Schläge und Rassismus? „Zwölf Stämme“ weisen Vorwürfe zurück

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AUGSBURG. Die Vorwürfe sind massiv. Stockschläge gehörten für die Schüler der Privatschule der «Zwölf Stämme» im bayerischen Landkreis Donau-Ries zum Alltag, heißt es. Außerdem würden rassistische Lehren verbreitet. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft jetzt, ob Ermittlungen gegen die fundamentalistische Gruppe einzuleiten sind. Sie selbst hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.

"Unsere Liebe füreinander durchbricht die Barrieren von Nationalität, Rasse und Kultur", schreiben die "Zwölf Stämme" über sich selbst. Foto: hekris / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
"Unsere Liebe füreinander durchbricht die Barrieren von Nationalität, Rasse und Kultur", schreiben die "Zwölf Stämme" über sich selbst. Foto: hekris / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

„Wir sind eine Glaubensgemeinschaft. Unsere Liebe füreinander durchbricht die Barrieren von Nationalität, Rasse und Kultur. Unser geistiges Leben und die Liebe, die wir miteinander teilen, kommen von dem Gott, der Liebe ist und der alles Gute gemacht hat.“ So lautet die Selbstdarstellung der „Zwölf Stämme“, einer urchristlichen Gemeinschaft, die in den USA gegründet wurde und in Deutschland rund 100 Mitglieder hat. Der Name leitet sich von den biblischen zwölf Stämmen Israels ab. Die Anschuldigungen, die Aussteiger nun gegenüber dem Magazin „Focus“ erhoben haben, zeugen hingegen von einer weniger friedlichen Realität. Sie seien über Jahre hinweg mehrmals am Tag geschlagen worden, berichteten sie. Und: Im Unterricht der Privatschule werde gelehrt, dass «Afrikaner verflucht sind» und «Neger den Weißen dienen müssen». In der Privatschule der Gemeinschaft werden aktuell 32 Kinder unterrichtet.

Schulamt soll Schule zehn Mal im Halbjahr besucht haben

«Die Vorwürfe gegen die Gruppe „Zwölf Stämme“ sind uns bekannt», hieß es bei der Staatsanwaltschaft Augsburg. «Nun müssen wir prüfen, ob strafrechtlich relevante Sachverhalte vorliegen.» Auch das bayerische Kultusministerium kündigte eine konsequente Überprüfung an. Allerdings habe das örtliche Schulamt die private Ergänzungsschule in Klosterzimmern etwa zehn Mal im Halbjahr besucht und bisher keine Hinweise auf Körperverletzung oder rassistische Äußerungen gefunden. Auch das Jugendamt sei tätig gewesen.

Die Gemeinschaft selbst hat die Vorwürfe mittlerweile zurückgewiesen. In einer schriftlichen Stellungnahme beschreibt sich die Gruppeals «offene und transparente Gemeinschaft, die keine Form von Kindesmisshandlung duldet.» Die Kinder wüchsen in einer «liebevollen Umgebung» auf und würden «im Geist der Nächstenliebe erzogen». Außerdem lebten in der Glaubensgemeinschaft «Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Nationalität brüderlich zusammen».

Die Schule ist allerdings seit ihrer Gründung 2006 umstritten. Die bibelfrommen Urchristen der „Zwölf Stämme“ wollten ihren Kindern Sexualkunde und Evolutionslehre ersparen – und hatten deshalb die Schulpflicht aus religiösen Gewissensgründen abgelehnt und ihre Kinder selbst unterrichtet. Zunächst ohne Erlaubnis, was zu einem spektakulären Polizeieinsatz führte: Rund 50 Polizisten hatten damals die rund 30 Kinder der Gemeinschaft zwangsweise in die öffentliche Schule gebracht. Im November 2004 waren sieben Väter sogar in Erzwingungshaft genommen worden, die auch den Müttern angedroht worden war. Zuvor hatte die Gemeinschaft hohe Buß- und Zwangsgelder nicht bezahlt.

Vertreter der Gruppe einigten sich dann mit dem Landratsamt und dem Schulamt auf eine Lösung. Auf dem Gut der Gemeinschaft wurde eine Privatschule eingerichtet – unter staatlicher Aufsicht. Die Kosten für den Unterricht trägt die Glaubensgemeinschaft. Die Eltern dürfen die Lehrer, die ihre Kinder unterrichten, selbst aussuchen.

Die Form des gebilligten Eigenunterrichts in Klosterzimmern ist laut Kultusministerium eine „Notlösung“, in der es vorrangig darum gehe, das Recht der Kinder auf Bildung zu schützen. Es sei bedauerlich, dass die betroffenen Kinder keinen Kontakt zu einem sozialen oder kulturellen Umfeld hätten. Sie haben aber die Möglichkeit, einen Hauptschulabschluss extern zu absolvieren.

Die Grünen im Landtag hatten den Kompromiss kritisiert und erklärt, es sei nicht im Interesse der Kinder, dass der Staat für eine „fragwürdige Glaubensgemeinschaft“ Freiräume schafft, in denen die Kinder der allgemeinen Schulpflicht entzogen würden. Dazu hieß es aus dem Kultusministerium, Polizeivorführungen und Beugehaft führten dauerhaft nicht zu einem Lernerfolg bei den Kindern. Aus dieser „Zwangslage“ sei es zu diesem Kompromiss gekommen.

Die „Zwölf Stämme“ sind laut „Wikipedia“ streng hierarchisch gegliedert. Die männlichen Mitglieder würden „Brüder“, die weiblichen „Schwestern“ genannt. Letztere seien ersteren untertan. Der Tagesablauf sei streng reguliert, auch die Kleidung: Männer trügen in aller Regel Bärte und langes Haar. Dies werde biblisch und aus der Tradition des Judentums heraus begründet. Frauen trügen weite Hosen, Röcke oder Kleider. Die „Brüder“ und „Schwestern“ müssten hart und lange arbeiten, bekämen keinen Lohn und verzichteten auf persönliches Eigentum. Krankenversicherung werde wie jede staatliche Sozialleistung abgelehnt. NINA BRAUN, mit Material von dpa
(21.5.2012, aktualisiert am 22.5.2012)

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