Segeltörn statt Schule – Niederländer segeln für ihr Recht auf Bildung

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HAARLEM. Für viele Schüler ist es ein Traum: Segeln statt pauken. Doch zwei niederländische Jungens stechen nicht etwa in See, um Unterricht zu schwänzen. Angeblich wollte keine Schule die beiden Brüder haben.

Segeltörn statt Schule – Niederländische Junge segeln für ihr Recht auf Bildung; Foto:  K_Dafalias/ flickr (CC BY 2.0)
Segeltörn statt Schule – Niederländische Junge segeln für ihr Recht auf Bildung; Foto: K_Dafalias/ flickr (CC BY 2.0)

Müde aber glücklich hissten die Jungs die Segel: Am frühen Freitagmorgen begann ihre große Reise von den Niederlanden bis nach Spanien. Der 15 Jahre alte Enrique und sein 13-jähriger Bruder Hugo wollen nicht etwa die Schule schwänzen, sondern gerade für ihr Recht auf Unterricht demonstrieren. Verkehrte Welt. Die Brüder sind hochbegabt, aber Legastheniker. Enrique sitzt schon zwei Jahre zu Hause, sein Bruder seit einem. «Keine Schule will sie haben», sagte die Mutter im niederländischen Radio. Das Jugendamt bestreitet dies und wollte die Reise mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Erst am Abend zuvor hatte ein Gericht in Haarlem den Brüdern grünes Licht gegeben.

Der erste Segeltag endete allerdings unfreiwillig schnell. Schon nach zwei Stunden strandeten die Jungen vor einer defekten Brücke. Doch nun konnten sie noch die letzten Vorbereitungen treffen, sagten sie. Dazu hatten sie wegen des Prozesses keine Zeit.

Auf die Idee hatte sie das «Segelmädchen» Laura Dekker gebracht. Die damals 14-jährige Niederländerin hatte 2009 weltweit Schlagzeilen gemacht, weil sie allein um die Welt segeln wollte. Zunächst hatte ein Gericht dies untersagt, doch ein Jahr später durfte Laura dann doch in See stechen. Sie vollendete ihre Reise im Januar 2012 und war damit die jüngste Solo-Weltumseglerin.

«Laura durfte erst nicht segeln, weil sie zur Schule musste», sagte Enrique. «Da haben wir uns gedacht: Wenn wir nicht in die Schule dürfen, dann segeln wir eben.» Anders als Laura werden sie nicht allein auf große Fahrt gehen. Der Vater folgt ihnen mit einem anderen Boot.

Sobald sie die niederländischen Hoheitsgewässer verlassen haben, können sie auch endlich lernen. Denn dann dürfen sie dem Fernunterricht der «Weltschule» folgen, die über Internet niederländische Kinder im Ausland unterrichtet.

Experten schätzen, dass 16.000 Schüler in den Niederlanden unfreiwillig zu Hause sitzen. «Für viele Schulen sind sie eine Last, weil sie viel Zeit und Begleitung brauchen», sagte die auf Bildungsfragen spezialisierte Rechtsanwältin Katinka Slump. Sie hatte die Eltern der Segeljungens schon im März erfolgreich in einem Prozess wegen Missachtung der Lehrpflicht verteidigt. Doch daran waren die Schulen schuld, urteilten die Richter. Die Brüder konnten nämlich nur einen Platz auf einer Hauptschule oder Sonderschule für verhaltensgestörte Kinder bekommen. Das lehnten die Eltern ab, denn ihre Söhne sind nicht verhaltensgestört und hochintelligent.

Einen ersten Erfolg haben Enrique und Hugo bereits erzielt. Der nationale Kinderbeauftragte hat eine Untersuchung eingeleitet und eine Hotline eingerichtet. Kinder, die in einer ähnlichen Lage sind, können dort Hilfe suchen. ANNETTE BIRSCHEL, dpa

(24.8.2012)

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