Echt schön? – Projekt zeigt Weg aus dem Schönheitswahn

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MÜNCHEN.  Schön, schlank, berühmt – davon träumen viele Jugendliche. Doch die Last mit der Schönheit kann krank machen, Magersucht eine der Folgen sein. Auf spielerischem Weg lernen deswegen Schüler in München, wie sie selbstbewusst mit ihrem Äußeren umgehen. Das Projekt «echt schön!» kommt dabei ohne erhobenen Zeigefinger aus.

Fast zwei Drittel der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren schauen sich Casting-Shows wie "Germany's Next Topmodel" im Fernsehen an. Foto: get noticed communications / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Fast zwei Drittel der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren schauen sich Casting-Shows wie "Germany's Next Topmodel" im Fernsehen an. Foto: get noticed communications / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Zehntausende Mädchen wollen Model werden, die Bewerbungen für die Casting-Shows im Fernsehen beweisen es. Manche wollen sich die Traumfigur erhungern. Knapp sechs Prozent der deutschen Frauen leiden an krankhaften Essstörungen wie Bulimie, haben Forscher der Universität Leipzig vor kurzem herausgefunden. In dem Teufelskreis des Schönheitswahns stecken viele Jugendliche fest, meistens Mädchen aber längst auch Jungen. Das eigene Aussehen ist bei den meisten von ihnen immer ein Thema, es geht um Lust und um Last.

Um den Kindern einen natürlichen und selbstbewussten Umgang mit ihrem Körper zu ermöglichen, läuft derzeit in München das Projekt «echt schön!». Mit Mode-, Kunst-, Video- oder Tanzworkshops sollen Schüler auf spielerische Weise angeregt werden, sich mit Themen wie Schönheits-Operationen, Piercings oder Magersucht auseinanderzusetzen. Das Interesse ist groß: Rund 30 Schulklassen haben sich bei dem noch bis 19. Mai laufenden Ausstellungs- und Mitmachprojekt angemeldet, berichtet Projektleiter Albert Kapfhammer. Alle Termine seien ausgebucht.

Mode-Knigge an der Schule

Im Jugendzentrum Pasinger Fabrik ist an diesem Tag eine 7. Klasse aus der nahen Mittelschule zu Gast. Kapfhammer beginnt mit einer Frage an die Jugendlichen: «Wer hat sich heute schon mit seinem Aussehen beschäftigt?» Die Reaktionen sind verhalten, die Mädchen haben die Schüchternheit noch nicht abgelegt, die Buben blödeln etwas herum. Einer sagt dann, wenn er in die Schule gehe, mache er sich nicht so viel Gedanken um seine Kleidung, bei Freizeitaktivitäten sehe das schon anders aus.

Der Pädagoge bleibt angesichts der Fast-Egal-Haltung der 20 Schüler skeptisch, und Lehrerin Christiane Riehn klärt später auf, dass in Wahrheit Make-up und das Outfit gerade jetzt vor dem Sommer bei den Schülerinnen wieder ganz große Themen werden – zu sexy darf das Ganze nicht sein: «Wir haben gesagt, dass wir keine zu großen Ausschnitte wollen», beschreibt Riehn den Mode-Knigge an der Schule. Natürlich gilt auch für die Lehrer eine Kleiderordnung: «Wir haben vereinbart, dass wir Lehrer keine Flip-Flops tragen.»

In den Arbeitsgruppen legen die Pasinger Hauptschüler schnell ihre Scheu ab. Im improvisierten Modeatelier erzählt ein Mädchen: «Ich gebe für meine Klamotten schon viel Geld aus.» Dann erklärt sie, wie sie durch geschickte Wahl der Farben oder Accessoires ihre Problemzonen kaschiert. Wenig später schneidern die Jugendlichen aus Stoffresten Kleider in Puppengröße. Unterdessen stylen sich im benachbarten Fotostudio Mitschülerinnen und posen für die Kamera. Eine weitere Gruppe setzt sich nebenan im Hip-Hop-Crashkurs mit ihrem Schönheitsideal auseinander. Tänzer Noah erzählt später begeistert in die Kamera der Videogruppe: «Wir haben gerade eine coole Choreographie einstudiert.»

Die Macher vom Münchner Verein Kultur & Spielraum, der seit vier Jahrzehnten auf solche Jugendprojekte spezialisiert ist, haben rund um die Workshops auch eine Ausstellung erarbeitet, die zum Nachdenken anregt. Da gibt es ein satirisches Werbeplakat einer fiktiven Schönheitsklinik, die OPs zu Schleuderpreisen verramscht: «Angebot des Monats: Nasen-OP nur 45,99 €». Nebenan grüßt der tätowierte «Fußballgott und Trendsetter» David Beckham und die Kinder erfahren, dass sich jedes zweite Mädchen im Alter von 15 bis 17 «zu dick» findet.

Doch die Schautafeln werden von den Jugendlichen nur im Vorbeigehen beachtet, zu sehr sind sie in ihren Workshops gefangen. Organisator Kapfhammer findet es nicht weiter schlimm, dass die Schüler so wohl nur Fragmente der Schönheits-Dokumentation aufschnappen. «Eine klassische Ausstellung würde sie schnell langweilen», weiß er. Solche Probleme könne man heutzutage nicht mehr mit dem erhobenen Zeigefinger anpacken. Das Gegenrezept für Kapfhammer und seine Kollegen heißt «Kulturpädagogik». «Es geht darum, sich mit Lust dem Thema zu nähern», sagt er. ULF VOGELER, dpa

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