Schulfrieden in Schleswig-Holstein? Entwurf für Schulgesetz steht

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KIEL. Bildungsministerin Wende sieht Schleswig-Holstein auf dem Weg zu einem politischen Schulfrieden. Längeres gemeinsames Lernen, mehr Abiturienten, mehr Bildungsgerechtigkeit – das strebt die  Kieler Regierung mit einem neuen Gesetz an. G8-Gymnasien und Gemeinschaftsschulen bestimmen die Schulstruktur. Ein «Abi light» soll es nicht geben.

Muss sich mit Zahlen herumschlagen: Bildungsministerin Waltraud Wende. (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)
Hat einen Entwurf für ein neues Schulgesetz vorgelegt: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende. (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)

Schleswig-Holsteins von SPD, Grünen und dem Südschleswigschen-Wählerverband (SSW) getragene Landesregierung hat das angekündigte neue Schulgesetz auf den Weg gebracht, das zum Schuljahr 2014/2015 in Kraft treten soll. Kern ist die Einführung einer zweigliedrigen Struktur mit Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Als Schwerpunktziele nannte Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) nach der Kabinettssitzung in Kiel mehr Bildungsgerechtigkeit, längeres gemeinsames Lernen und eine Erhöhung der Abiturientenquote. Jedes Kind solle unabhängig von seiner sozialen Herkunft eine faire Chance auf einen bestmöglichen Abschluss bekommen.

Nach langem Streit um Schulstrukturen hofft Wende nun auf eine Situation, «die dem Schulfrieden immer näher kommt». Sie betonte, das Abitur sei gleichwertig, unabhängig davon, ob es am Gymnasium oder an einer Gemeinschaftsschule erworben wird. «Es gibt kein Abi light», versicherte die Ministerin. Sie strebt an, die Abiturientenquote von 45 Prozent auf mehr als 50 Prozent zu erhöhen und sie so dem Bundesdurchschnitt anzugleichen. Dabei sei es nicht gewollt, alle Abiturienten zum Studium zu bringen. Auch viele Lehrberufe stellten heute weit höhere Anforderungen als in der Vergangenheit.

Die Landesregierung wolle den Eltern die Wahlmöglichkeit geben zwischen starken Gymnasien, die auf frühe Selektion zwischen den Schülern setzen und starken Gemeinschaftsschulen, an denen die Schüler länger gemeinsam lernen, sagte Wende. Nach dem Referentenentwurf, der nun in die Verbandsanhörung geht, soll an Gymnasien in der Regel nach acht Jahren das Abitur erworben werden. Gymnasien, die 2014/2015 bereits einen neunjährigen Bildungsgang haben, können ebenso fortgeführt werden wie die «Y-Gymnasien» mit parallelem G8- und G9-Angebot.

An Gemeinschaftsschulen sind drei Abschlüsse möglich: die Berufsbildungsreife (statt: Hauptschulabschluss) nach neun Jahren, Mittlerer Abschluss (statt: Realschulabschluss) nach zehn Jahren und Abitur nach 13 Jahren (G9). Gemeinschaftsschulen ohne eigene Oberstufe dürfen mit Gemeinschaftsschulen kooperieren, die eine Oberstufe haben, und auch mit Beruflichen Gymnasien. Mittelfristig könnten damit fast alle weiterführenden Schulen ihren Schülern de facto eine Oberstufe anbieten, erläuterte Wende.

Kooperationsverbot zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen

Mit Gymnasien sollen Gemeinschaftsschulen ohne eigene Oberstufe in der Regel nicht kooperieren. Die didaktisch-pädagogischen Konzepte beider Schularten seien unterschiedlich, sagte Wende zur Begründung. Ausnahmen sind sechs Gymnasien im Land, die eine organisatorische Verbindung mit einer Regionalschule eingegangen sind. Sie dürfen das auch künftig mit einer Gemeinschaftsschule tun. «Ich mache doch nichts Funktionierendes kaputt», sagte Wende. Alle Regionalschulen mit mindestens 240 Schülern werden zum 1. August 2014 in Gemeinschaftsschulen umgewandelt.

Aus Sicht der CDU-Bildungsexpertin Heike Franzen wurden mit dem Gesetzentwurf schlimmste Befürchtungen übertroffen. So habe Wende das generelle Kooperationsverbot zwischen Gemeinschaftsschulen und gymnasialer Oberstufe damit begründet, dass die pädagogischen Ansätze beider Schularten zu unterschiedlich seien. «Damit unterstellt die Ministerin, dass die Gemeinschaftsschulen nicht in der Lage sind, die Schülerinnen und Schüler auf den Besuch der gymnasialen Oberstufe vorzubereiten.» Die Koalition von SPD, Grünen und SSW treibe einen Keil zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen.

Auch Anita Klahn von der FDP warf der Regierung vor, sie habe wieder den Konfrontationskurs eingeschlagen. «Die Aufregung im Land zeigt, dass diese Schulgesetznovelle nur Unfrieden stiftet und den Schulkampf befeuert.» Der Willen von Schülern, Eltern und Lehrern werde missachtet. «Es gibt bundesweit keine Umfrage, die sich nicht klar für die Wiedereinführung von G9 ausspricht.»

Noch nie sei eine Schulgesetzänderung so gut vorbereitet worden wie diese, sagte der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat. In dem Entwurf hätten sich nicht nur die Debatten der Bildungspolitiker und der Experten im Ministerium niedergeschlagen, sondern auch die Beiträge vieler hundert Teilnehmer an den zwei Bildungskonferenzen. dpa

(28.5.2013)

Zum Bericht: „Parteilos, aber mit Profil: Bildungsministerin Waltraud Wende“

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