Mit steigendem Testosteronspiegel wächst die jugendliche Ungeduld – Wissenschaftler raten Pädagogen: Kurzfristige Belohnungen sind efffektiver als langfristige

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BERLIN. Geduld ist nicht ihre Stärke: Oft muss es für Jugendliche sofort sein, auch wenn sich Warten auszahlen würde. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und der Universität von Kalifornien, Berkeley, machen den sprunghaften Anstieg des Testosteronspiegels in der Pubertät für die jugendliche Ungeduld verantwortlich. Sie haben in einer jüngst veröffentlichten Studie erstmals die Rolle von Hormonen bei impulsiven Entscheidungen untersucht. Da Jungen impulsiver sind als Mädchen, konzentrierten sich die Wissenschaftler in ihrer Studie auf die Untersuchung von Jungen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren.

Zur Ermittlung ihres Pubertätsstatus gaben die insgesamt 72 Heranwachsenden zwei morgendliche Speichelproben zur Bestimmung ihres Testosteronspiegels ab. Um mehr über ihr impulsives Verhalten zu erfahren, absolvierten die Studienteilnehmer zusätzlich einen Entscheidungstest. Sie mussten insgesamt 80 Entscheidungen über einen hypothetischen Geldbetrag treffen, der unterschiedlich nah oder fern in der Zukunft angeboten wurde. So konnten sie zwischen einem baldigen, kleineren Geldbetrag oder einem höheren Geldbetrag in der ferneren Zukunft wählen.

Kein Berufsnachwuchs gefunden? Selbst schuld, sagt Experte Haitzer - es gibt genug leistungsbereite Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen. Foto: Ciokka / flickr (CC BY 2.0)
Zu impulsiv? das Testosteron ist schuld, sagen Forscher.  Foto: Ciokka / flickr (CC BY 2.0)

Die Studie zeigt, dass ein Großteil der Heranwachsenden empfänglicher für unmittelbare Belohnungen ist. Etwa zwei Drittel der Studienteilnehmer entschieden sich im Durchschnitt für den kleineren Geldbetrag, der schneller zu haben war. Sensibilität in Bezug auf unmittelbare Belohnungen bringen die Wissenschaftler mit den Effekten des Testosterons auf bestimmte belohnungsbezogene Hirnregionen in Verbindung. Das rein chronologische Alter der Studienteilnehmer kann diese Sensibilität nicht erklären. Erst mit zunehmendem Alter fällt der Zeitpunkt der Belohnung weniger ins Gewicht. „Unsere Untersuchung macht deutlich, dass in entwicklungspsychologisch orientierten Studien gerade das pubertäre Alter – gemessen an der körperlichen und hormonellen Reife – berücksichtigt werden sollte. Entwicklungsunterschiede können oft nicht am chronologischen Alter festgemacht werden“, sagt Erstautorin Corinna Laube vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Die Studie ist ein weiterer Schritt zum besseren Verständnis von impulsivem Entscheidungsverhalten von Jugendlichen und ergänzt die Ergebnisse einer Vorgängerstudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Demnach ist eine erhöhte Impulsivität von Jugendlichen auf ein Ungleichgewicht in der Reifung des subkortikalen affektiven Netzwerkes und des kortikalen kognitiven Kontrollnetzwerks im Gehirn sowie ihrer Verbindungen zurückzuführen. Das affektive Netzwerk – besonders das Striatum –, das an der Wahrnehmung und Bewertung von Belohnungen beteiligt ist, reift schneller als das Kontrollnetzwerk und seine Verbindungen. Erst mit zunehmendem Alter wird die Verbindung zum Kontrollnetzwerk stärker und Jugendliche lernen, sich zu gedulden und zukünftige Belohnungen wertzuschätzen. In einer Folgestudie wird nun die Funktion von Testosteron innerhalb dieser Netzwerke untersucht und geklärt, inwieweit Testosteron jenes Ungleichgewicht beeinflusst und somit die Anfälligkeit von Jugendlichen für impulsive Entscheidungen erklärt.

„Impulsivität gehört zum Erwachsenwerden und ist Teil einer gesunden Entwicklung. Jugendliche eignen sich damit neue Fähigkeiten an, die sie als eigenständiges Individuum brauchen. Doch Jugendliche können sich mit ihrem impulsiven Verhalten auch schaden“, sagt Ko-Autor Wouter van den Bos vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Aus erzieherischer Perspektive kann es vor dem Hintergrund der vorliegenden Studienergebnisse ratsam sein, gutes Verhalten von Jugendlichen kurzfristiger zu belohnen, anstatt auf Belohnungen in der Zukunft zu verweisen. nin

Mehr Informationen über die Studie hier

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