Wende stellt Schulgesetz vor – Opposition: «Ideologischer Irrsinn»

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KIEL. Bildungspolitischer Paukenschlag in Schleswig-Holstein: Bildungsministerin Wende stellt stolz nach langem Dialogprozess ihr neues Schulgesetz vor, das 2014/15 in Kraft treten soll. Die Regierungsparteien spenden viel Lob, die Opposition spricht von «ideologischem Bildungsirrsinn».

Löst Kontroverse aus: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende. (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)
Löst Kontroverse aus: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende. (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)

Das von Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) vorgestellte neue Schulgesetz hat heftige politische Kontroversen ausgelöst. Während nach Ansicht der Regierungsparteien SPD, Grüne und SSW das künftige Schulsystem mehr Durchlässigkeit und damit mehr Erfolgschancen bietet, warfen die Oppositionsparteien CDU und FDP der Ministerin «ideologischen Bildungsirrsinn» und «missionarischen Eifer» zulasten der Kinder vor. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lobte die Richtung des Gesetzes, es lasse sich aber nur ohne Stellenstreichungen im Bildungsbereich erfolgreich umsetzen.

Dem vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf muss noch der Landtag zustimmen. Zum Schuljahr 2014/15 soll das Gesetz in Kraft treten. Es sieht ein zweigliedriges Schulsystem vor mit Gemeinschaftsschulen und Gymnasien als weiterführenden Schulen. Die bisherigen Regionalschulen werden in Gemeinschaftsschulen umgewandelt. Bis zu 17 von insgesamt 43 Regionalschulen drohen geschlossen zu werden, weil sie nicht mehr die Mindestzahl von 240 Schülern erreichen.

Der Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife (Realschulabschluss) fallen weg. Stattdessen werden als neue Abschlüsse die «Berufsbildungsreife» (nach neun Schuljahren) und der «Mittlere Bildungsabschluss» (nach zehn Jahren) eingeführt. An den Gemeinschaftsschulen soll das Abitur nach neun Jahren (G 9) und an Gymnasien in der Regel nach acht Jahren (G 8) abgelegt werden können. Bisherige Sonderregelungen an Gymnasien haben Bestand – so auch das sogenannte Y-Modell an vier Gymnasien, die das Abitur als G 8 und G9 anbieten. Dieser Bestandsschutz sei – anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen – jetzt im Gesetz eingeplant, betonte Wende.

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Sie sei stolz auf den einjährigen Dialogprozess mit Lehrern, Schülern, Eltern, Hochschulen, Gewerkschaften, Kirchen, Kinderärzten und Psychologen. «So viel Konsens bei einem Schulgesetz gab es noch nie», sagte Wende. Jedes Kind solle unabhängig vom Unterstützungspotenzial seiner Familie die Chance auf einen bestmöglichen Schulabschluss haben. Die Qualität der Schulen werde steigen. Wende bekräftigte, dass die Hälfte der Lehrerstellen, die wegen der sinkenden Schülerzahlen in den nächsten Jahren eigentlich gestrichen werden könnten, im System bleiben werden.

Die CDU-Bildungsexpertin Heike Frantzen hielt Wende vor, keine Ahnung zu haben, «wie sie die drängenden Probleme an unseren Schulen lösen will». Schüler an Gemeinschaftsschulen, die bis zur zehnten Klasse in gemischten Lerngruppen unterrichtet werden, könnten Lernrückstände in der Oberstufe nicht mehr aufholen. Die FDP-Landtagsabgeordnete Anita Klahn kritisierte die Umbenennung der Schulabschlüsse: Gerade beim Begriff «Berufsbildungsreife» gehe der humanistische Gedanke des Bildungssystems völlig verloren. «Vielmehr wird allein die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Schulabgänger in den Mittelpunkt gerückt.» Wende orientiere sich mit ihrem Gesetz an den Bildungsverlierern unter den Bundesländern, nämlich Berlin, Brandenburg und Bremen.

«Allein mit einem neuen Schulgesetz ist es nicht getan», kritisierte der GEW-Landesvorsitzende Matthias Heidn. Die Schüler bräuchten bessere Lernbedingungen und die Lehrer bessere Arbeitsbedingungen. «Dazu zählen zum Beispiel kleinere Klassen, mehr Doppelbesetzungen und eine intensivere Fortbildung für die Lehrkräfte.» Als positiv lobte er die Regelungen zur Gemeinschaftsschule, die Wege zum Abitur bei den Gymnasien und die Abschaffung abschlussbezogener Klassen an den Gemeinschaftsschulen. So werde die Wiedereinführung von Haupt- und Realschulklassen durch die Hintertür verhindert. dpa

Zum Bericht: „Schulfrieden in Schleswig-Holstein? Entwurf für Schulgesetz steht

 

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