Stoch: Bundesweit müssen Schulen bis zu 140.000 Flüchtlingskinder integrieren – allein dieses Jahr

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STUTTGART. Weit über 100.000 Kinder und Jugendliche werden dieses Jahr als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Sie sollen von Anfang an eine möglichst gute Schulbildung erhalten, betonen die Kultusminister. Keine leichte Aufgabe für die 16 Bundesländer. Für den Vizepräsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), den baden-württembergischen Kultusminister Andreas Stoch, ist die Integration Zehntausender Flüchtlingskinder ins deutsche Bildungssystem eine enorme Herausforderung – und eine große Chance.

Andreas Stoch geht beim Thema Flüchtlingskinder voran. (Foto: PR/Landesregierung BW)
Andreas Stoch geht beim Thema Flüchtlingskinder voran. (Foto: PR/Landesregierung BW)

«In allen Bundesländern ist in den letzten Monaten die Zahl der Kinder und Jugendlichen, für die wir Angebote brauchen, deutlich angestiegen. Sie hat sich teilweise verdoppelt, teilweise verdreifacht – unterschiedlich von Land zu Land», sagte der SPD-Politiker. Er betonte zugleich: «Wir sollten nicht so pessimistisch sein, was alles nicht funktionieren könnte. Weil unglaublich viel von diesen jungen Menschen investiert wird und unsere Lehrkräfte ein unglaubliches Engagement aufbringen.»

Stoch sagte: «Ich will das Problem nicht kleinreden – aber im Praktischen löst sich vieles ganz schnell auf.» Im Übrigen helfe die jetzige Situation der Gesellschaft, «zu einer Erkenntnis zu gelangen: dass wir ohne Zuwanderung nicht als Wirtschaftsstandort erfolgreich sein können. Diese jungen Menschen sollten wir als Chance für unser Land betrachten.» Jenseits der anfangs fehlenden Sprachkompetenz hätten junge Flüchtlinge «ganz große Potenziale».
Nach Einschätzung des Bildungsministers von Baden-Württemberg sind unter den dieses Jahr erwarteten Asyl-Erstantragstellern gut 30 Prozent Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter – «insgesamt etwa 140.000 bis 150.000 bundesweit, die wir in unserem Schulsystem integrieren müssen».

Allein Baden-Württemberg bilde im nächsten Schuljahr gut 1400 bis 1500 Vorbereitungsklassen mit einer entsprechenden Zahl von Lehrern. Zuletzt habe die grün-rote Landesregierung «nochmal fast 600 Lehrkräfte nur für diesen Zweck im allgemeinbildenden und beruflichen Bereich zur Verfügung gestellt», mit Zusatzkosten von gut 35 bis 40 Millionen Euro, sagte Stoch.

Diese Herausforderung sei weniger ungewohnt «für wirtschaftsstärkere Bundesländer, in denen schon in der Vergangenheit auch das Thema Zuwanderung und Arbeitsmigration eine große Rolle gespielt hat», sagte der Stuttgarter Kultusminister. «Andere Länder, die eher einen schwierigen Arbeitsmarkt haben, waren davon nicht so betroffen, daher gab es dort auch weniger Angebote für Unterricht von Zuwandererkindern. Aber mit dem Verteilungsmechanismus nach dem Königsteiner Schlüssel betrifft es jetzt natürlich alle.»

Die 16 Länder bauten «zusätzliche Personalressourcen auf im Bereich der Lehrkräfte, die Deutsch als Zweitsprache oder als Fremdsprache unterrichten können», sagte er. «Und wir müssen jetzt Lehrkräfte, die nicht dieses spezielle Profil haben, durch Fort- und Weiterbildung qualifizieren.» Eine Vernetzung finde über die KMK statt, etwa über intensiven Austausch der Referenten für Migrationsfragen.

Nach Stochs Angaben werden Flüchtlingskinder schon in den Erstaufnahmestellen einer Bestandsaufnahme durch Lehrer unterzogen: «Welche Bildung bringen die Kinder mit? Haben sie eine Schule besucht oder nicht? Welche Sprachkenntnisse haben sie?» Nach der Verteilung auf Städte und Landkreise seien die Schulämter dann gehalten, auf Basis dieser ersten Informationen die Vorbereitungsklassen zu bilden.

«Wir können nicht je nach Herkunftsland einen Dolmetscher zur Verfügung stellen», stellte der Minister klar. «Wir sind aber in der glücklichen Situation, dass wir viele Lehrkräfte mit Migrationshintergrund haben, die oft auch arabische Sprachkenntnisse mitbringen.» Deutsch sei aber rasch Alltagssprache. «Die Schüler sind ungemein schnell darin, deutsche Fachbegriffe, Verben und Substantive aufzufassen und sich zu artikulieren.» Von Werner Herpell, dpa

Zum Bericht: Rechnung mit vielen Unbekannten: Wohin mit den vielen Flüchtlingskindern in der Schule?

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