DÜSSELDORF (Mit Leserkommentaren). Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hat die Schulen ermuntert, Mädchen und Jungen teilweise auch getrennt zu unterrichten. Dies könne – zumindest zeitweise – etwa in Naturwissenschaften, Mathematik oder Informatik sinnvoll sein, sagte Löhrmann. Studien zeigten, dass sich Schülerinnen in diesen Fächern besser in Mädchen-Gruppen entwickelten als in Gruppen, die Jungen und Mädchen gleich unterrichten.
“Es kommt darauf an, dass wir dem unterschiedlichen Zugang von Jungen und Mädchen zum Lernen gerecht werden”, sagte die Grünen-Politikerin. Dies gehöre zum Anspruch individueller Förderung von Schülern dazu. Die sogenannte reflexive Koedukation müsse aber ausdrücklich nicht zu vollkommen getrennten Mädchen- und Jungenschulen führen. “Das ist in Nordrhein-Westfalen die große Ausnahme.” Nach Angaben des Ministeriums gibt es unter den rund 6500 allgemeinbildenden Schulen in NRW nur 29 reine Mädchen- und 12 Jungenschulen mit insgesamt rund 22 500 Schülern.
Grundsätzlich seien die öffentlichen wie die privaten Schulträger frei, solche Schulen einzurichten, sagte Löhrmann. Eine komplette Trennung sei für eine gezielte Förderung von Mädchen und Jungen aber nicht nötig. Möglich seien auch zeitweilig getrennte Kurse oder nach Jungen und Mädchen getrennte Gruppen in einer Klasse zur Bearbeitung bestimmter Themen – auch unter verschiedenen Aufgabenstellungen.
“Lehrkräfte müssen darauf vorbereitet werden, dass Mädchen einen anderen Zugang brauchen, um anzubeißen”, sagte Löhrmann. “Mädchen brauchen eher einen Anwendungsbezug, während viele Jungen Technik an sich fasziniert.” In Chemie etwa wollten Mädchen vor allem wissen: Wofür brauche ich das? “Wenn sie dann wissen, dass das zum Beispiel für Kosmetik interessant ist, haben sie einen eigenen Zugang.”
Daher könne es sinnvoll sein, an Experimentierstationen oder bei der Arbeit mit dem Computer Mädchen- und Jungen-Tische zu bilden, die unterschiedliche Aufgaben bearbeiten. In Fächern, in denen Jungen traditionell vorne seien, brächten sich Mädchen zum Teil nicht ein, ließen eher die Jungen machen und lernten es dann nicht selbst.
Von getrennter Arbeit in gleichgeschlechtlichen Lerngruppen könnten aber auch Jungen profitieren, betonte Löhrmann. Dies gelte beispielsweise für die Leseförderung. “Da muss man eher zum Sachbuch oder zu den Wilden Kerlen greifen statt zu Hanni und Nanni, damit Jungen Spaß am Lesen bekommen.”
Schüler könnten sich in Jungen-Gruppen auch leichter Sachverhalten nähern, bei denen ansonsten “Betroffenheit in Albernheit umschlägt”, sagte Löhrmann. Deshalb könne es in Klassen mit pubertierenden Schülern sinnvoll sein, etwa den Aufklärungsunterricht in getrennten Gruppen zu erteilen. Generell hänge dies von der Zusammensetzung und dem Sozialgefüge in der Klasse ab. “Es gibt da kein Einheitsmuster.” dpa
Zum Bericht: “Schluss mit Monoedukation: Wenn sich eine Mädchenschule öffnet”
(04.06.2012)
Ja, im Mittelwert gibt es Unterschiede zwschen den Gruppen: in den Interessen, in Zugangsweisen usw. Aber die Streuung INNERHALB der Jungen- bzw. Mädchengruppen ist wesentlich größer. Darum macht es wenig Sinn nach Geschlecht zu trennen (wie auch nicht nach Schicht, Religion, Herkunft…), sondern eher konkret Themen, Aufgaben selber wählen zu lassen. Und dann am wichtigsten: Es muss ein Raum erhalten beiben/ angeboten werden, in dem diese Unterschiede zum Austausch kommen, damit Kinder auch “das Andere” kennenlernen.
Zum Kommentar von Hans Brügelmann passt sein Interview mit spektrum.de:
http://www.spektrum.de/alias/paedagogik/wir-brauchen-einen-unterricht-der-offen-ist-fuer-die-vielfalt/1124317