BLLV: Mundarten im Unterricht stärken – „zusätzlicher Sprachreichtum, von dem Kinder profitieren“

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MÜNCHEN. Was haben die Schweiz, Norwegen und Liechtenstein gemeinsam? Sie stehen an der Spitze der europäischen Wohlstandstabelle und sie pflegen neben der Hochsprache einen lebendigen Dialekt in Kindergärten, Schule und Beruf. Mundart als Barriere auf dem Weg zum beruflichen Erfolg? Für die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, und die beiden Vorsitzenden des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V. (FBSD), Horst Münzinger und Siegfried Bradl, ist dies ein Vorurteil, das längst widerlegt ist.

In Bayern wird die Tradition hochgehalten. Foto: Harald Bischoff / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
In Bayern wird die Tradition hochgehalten. Foto: Harald Bischoff / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die drei verweisen auf die genannten Länder und auf die moderne Hirnforschung, die das kognitive Potenzial von Dialektsprechern bestätigt. Kinder aus Familien, in denen Dialekt gesprochen werde, verfügten über einen zusätzlichen Sprachreichtum, von dem sie in Schule und Beruf profitierten. Zudem werde eine gute Basis für das Erlernen von Fremdsprachen geschaffen. „Auch die Entwicklung sozialer Kompetenz wird durch diese Zweisprachigkeit positiv beeinflusst“, erklärte Fleischmann, die diesen Zusammenhang in ihrer Zeit als Schulleiterin oft beobachten konnte. Leider gebe es aber immer wieder Kritiker, die dem Dialektgebrauch skeptisch gegenüber stehen würden. In einer gemeinsamen Presseerklärung machen sich BLLV und FBSD deshalb für mehr Dialekt im Unterricht, aber auch in den Elternhäusern stark

„Wir erinnern zudem gern an die vor einem Jahr an Schulen verteilte Lehrerhandreichung ‚Dialekte in Bayern für den Unterricht‘“, erklärten Münzinger und Bradl. Die Handreichung sei vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung im Auftrag des Kultusministeriums herausgegeben worden. „Sie enthält praktische Unterrichtshilfen mit Textbeispielen und DVDs.“ Beide sind überzeugt, dass Schülerinnen und Schüler von dem Nebeneinander von Standarddeutsch und Regionalsprache „enorm profitieren können.“ So zeigten Schulleistungsvergleiche einen Vorsprung der Dialektsprecher gegenüber Nicht-Dialektsprechern.

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Es dürfe auch nicht sein, das Kinder, Schüler und Erwachsene, die Mundart reden, offen oder verdeckt geschmäht oder benachteiligt würden. „Junge Menschen spüren solche Abwertungen sehr schnell und zweifeln am Wert ihrer Mundartkompetenz“, so Münzinger. Zudem sei dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz, wonach niemand wegen seiner Sprache, Heimat und Herkunft benachteiligt werden dürfe. Erhebliche Bedeutung komme deshalb beim Erwerb und Gebrauch der Muttersprache bzw. einer Mundart den Eltern und Großeltern zu, betonte Bradl. „Sie sollten ihre Kinder und Enkel mit dem nötigen Selbstvertrauen ausstatten und begleiten.“  Bei den Lehrerinnen und Lehrern sieht Fleischmann eine positive Entwicklung und eine grundsätzlich offene Haltung zum Dialektgebrauch. „Das wollen wir unterstützen und verweisen deshalb auch auf den neuen Lehrplan-Plus, der Dialektthemen wieder mehr Raum einräumt“, erklärte die BLLV-Präsidentin.

Die Lehrerhandreichung kann über das Broschüren-Bestellportal der Bayerischen Staatsregierung angefordert werden: www.bestellen.bayern.de. Die 1:1-Online-Ausgabe ist zu finden unter www.isb.bayern.de. Der FBSD bietet zudem das für Schulen bestens geeignete Mundart-Ratespiel „Woaßt as?“ mit über 100 Fragen zur bairischen Dialektvielfalt. Zu bestellen bei: Siegfried Bradl, Tel. 08254 – 8665, E-Mail: 2.vorstand@fbsd.de

Zum Bericht: Bald nur noch Senioren-Sprech? Wie das Niederdeutsch gerettet werden soll

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sofawolf
7 Jahre zuvor

Ich finde es schön, wenn Dialekte lebendig erhalten werden. Dort, wo sie jedoch kein Mittel der Alltagskommunikation mehr sind, wird kaum jemand dazu zurückkehren. Leider.