Lehrstellenmarkt 2012: Entspannung Ja – aber kein Jubel

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BERLIN. Gute Nachricht zum Start des neuen Ausbildungsjahres: Die Lage ist entspannt, die ungewissen Konjunkturaussichten haben nicht zu einem Nachlassen der Ausbildungsbereitschaft bei den Betrieben geführt.

Besonders im Einzelhandel und in der Gastronomie sind noch zahlreiche Lehrstellen unbesetzt. (Foto. PR)
Besonders im Einzelhandel und in der Gastronomie sind noch zahlreiche Lehrstellen unbesetzt. (Foto. PR)

Es ist eine kleine Sensation: Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres am 1. September melden die Arbeitsagenturen noch immer über 100 000 freie Lehrstellen. Und an manchem Firmentor prangt ein Schild: «Auszubildender gesucht». Viele Unternehmen suchen händeringend nach Nachwuchs, vor allem in der Gastronomie. Nach Jahren des Lehrstellenmangels zeigt sich allgemein die Lage entspannt wie lange nicht mehr.

«Der positive Trend auf dem Ausbildungsmarkt setzt sich fort», schreibt die Bundesagentur für Arbeit nüchtern in ihrem Monatsbericht August. Für übertriebenen Jubel ist allerdings auch kein Anlass. Denn zu groß sind nach wie vor die regionalen Unterschiede, zu häufig klaffen die Berufswünsche der Jugendlichen und die Anforderungsprofile der Unternehmen weit auseinander.

Und richtig ausgewogen ist die Vermittlungs-Bilanz auch noch nicht. Den 101 100 freien Lehrstellen stehen auf der anderen Seite noch 90 860 unversorgte Bewerber gegenüber. Weitere 56 000 Jugendliche haben ihren bislang unerfüllten Wunsch nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz gegenüber den Arbeitsagenturen aufrecht erhalten, alternativ aber zum Stichtag 30. September weiteren Schulbesuch oder die Teilnahme an einer anderen Bildungsmaßnahme ins Auge gefasst.

Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kann erst dann von einem ausgewogenen Ausbildungsplatzangebot gesprochen werden, wenn wegen der Berufswahlfreiheit auf 100 Bewerber 112,5 freie Plätze kommen – eine Relation, die in den vergangenen drei Jahrzehnten nur äußerst selten erreicht wurde. Der jahrelange Lehrstellenmangel und unzureichende schulische Vor-Qualifikationen haben deutliche Spuren hinterlassen: 1,5 Millionen junge Menschen zwischen 20 bis 29 Jahren haben laut Bildungsbericht von Bund und Ländern heute überhaupt keinen Berufsabschluss und befinden sich auch nicht mehr in Weiterbildung. Das ist etwa jeder siebte in dieser Altersgruppe.

Auch schlechte Schüler haben jetzt eine Chance

Die demografische Entwicklung hat bei vielen Unternehmen und auch in der Politik zu einem Umdenken geführt. Vermehrt bieten Firmen heute Jugendlichen auch mit schlechten Schulleistungen die Chance auf einen Ausbildungsplatz – zum Teil mit hausinterner Nachhilfe und Stützkursen. Das Bundesbildungsministerium und auch die Länder haben Programme ausgeweitet, Jugendliche bereits in den letzten Schuljahren Einblicke in die Arbeitswelt zu geben und Kontakte mit künftigen «Lehrherrn» zu knüpfen. Bisweilen könnte dabei die Koordination der kaum noch überschaubaren Programmvielfalt besser werden, wie ein interner Regierungsbericht unlängst bemängelte.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) weist darauf hin, dass heute vor allem die Firmen Probleme bei der Nachwuchsrekrutierung haben, die eine niedrige Lehrlingsvergütung zahlen, gleichzeitig aber den jungen Menschen viele Überstunden und unregelmäßige Arbeitszeiten abverlangen. Das gilt für viele Hotel- und Gaststätten, aber auch Großküchen. In diesen Berufen gibt es laut Berufsbildungsbericht zudem überdurchschnittliche Abbrecherquoten während der Ausbildung und auch bei erfolgreichem Abschluss nur geringe Übernahmechancen. DGB-Vize Ingrid Sehrbrock: «Manche Betriebe sind einfach selbst nicht ausbildungsreif.» Auch hier müsse etwas getan werden. KARL-HEINZ REITH, dpa

 

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