Zu zögerlich bei der Inklusion? Bündnis kritisiert Löhrmann

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DÜSSELDORF. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) ist vom Bündnis „Eine Schule für alle“, einem Zusammenschluss von 52 Organisationen, scharf kritisiert worden. In Sachen Inklusion habe sie „trotz Ankündigungen und immer neuen Versprechungen“ bislang nichts Konkretes auf den Weg gebracht.

Von der eigenen Parteijugend ins Visier genommen: Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto:Schulministerium NRW / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)
Von der eigenen Parteijugend ins Visier genommen: Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto:Schulministerium NRW / Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

„Die vom Schulministerium nach der Landtagswahl mehrfach angekündigten Termine für die Eckpunkte eines Inklusionsplans zur Umsetzung der UN-Konvention wurden immer wieder verschoben und lassen bis heute auf sich warten“, monieren die Initiatoren, darunter – pikanterweise – die Grüne Jugend NRW, die Gewerkschaft Verdi, die „LandesschülerInnen-Vertretung“, einige GEW-Stadtverbände und das Deutsche Kinderhilfswerk. „Auch der vom Ministerium eingerichtete Gesprächskreis Inklusion diente lediglich der Vertröstung der Teilnehmer, aber nicht der produktiven Erarbeitung von Empfehlungen für einen Inklusionsplan.“ Mehr noch: Die Partizipation der Beteiligten sei bislang „eine Farce“. Dabei sei die UN-Behindertenrechtskonvention seit 2009 geltendes deutsches Recht. „Eine politische Umsetzung in NRW ist jedoch bislang nicht erfolgt“, heißt es. „Die Zwangszuweisungen an die Förderschule finden nach wie vor statt.“

Die Ministerin habe lediglich mit einem Erlass klargestellt, dass im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelung der Wunsch der Eltern weitgehend berücksichtigt werden solle. Dass damit keine Rechtssicherheit verbunden sei, zeigten zahlreiche Klageverfahren gegen Zwangszuweisungen zur Förderschule. “In wie vielen Fällen dem Elternwunsch nicht entsprochen wurde und mit welcher Begründungen dieser abgelehnt wurde, wird vom Ministerium leider statistisch nicht erhoben“, moniert das Bündnis. Es fordert eine unverzügliche Novelle des NRW-Schulgesetzes, mit der das individuelle Recht auf inklusive Bildung für Kinder aller sonderpädagogischen Förderschwerpunkte in NRW rechtsverbindlich umgesetzt werde. „Zwangszuweisungen zur Förderschule darf es nicht mehr geben“, verlangt die Initiative.

Löhrmann wies den Vorwurf einer „zögerlichen Haltung“ zurück. „In der Tat befinden wir uns bereits mitten in der Umsetzung unseres Plans hin zur Inklusion“, sagte sie. So habe die Landesregierung die Schulaufsicht gebeten, Eltern von Kindern mit Behinderungen, die dies wünschten, vorrangig einen Platz im Gemeinsamen Unterricht anzubieten. Eine Zuweisung von Kindern zur Förderschule gegen den Willen der Eltern sollte unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten vermieden werden. Löhrmann: „Dies scheint – anders als in den Jahren zuvor – weitgehend gelungen zu sein.“ Darüber hinaus habe die Landesregierung 390 zusätzliche Stellen vor allem für die weiterführenden Schulen zur Verfügungen gestellt, um den Gemeinsamen Unterricht zu stärken. Fortbildungsmoderatoren, die den Ausbau unterstützen sollen, würden derzeit ausgebildet. Das Ministerium arbeite zudem an einem Entwurf für ein neues Schulgesetz, das zu einem inklusiven Bildungssystem führen soll. „Beim Ziel sind wir uns einig: Kinder mit und ohne Behinderungen sollen gemeinsam aufwachsen und lernen“, unterstrich Löhrmann. Sie räumte allerdings ein, dass mehr Zeit nötig sei als erwartet, um einen breiten politischen Konsens zu erreichen. In Gesprächen mit den Beteiligten – mit Eltern- und Lehrerverbänden, Schulträgern, Personalräten und Gewerkschaften – seien unterschiedliche Interessenlagen deutlich geworden.

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Der VBE verteidigt die Ministerin

Der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) verteidigte die Ministerin gegen die Kritik. „Der VBE begrüßt es, dass Schulministerin Löhrmann auch beim Thema Inklusion bestrebt ist, einen möglichst breiten politischen Konsens aller Beteiligten zu erreichen“, sagte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Er warnte davor, einzelne Schulen aufgrund einzelner Elterninteressen unter Druck zu setzen, inklusiv zu beschulen, obwohl die Rahmenbedingungen nicht stimmten. Eine inklusive Schule sei nicht kostenneutral zu haben. „Vorschnelle Entscheidungen sind hier eindeutig fehl am Platz“, betonte Beckmann. „Inklusion lässt sich nur mit und nicht gegen die Beteiligten umsetzen. Dabei ist es wichtig, auch wenn das Thema Inklusion ein hoch sensibles ist, Kritik auf real entstehende Situationen nicht einfach als Ausrede vom Tisch zu wischen.“ Jeder müsse an seinem Platz, mit seinem Erfahrungshorizont, mit seinen Anregungen, aber auch mit seinen Ängsten ernst genommen werden. „Die Schule darf keine inklusive Insel sein. Schulische Inklusion kann nur gelingen, wenn das Thema Inklusion von der Gesellschaft insgesamt angenommen und gelebt wird“, unterstrich Beckmann.

Zum Bericht: „Die KMK legt Empfehlungen zur Inklusion vor – und erntet Kritik“

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