börse an der New Yorker Wall Street. Foto: david.niconvscanon / Flickr (CC BY 2.0)
Müssen Schüler lernen, wie die Börse funktioniert? US-Börse an der New Yorker Wall Street. Foto: david.niconvscanon / Flickr (CC BY 2.0)

Der DGB hat eine im Jahr 2000 mit den Arbeitgeberverbänden gemeinsam erhobene Forderung nach Einführung eines Faches Wirtschaft aufgekündigt. Denn: Immer stärker drängten Lobbyisten an die Schulen,  um je nach Interesse Bildungsinhalte zu beeinflussen, so heißt es nun seitens des DGB. „Allen voran versuchen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände die Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler von Wirtschaft und Arbeit in ihrem Sinne zu lenken.“ Ihre Begründung sei: Zu viele Jugendliche verlassen die Schule mit Bildungsdefiziten, mangelnder Ausbildungsreife und mangelndem Wirtschaftswissen. Die Lösung, so laute der Tenor: mehr Wirtschaftsunterricht an allgemeinbildenden Schulen.

Dem stellt sich der DGB jetzt entgegen. Seit dem Vorstoß vor zwölf Jahren habe sich im Bereich der ökonomischen Bildung in allgemeinbildenden Schulen viel getan: In vielen Bundesländern sei in den Lehrplänen gestärkt worden. Zugleich hätten in den vergangenen Jahren Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie wirtschaftsnahe Institute immer vehementer ein Unterrichtsfach Wirtschaft gefordert und hierzu umfassende Bildungsstandards für den Unterricht und die Lehrerausbildung vorgelegt. „ Dabei unterscheiden sich ihre inhaltlichen Forderungen deutlich von denen der Gewerkschaften. Das geforderte Schulfach wird in der Regel auf eine sehr eng geführte wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise (Stichwort: Homo oeconomicus) und die Leitvorstellung von Markteffizienz verkürzt. Ein solches Konzept hat nichts mehr mit dem ganzheitlichen und mehrdimensionalen Unterricht zu tun, wie er in der Vorstellung einer sozioökonomischen Bildung formuliert ist“, so schreiben die Gewerkschafter.

„Ökonomie immer im politischen und sozialen Kontext beobachten“

Konkret bedeute das, „ökonomische Fragestellungen immer im politischen und sozialen Kontext zu betrachten. Das muss ein guter Unterricht an allgemeinbildenden Schulen leisten“. Und: „In einer Welt, die zunehmend in allen Lebensbereichen von Vermarktlichung und Konkurrenz geprägt ist und in der gesellschaftliche Problemlagen als individuelle Defizite und Defekte erscheinen, müssen junge Menschen auch die Gelegenheit haben, kooperative Umgangsformen zu lernen, gemeinsame Interessen zu erkennen, zu vertreten und solidarisches Handeln einzuüben.“ Dazu gehöre es auch, über Mitsprachemöglichkeiten in den Betrieben informiert zu werden.

Die „Privatwirtschaft“ versuche hingegen, Unterrichtsinhalte über Lehrmaterialien zu beeinflussen. Vom Bankenverband bis zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft überfluteten arbeitgebernahe Institutionen und Organisationen die Schulen mit kostenlosen Unterrichtsmaterialien – häufig unterstützt von staatlichen Stellen, Universitätsinstituten oder wirtschaftsnahen Stiftungen und Medienverlagen. „Ihr Ziel ist es, das eigene Wirtschaftsverständnis in den Schulen zu verankern.“ Der DGB lehnt solche „einseitigen Einflussnahmen“ ab.

Widerspruch kommt aus der Wirtschaft. „Richtig ist: Wirtschaftliche Themen sind heute stärker im Unterricht verankert, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war“, meint etwa  Prof. Manfred Weber, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes deutscher Banken. „Doch von einer systematischen und nachhaltigen Wissensvermittlung sind wir im Regelfall noch weit entfernt. Dabei ist klar: Jeder, der aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen und selbstverantwortlich agieren möchte, braucht ein solides Fundament an Wirtschaftsbildung.“  Ökonomische Kenntnisse seien notwendig, um als Verbraucher in wichtigen Fragen rund um Geld und Finanzen die richtigen Entscheidungen zu treffen oder um wirtschaftspolitische Beschlüsse von Parlament und Regierung beurteilen zu können. „Ob es um die Rente mit 67, um Staatsverschuldung oder um Fragen der sozialen Sicherung geht – ohne Wirtschaftswissen kann hier niemand mitreden“, so Weber.

Wirtschaft lasse sich nicht als Anhängsel anderer Fächer unterrichten. Deshalb bleibt seine Forderung: ein eigenes Unterrichtsfach Wirtschaft.

 

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