Abenteurer Nehberg auf dem Schulleiterkongress: „Jeder kann seine Visionen realisieren“

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DÜSSELDORF. Der Abenteurer und Menschenrechtler Rüdiger Nehberg gibt auf dem Deutschen Schulleiterkongress, der heute in Düsseldorf beginnt, Tipps zu Selbstmotivation und Durchhaltevermögen. Er fordert Schulen außerdem auf, offen für neue Kulturen zu sein.

Überquerte mit einem Tretboot den Atlantik: Rüdiger Nehberg. Foto: Thilo Parg / CC BY-SA 3.0 / via Wikimedia Commons
Überquerte mit einem Tretboot den Atlantik: Rüdiger Nehberg. Foto: Thilo Parg / CC BY-SA 3.0 / via Wikimedia Commons

Er hat die Danakil-Wüste mit Kamelen durchquert, sich ohne Ausrüstung durch den brasilianischen Dschungel geschlagen und mit einem Tretboot den Atlantik überquert. Rüdiger Nehberg wird nicht umsonst „Survival-Papst“ genannt. „Ich analysierte sämtliche zu erwartenden Probleme der Reise wie Stürme, Piraten, Schiffbruch oder Trinkwassermangel und war entsprechend vorbereitet. Psychisch, physisch, technisch“, erzählt Rüdiger Nehberg etwa von seiner Atlantik-Überquerung.

Schulleiter werden zwar nicht mit Piraten oder Schiffbruch zu kämpfen haben, aber sie müssen täglich im Bildungsdschungel bestehen. Deshalb gibt Rüdiger Nehberg auf dem Deutschen Schulleiterkongress (DSLK) Survival-Tipps, unter dem Titel „Überleben in Extrembedingungen – Eigenmotivation und Durchhaltevermögen“. Dazu gehöre es auch, kulturelle Grenzen zu überwinden. Allerdings: „Aufgrund dieser Erfahrungen fände ich es für Schulen hilfreich, die Obergrenze an zu integrierenden Ausländerschülern so niedrig wie möglich zu halten“, sagt Nehberg mit Blick auf die Integration von Flüchtlingskindern im Interview mit News4teachers.

News4teachers: Sie haben den Atlantik mit einem Tretboot überquert – ist das ein Sinnbild für die Herausforderung von Schulleitungen, die mit knappen Ressourcen eine gewaltige Aufgabe bewältigen müssen?

Nehberg: Ja, haargenau. Ich bin Minimalist wie zwangsläufig auch die Schulleiter. Vor der Überquerung stand ich vor einer mir völlig neuen Herausforderung, denn ich hatte Vergleichbares noch nie gemacht. Außerdem hatte ich Angst vor Wasser, Schwierigkeiten mit der Seekrankheit und begrenzte Finanzmittel. Ich analysierte sämtliche zu erwartenden Probleme der Reise wie Stürme, Piraten, Schiffbruch oder Trinkwassermangel und war entsprechend vorbereitet. Psychisch, physisch, technisch. Später habe ich den Atlantik noch zwei weitere Male überquert: auf einem Floß bis vors Weiße Haus und einem massiven Baumstamm bis Brasilia. Heute stehen die Vehikel im Technik-Museum zu Speyer.

News4teachers: „Überleben unter Extrembedingungen – Eigenmotivation und Durchhaltevermögen“, so lautet der Titel Ihres Vortrags auf dem Deutschen Schulleiterkongress. Welche Lehren können Lehrer im Allgemeinen und Schulleiter im Besonderen daraus ziehen?

Nehberg: Dass niemand zu gering ist, seine Visionen zu realisieren. Was er braucht, sind eine starke Motivation, Fantasie, Geduld, ein paar Asse im Ärmel und die Kunst, Niederlagen als Kreativitätsschub zu nutzen. Vor allem braucht er Individualität, um wahrgenommen zu werden. Denn „Wer mit der Herde geht, kann nur den Ärschen folgen“ und geht unter im Wettbewerbsgedrängel.

News4teachers: Sie und Ihre Frau wurden für Ihre Verdienste um die Völkerverständigung mit drei Bundesverdienstkreuzen ausgezeichnet. Die deutschen Schulen haben aktuell viele Flüchtlingskinder zu integrieren – auf welche kulturellen Anpassungsschwierigkeiten müssen sich Schulen einstellen?

Nehberg: Da wir mit unserer Organisation „Target“ ausschließlich im muslimisch-arabischen Raum tätig sind, um die Tradition der Weiblichen Genitalverstümmelung mit der Kraft und Ethik des Islam zu beenden, wissen wir um die Schwierigkeiten und Chancen, kulturelle Unterschiede zu überbrücken. Nur so ist es uns gelungen, dass die höchsten Religionsführer den Brauch auf unsere Initiative hin zur Sünde erklärt haben. Bei den Verhandlungen kamen mir die Erfahrungen aus meiner Jugendzeit zu Hilfe. Während langer Radtouren und eigener Kamelkarawanen durch Afrika habe ich immer wieder die hohen Werte islamischer Gastfreundschaft und den Reichtum fremder Kulturen erfahren. Sie haben mich Differenzierung und Respekt gelehrt.

Aufgrund dieser Erfahrungen fände ich es für Schulen hilfreich, die Obergrenze an zu integrierenden Ausländerschülern so niedrig wie möglich zu halten, damit der Lehrplan eingehalten werden kann. Besser wäre es, die Gesamtheit ausländischer Schüler erst einmal in externen Sonderschulungen auf den erforderlichen Bildungsstand zu bringen, damit weder die deutschen Schüler ausgebremst werden noch den ausländischen Schülern Minderwertigkeitskomplexe aufgezwungen werden. Lehrer müssen wissen, dass ein Viertklässler aus Eritrea nicht annähernd die Kenntnisse eines Viertklässlers aus Deutschland hat. Sie müssen wissen, dass Mädchen aus Eritrea extrem genitalverstümmelt sind und was das für den Schulunterricht bedeuten kann. Man hat sie körperlich und seelisch geschändet. Sie werden beispielsweise nicht am Sportunterricht teilnehmen oder mehr Zeit auf der Toilette benötigen. Aber niemals werden sie selbst darüber sprechen.

News4teachers: Was raten Sie Lehrkräften und Schulleitern?

Nehberg: Die neue schulpolitische Situation stellt für Lehrkräfte, deutsche und ausländische Schüler und deren Eltern ein Novum dar. Alle Seiten sind mit der neuen Entwicklung stark überfordert. Um ein bestmögliches Miteinander zu bewirken, bietet sich zu allererst eine große Kennenlern-Veranstaltung an. Dafür bedarf es guter Dolmetscher. Optimal wäre die Teilnahme eines angesehenen integrierten Moslems aus der Politik. Ein Imam könnte die religiösen Unterschiede ansprechen. Das alles sollte aufgelockert werden mit einem orientalischen Willkomm-Imbiss bei Tee, Kaffee und Kuchen sowie musikalischen Beiträgen. Solches Beisammensein sollte auch geprägt sein von dem Mut, die bilateralen Probleme ohne politischen Schönschnack klar anzusprechen. Gastrecht bedingt auch Gastpflicht zum beiderseitigen Nutzen. Empfehlenswert wären Vertrauensleute auf deutscher wie ausländischer Seite, die in Krisenfällen vermitteln. Nach vier Wochen sollte das wiederholt und über Optimierungen gesprochen werden. Eine Krönung schulischen Harmoniebestrebens wäre, wenn deutsche Schüler sich eines ausländischen Schülers als Paten annähmen. Das ließe sich forcieren mithilfe von Wettbewerben und Auszeichnungen.

Mein empfohlenes Motto: „Alle sagten, das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.“

Der Deutsche Schulleiterkongress (DSLK) 2016: Bestsellerautoren, Manager, Psychologen und Fachleute aus dem Bildungsbereich – über 100 Experten aus unterschiedlichen Bereichen diskutieren beim fünften Deutschen Schulleiterkongress (DSLK) vom 3. bis 5. März 2016 in der Messe Düsseldorf mit Schulleitungen aus ganz Deutschland über die Zukunft. Es geht um den Austausch von Ideen, wie die Schule von morgen gestaltet werden kann. Zugesagt haben neben Auma Obama unter anderem auch Philosoph und Bestsellerautor Richard David Precht sowie Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Der Deutsche Schulleiterkongress ist die größte Veranstaltung seiner Art in Deutschland. Das Motto des Kongresses lautet: „Schulen gehen in Führung“. Die Top-Themen sind „Schule als Ort für Erziehung“, „Führungsstrategien“ sowie „Digitale Schule“.

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