Mit Behinderung im Sportunterricht – Ideen für die Praxis

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WÜRZBURG. Inklusion im Sport: Wie geht das? Sportwissenschaftler haben in der Fachzeitschrift „Sportpraxis“ Vorschläge dafür zusammengetragen.

Steht in der dritten Klasse Sport auf dem Stundenplan, machen sich fast alle Kinder auf den Weg in die Turnhalle. Nur der mehrfach behinderter Klassenkamerad wird von seinem Betreuer im Rollstuhl in einen Extra-Raum gefahren. Dort wartet schon der Ergotherapeut, um mit ihm sein spezielles Übungsprogramm abzuspulen. Von Inklusion ist zumindest in dieser Stunde keine Rede.

„Zum Thema ‚Inklusion‘ ist in der Theorie schon sehr viel gesagt. Was allerdings fehlt ist fachdidaktische Konzeptarbeit, aus der letztlich Praxistipps und Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung – gerade im Sport erwachsen“, sagt Thomas Kurth, Sportwissenschaftler und Dozent am Sportzentrum der Universität Würzburg. Gemeinsam mit Professor Harald Lange, Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Sportwissenschaft, und mit Dr. Thomas Borchert, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Sportpsychologie der Universität Potsdam, hat er sich deshalb in den vergangenen Monaten auf die Suche nach gelungenen Beispielen für Inklusion im Sportunterricht und im Sportverein gemacht.

So zeigt beispielsweise die Lindenparkschule Heilbronn, dass sich Klettern gut für Kinder mit Hör- oder Sprachschädigungen oder geistigen Behinderungen eignet. Die Schüler müssen sich gegenseitig Hilfestellung geben, sie stärken ihr Verantwortungsbewusstsein und haben auch noch Spaß dabei.

Auch bei den Paralympics - hier ein Basketballspiel 2010 - gibt es keine gemischten Wettkämpfe. (Foto: WhyOhGee/Flickr CC BY 2.0)
Auch bei den Paralympics – hier ein Basketballspiel 2010 – gibt es keine gemischten Wettkämpfe. (Foto: WhyOhGee/Flickr CC BY 2.0)

Zumbatonic ist ein speziell für Kinder entwickeltes Tanz-Fitness-Programm, das sich sowohl für Kinder mit körperlichen als auch mit geistigen Einschränkungen wie auch für sozial benachteiligte Kinder eignet. Weil es keine vorgegebenen Bewegungsmuster, kein richtig und kein falsch, sondern nur ein „Sich-Anders-Bewegen“ gibt, können Kinder unterschiedlichster Voraussetzungen davon profitieren, ohne dass sie Nachteile erleben.

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Und mit unterschiedlichen Aufgaben lässt sich auch ein Hindernis-Parcours entwickeln, der inklusiv und rollstuhlgerecht gestaltet ist. Der Gedanke der Kooperation steht dabei im Vordergrund, die Schüler müssen sich gegenseitig unterstützen und lernen so, Toleranz und Akzeptanz zu entwickeln.

Sportunterricht wird durch Inklusion weniger leistungsbezogen werden

„Der Sportunterricht steht vor einer großen Herausforderung“, sagt Kurth. Habe über viele Jahrzehnte hinweg ein eindimensionaler Leistungsgedanke im Mittelpunkt gestanden, tauchten nun andere Aspekte auf, die berücksichtigt werden müssen. Welche Aufgaben hat der Sportunterricht? „Körperbezogene Höchstleistung ist allenfalls einer von vielen“, sagen die Sportwissenschaftler. Der spielerische Umgang mit Bewegung, die Kooperation, die Übernahme von Verantwortung seien weitere, mindestens ebenso wichtige Aspekte. Im sportwissenschaftlichen Fachdiskurs spricht man deshalb auch bezeichnenderweise vom „erziehenden Sportunterricht“. nin

Sportpraxis, September/Oktober 2013, Limpert Verlag GmbH. Einzelpreis 9,95 Euro

 

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