Die Ferien in Niedersachsen gehen zu Ende – der Streit ums Abi geht schonmal weiter

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HANNOVER. Die Schule in Niedersachsen beginnt am kommenden Donnerstag, doch der Streit um das abgeschaffte Turbo-Abi geht schon jetzt in die nächste Runde. Denn bei der Abkehr vom G8 geht das Land bundesweit voran. Nur noch auf Wunsch können Schüler künftig schon nach acht Jahren auf der weiterführenden Schule das Abitur machen. Doch die Umstellung auf G9 sei überhastet und „vorsätzlich stümperhaft“ erfolgt, wettert die Opposition. Die Schulen hätten sich ein halbes Jahr auf die Umstellung vorbereiten können, kontert Kultusministerin Heiligenstadt.

Als erstes Bundesland kehrt Niedersachsen nach den Ferien vollständig zum Abitur nach neun Jahren zurück. Während die Opposition die Umstellung als überhastet und schlecht vorbereitet kritisiert, sieht Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) darin einen überfälligen Schritt zum Wohl von Schülern und Lehrern. «Wir haben beim Turbo-Abitur immer gehört: Es ist zu viel in zu kurzer Zeit. Der Stress nimmt zu, der Stress ist extrem, sowohl für Schüler wie für Lehrkräfte», sagte sie. Bei Schülern wie Lehrern sei es in der Folge vermehrt zu stressbedingten Erkrankungen gekommen.

„Mehr Zeit zum Lernen, mehr Zeit zum Leben“, Niedersachsens Kultusministerin Frau Heiligenstadt verspricht sich viel von der Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. Foto: Foto AG Gymnasium Melle / Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0
„Mehr Zeit zum Lernen, mehr Zeit zum Leben“, Niedersachsens Kultusministerin Frau Heiligenstadt verspricht sich viel von der Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. Foto: Foto AG Gymnasium Melle / Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0

Das neue Abitur leiste hier Abhilfe: Schüler hätten künftig wieder mehr Zeit zum Lernen und – was ihr auch «sehr wichtig sei» – zum Leben, betonte Heiligenstadt. Besonders leistungsstarke Schüler könnten auf Wunsch dennoch nach acht Jahren ihren Abschluss schaffen. Allen anderen aber sei die Last der Eile von den Schultern genommen. «Es bleibt dann auch mehr Zeit für ehrenamtliches Engagement, soziale Entwicklungsmöglichkeiten, Sportvereine, die Freiwillige Feuerwehr, für Freunde und Familie oder um das zu machen, was man will.»

Angesprochen auf die aus ihrer Sicht gegebenen Vorteile des neuen Abiturs, gerät Heiligenstadt schnell ins Schwärmen: «Jetzt geben wir ihnen die Möglichkeit einer stärkeren Verteilung der Inhalte auf ein Schuljahr mehr und zusätzliche Stunden, um vertiefender lernen und um Inhalte häufiger wiederholen zu können», betont sie. Immerhin werde der um ein Jahr verlängerte Lehrplan nicht mit zusätzlichem Stoff vollgeladen – das bestehende Curriculum werde nur entzerrt.

«Das neue Abitur ermöglicht es den Gymnasien, mit zusätzlichen Stunden Förder- und Forderkonzepte zu erstellen, um die Jugendlichen zu unterstützen, um schneller zum schulischen Erfolg zu kommen – oder aber um auf der Schule bleiben zu können», sagte Heiligenstadt.

Längere Lernzeiten seien – anders, als von Kritikern behauptet – kein Nachteil für die Abiturienten. «Ich glaube eher, dass sie einen Vorteil haben. Sie haben ein Jahr mehr Zeit, die Inhalte zu lernen, Kompetenzen zu entwickeln. Sie sind reifer», betonte die Ministerin. Früher seien die Schüler auch nicht eher in den Betrieben gewesen.

Bei der Stundentafel sei Niedersachsen jetzt bundesweit an der Spitze. «In Fremdsprachen, Mathematik, in Deutsch – wir bieten ein gutes Fundament für unsere Abiturienten, damit sie auch im Wettbewerb mit Studenten aus anderen Bundesländern gute Chancen haben.» Darüber hinaus werde auch eine stärkere Berufsorientierung ermöglicht.

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CDU und FDP sehen das völlig anders. «Die Landesregierung hat die Umstellung auf G9 verpennt», sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Försterling. Sein CDU-Kollege Kai Seefried spricht gar von einer vorsätzlich «stümperhaften» Vorbereitung, da Heiligenstadt «kein Interesse daran hat, die Umstellung zu einem Erfolg der Gymnasien werden zu lassen».

Obwohl die Entscheidung vor mehr als zwei Jahren getroffen worden sei, fehle es bis zuletzt an den untergesetzlichen Regelungen, sagte Försterling. Deshalb fehlten nicht nur Lehrpläne und Schulbücher: Auch bei den Stundentafeln habe die Ministerin versagt. «Die Schüler gehen ein Jahr länger zur Schule, haben effektiv aber nur drei Monate mehr Unterricht. Das bringt den Schülern nicht ein Mehr an Reife, sondern ein Weniger an Wissen.»

Heiligenstadt kann das nicht nachvollziehen. Die Schulen hätten sich ein halbes Jahr auf die Umstellung vorbereiten können und hätten damit deutlich mehr Zeit als für die Umstellung auf das Turbo-Abitur im Jahr 2004. «Bei der Umstellung auf acht Jahre lagen die Vorgaben teilweise erst zwei Jahre nach Beginn vor. Jetzt sind wir gut vorbereitet.»

Obwohl sie von ihrem neuen Abiturkonzept überzeugt ist, rechnet Heiligenstadt nicht mit einer bundesweit einheitlichen Regelung. «Ich glaube schon, dass es bei unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern bleiben wird. Da muss jedes Bundesland seinen Weg finden», betonte sie. In den ostdeutschen Bundesländern habe es etwa noch nie das Abitur nach neun Jahren gegeben. (Marco Hadem, dpa)

Übersicht der Kultusministerkonferenz zu den Abiturvarianten der Länder

• zum Bericht: Hier G8, dort G9: Heiligenstadt rechnet dauerhaft mit Länder-Wirrwarr
• zum Kommentar von Nina Braun: G8/G9-Streit: Deutschland driftet auseinander – wer blickt da noch durch?
• zum Bericht: „Habe noch jede Menge Kraft“: Kultusministerin Heiligenstadt lehnt trotz Pannenserie Rücktritt ab

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5 Kommentare
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xxx
8 Jahre zuvor

das einfachste wäre die Rückkehr zum lehrplan von vor g8 gewesen, vielen lehrern noch in erinnerung und mit alten Büchern, klassenarbeiten usw. relativ ökonomisch vorbereitbar gewesen. weil der g8-lehrplan lediglich gestreckt und nicht wieder erweitert werdrn soll, ist das aber nicht möglich.

ist eigentlich irgendwie geplant, welches schuljahr die guten Schüler überspringen können? und was passiert, wenn nicht nur einzelne, sondern 30 von 100 eines jahrgangs einer Schule verkürzen können und wollen?

A. S.
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ich schätze Ihre Kommentare, stoße mich aber immer wieder an Ihrer Rechtschreibung. Die Vernachlässigung der Groß- und Kleinschreibung müsste doch nicht sein, oder?

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  A. S.

aus zugegebenermaßen Bequemlichkeit ignoriere ich groß- / Kleinschreibung wenn ich mit meinem smartphone kommentiere. daraus resultieren die teilweise sehr abenteuerlichen rechtschreibkonstrukte.

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ausdrücklich schließe ich mich den Worten von A.S. an.
In diesem Zusammenhang wiederhole ich gerne die bereits öfter fomulierte Klage, dass es im Forum leider nicht möglich ist, Geschriebenes im Nachhinein zu korrigieren.

Allerdings räumt „xxx“ freundlicherweise ein, dass er/sie zu bequem ist, mit dem Smartphone korrekt zu schreiben.
Wir hatten hier aber schon mal eine heftige Debatte über dieses Thema, und ich erinnere mich recht gut, dass dabei die bewusst falsche Rechtschreibung sogar noch verteidigt wurde.

Als Sportlehrer kann ich auch nicht den gesundheitlichen Wert von „Sport“ in den höchsten Tönen preisen, mich aber gleichzeitig mit einer Kippe vor die Sch stellen.

A. S.
8 Jahre zuvor

Schade! Gibt es Hoffnung auf Besserung? Ich muss zugeben, dass es mich immer wieder große Überwindung kostet, einen Kommentar trotz falscher Rechtschreibung gut zu finden. Alles wäre viel einfacher, wenn die Form nicht so sehr die Würdigung des Inhalts erschwerte.
Wenn sich dann noch Kritik an der bequemen Arbeitshaltung von Schülern mit schlampiger Rechtschreibung des Lehrers mischt, hakt es bei mir gänzlich aus.