Einfluss früher Lehrer-Schüler-Beziehungen auf die Schullaufbahn nur temporär

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CAMBRIDGE. Die Figur des „einen entscheidenden Lehrers“ ist ein gängiges Klischee der Populärkultur. Langfristig hat eine starke Lehrer-Schüler-Beziehung aber offenbar kaum Einfluss auf das schulische Engagement junger Menschen, so eine aktuelle Studie.

Lehrer-Schüler-Beziehungen sind wichtig – aber… Foto: Shutterstock.

Eine positive Beziehung zu einem Lehrer in jungen Jahren kann dazu beitragen, dass sich Kinder stärker in der Schule engagieren, aber nicht unbedingt auf lange Sicht. Das zeigt eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den Ioannis Katsantonis von der Universität Cambridge. Die Wissenschaftler untersuchten Daten von rund 3.600 jungen Menschen in Australien, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Alter zwischen acht und 15 Jahren gesammelt wurden. Der Grad des schulischen Engagements der Schülerinnen und Schüler, also ihr Interesse an der Schule und ihre Lernbereitschaft, schwankte in diesem Zeitraum teils stark, insbesondere während des entscheidenden Übergangs von der Grundschule zur weiterführenden Schule.

Während Darstellungen des Unterrichtens in der Populärkultur oftmals nahelegten, dass ein einzelner Lehrer die Schullaufbahn eines Schülers verändern kann, deuteten die Ergebnisse der Studie Katsantonis zufolge darauf hin, dass die Engagementsmuster der Schülerinnen und Schüler differenzierter sind. Die Förderung eines dauerhaften schulischen Engagements junger Menschen erfordere nachhaltige und kollektive Anstrengung, um positive Beziehungen sowohl zwischen Lehrern als auch zwischen Lehrern und Schülern aufzubauen, so der Bildungspsychologe.

Die langfristigen Auswirkungen einer starken Beziehung von Schülerinnen und Schülern zu ihren Lehrerinnen und Lehrern zu Beginn der Grundschule hätten sich laut der Untersuchung bestenfalls als gering gezeigt. Es habe nahezu keine Hinweise auf positive Auswirkungen auf das Engagement von Schülerinnen und Schülern gegeben, die daraus resultieren könnten, dass diese Schülerinnen und Schüler im Alter von acht oder neun Jahren eine starke Bindung zu ihrem Lehrer hatten, die auch mit zunehmendem Alter anhielten.

Die gute Nachricht für Lehrkräfte: Umgekehrt impliziere das Ergebnis, dass jede Lehrerin und jeder Lehrer potenziell einen positiven Einfluss auf das Engagement und das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern in der Schule haben könne, unabhängig davon, wie unmotiviert sich diese in der Vergangenheit gefühlt haben.

Insgesamt stellte der Forscherinnen und Forscher fest, dass die Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 10 und 11 und 12 und 13 Jahren in drei ziemlich klare Gruppen eingeteilt werden konnten: diejenigen, die „überwiegend unengagiert“ waren, diejenigen, die „mäßig engagiert“ schienen, und diejenigen, die sich „sehr engagiert“ gezeigt hätten. Ein erheblicher Anteil (rund 15 %) waren im Alter von 10 und 11 Jahren größtenteils nicht mehr engagiert, und dieser Anteil stieg mit Beginn der weiterführenden Schule leicht auf 18 % an. Jungen gehörten häufiger zu dieser Gruppe als Mädchen.

Deutlich sei jedoch besonders geworden, dass viele Schülerinnen und Schüler zwischen zwei Zeitpunkten der Datenerhebung in andere Gruppen wechselten. Ungefähr 43 % der Schüler, die im Alter von 10 und 11 Jahren größtenteils nicht engagiert waren, wechselten im Alter von 12 und 13 Jahren die Gruppe; 34 % der mäßig engagierten Gruppe und 49 % der sehr engagierten Schülerinnen und Schüler wechselten ebenfalls die Kategorie.

„Selbst wenn ein Lehrer unglaublich hart arbeitet, um einem Kind in der Grundschule zu helfen, bedeutet das nicht unbedingt, dass man fünf oder zehn Jahre später einen Schüler vorfindet, der gefestigt, glücklich und engagiert beim Lernen ist“, so Ioannis Katsantonis. „Einige Aspekte des Engagements bleiben zwar stabil, es gibt jedoch auch große Schwankungen.“

Relativ wenige Studien hätten bislang untersucht, wie sich das Engagement von Schülerinnen und Schülern im frühen Jugendalter entwickelt. Einige davon ebenso wie die aktuelle Untersuchung deuteten jedoch darauf hin, dass das Engagement der Jugendlichen in den ersten Jahren der weiterführenden Schule häufig abnimmt. Um diese Mechanismen zu verstehen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch, inwieweit sie mit dem Zugehörigkeitsgefühl von Schülerinnen in der weiterführenden Schule zusammenhängen, also damit, inwieweit sie sich von Lehrerinnen und Lehrern sowie ihren Klassenkameradinnen und -kameraden akzeptiert, einbezogen und respektiert fühlten.

Hatte eine starke Lehrerbeziehung in jungen Jahren nur einen sehr schwachen Effekt auf die Verhinderung eines Rückzugs im Alter von 12 und 13 Jahren, sei in der Untersuchung ein allgemeines Zugehörigkeitsgefühl zur Schulgemeinschaft im gleichen Alter stark mit einem höheren Engagement verbunden gewesen. Wenn Schüler das Gefühl hatten, dass sie nicht nur von ihren Lehrern, sondern auch von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern respektiert und geschätzt wurden, zeigten sie eher eine positivere Einstellung und ein größeres Engagement.

Die Studie liefert auch Hinweise darauf, dass Schüler, die sich zu Beginn der weiterführenden Schule stärker engagiert fühlten, langfristige akademische Vorteile verzeichnen. Diejenigen, die im Alter von 12 und 13 Jahren in die Kategorien „mäßig“ oder „stark engagiert“ fielen, schnitten zwei Jahre später bei standardisierten Rechen-, Schreib- und Rechtschreibtests im Allgemeinen besser ab.

Dieser Zusammenhang zwischen Engagement und akademischen Ergebnissen weise darauf hin, so Ioannis Katsantonis, dass sichergestellt werden müsse, dass Jugendliche das relationale Schulklima im Hinblick auf den gegenseitigen Respekt, positive Werte und positive Beziehungen durchweg positiv und integrativ erleben könnten. „Eines der wichtigsten Dinge, die man beim schulischen Engagement junger Menschen begreifen muss, ist, dass Kontinuität nicht garantiert ist“, fügte er hinzu. „Lehrer sind für Kinder von großer Bedeutung, aber sie sind dies in jeder Phase. Kontinuierliche und konsequente Aufmerksamkeit für das schulische Umfeld ist von entscheidender Bedeutung.“(pm)

„Wachstumsorientierte Denkweise“: Welche Lehrkräfte von Schülern gemocht werden

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5 Kommentare
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Unfassbar
13 Tage zuvor

Wie genau wurden die Kinder eingeteilt? Im Artikel steht sowohl „engagiert waren“ als auch „sich engagiert fühlten“.

Insgesamt zeigt es sich (mal wieder), dass die Lehrer weitgehend wieder in die Rolle der Wissensvermittler zurückkehren sollten, weil alles andere nicht viel bringt. Das soziale Umfeld, die insbesondere vorschulische Erziehung durch die Eltern, sind erheblich relevanter.

Alx
13 Tage zuvor

Nicht entmutigen lassen.
Hier das Beispiel eines Profifussballers, das mich jedes Mal sehr rührt.

https://youtu.be/omPdemwaNzQ?si=HdYWahHRFx-jsb3B

Es ist auf Englisch, Fußball-Nationalspieler Ian Wright wird von seinem totgeglaubten Lehrer besucht.

Dil Uhlenspiegel
13 Tage zuvor

Über Einflüsse von vor der le

Dil Uhlenspiegel
13 Tage zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

(Und da brach die KI ab … schade, wir werden es nie erfahren, ob sie im Gedankengang stockte oder nur leise lachte.)

Indra Rupp
12 Tage zuvor

Ergebnis:
Mit einer frühen, guten Lehrer-Schüler-Beziehung kann man keine Pubertät verhindern!