Unfreiwillig geoutet – das Leben des Religionslehrers Kimmerle mit seiner Homosexualität

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STUTTGART. Seit neun Jahren steht Religionslehrer Klaus Kimmerle offen zu seiner Homosexualität. Seine Kollegen und die Schüler haben damit kein Problem. Wenn «Liebe und Partnerschaft» auf dem Lehrplan stehen, gibt es oft sogar spannende Diskussionen.

Mehr Offenheit für Homosexuelle an Schulen – was die Landesregierung durch einen neuen Bildungsplan erreichen will, ist für Klaus Kimmerle längst Alltag. Vor neun Jahren wurde der heute 44 Jahre alte Lehrer unfreiwillig geoutet – von einem Kollegen. Erst hat er sich geärgert, doch inzwischen redet Kimmerle auch im Unterricht offen mit den Schülern über seine Homosexualität. «Ich denke, dass es da durchaus Bedarf nach Aufklärung gibt», sagt der Lehrer aus Stuttgart.

Ein schwuler Schulleiter ist mancherorts offenbar noch immer ein Problem. Foto: Elsie esq. / Flickr (CC BY 2.0)
Die Homosexualität muss nicht ständig Thema sein, findet Berufsschullehrer Kimmerle. Foto: Elsie esq. / Flickr (CC BY 2.0)

Seit elf Jahren unterrichtet Kimmerle an der Stuttgarter Louis-Leitz-Schule Religion und Mathematik. Seit neun Jahren wissen viele Schüler und Kollegen, dass er schwul ist. Als der andere Lehrer das damals gegen seinen Willen öffentlich machte, entschied er sich schnell, offensiv mit dem Thema umzugehen. Er gab seinen Kollegen und den Schülern die Möglichkeit, ihm Fragen zu stellen. Trotzdem bindet er seine Homosexualität nicht jedem gleich auf die Nase. «Ich sehe es nicht ein, dass ich mich mit meiner sexuellen Identität bei Schülern vorstellen muss. Das mache ich ja sonst auch nie.»

Trotzdem gebe es Situationen im Unterricht, in denen es sinnvoll sei, ganz offen über das Thema zu reden – vor allem, wenn ihn die Klasse schon ein wenig besser kenne. «Wenn es von Schülerseite thematisiert wird, würde ich es für notwendig erachten, mich zu outen. Ich finde es wichtig, dann in der Lage zu sein, eine klare Position zu beziehen.»

Um das Thema jungen Menschen zugänglicher zu machen, bettet er es bei Bedarf im Unterrichtsblock «Liebe, Partnerschaft und Sexualität» ein. Im Religionsunterricht ist Kimmerle, der auch evangelischer Pfarrer ist, mit diesen Themen ohnehin regelmäßig konfrontiert.

In Stuttgart habe er bei den Schülern bisher nie negative Erfahrungen gemacht. Die Aussage des Kultusministers Andreas Stoch (SPD), dass Lehrern häufig der Mut fehle, sich zu outen, könne er dennoch verstehen. Zu Kimmerles Schule gehört eine Berufsschule und ein Wirtschaftsgymnasium – das heißt, seine Schüler sind alle schon älter. «Die Situation an allgemeinbildenden Schulen ist eine ganz andere, als an Berufsschulen. Dort sind die Schüler jünger und die Thematik ist schwieriger zu erklären», sagt er.

Dass Grün-Rot die sexuelle Vielfalt als Unterrichtsthema stärken will, sieht Kimmerle als wichtigen Schritt. «Jetzt ist einmal die Chance gegeben, den Blickwinkel zu erweitern und mehr Farben ins Spiel zu bringen.» Das Thema müsse an Normalität gewinnen. «Auch homosexuelle Menschen haben ihren Platz in der Gesellschaft. Das heißt ja nicht, dass man sie in jedem Schulbuch auf jeder zweiten Seite thematisieren muss – aber immer dann, wenn es sinnvoll erscheint.» Christian Reichel/dpa

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