Schwesig stößt milliardenschwere Kita-Qualitätsoffensive an – Verbände: Brauchen einheitliche Standards

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BERLIN. Für eine neue Qualitätsoffensive in der Kindertagesbetreuung wollen Bund und Länder in den nächsten Jahren stetig wachsende Milliardenbeträge bereitstellen. Der Finanzbedarf für die gemeinsamen Qualitätsziele – mehr Fachpersonal in den Kitas, bessere Sprachförderung und Gebührenentlastung für Eltern – liege bei insgesamt rund zehn Milliarden Euro pro Jahr, sagte Familienministerin Manuela Schwesig am Dienstag in Berlin. 16 Verbände und Organisationen, darunter die GEW, fordern unterdessen einheitliche Qualitätsstandards für die Kitas.  

Sorgt für Diskussionen: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Foto: Bobo 11 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Prescht vor: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Foto: Bobo 11 / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die SPD-Politikerin will dafür sorgen, dass der Bund 2018 zusätzlich eine Milliarde Euro übernimmt und diesen Beitrag in einem Stufenplan auf jährlich fünf Milliarden Euro erhöht. In den nächsten Monaten sollten «Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz erarbeitet werden», sagte Schwesig. Wichtig sei ein «Instrumentenkasten», aus dem sich jedes Bundesland nach seinen Bedürfnissen bei der Qualitätsverbesserung von Kita-Betreuung bedienen kann. Die den Ländern jeweils zugeteilte Summe solle sich an der Anzahl der unter dreijährigen Kinder orientieren – das sei die gerechteste Lösung.

Für die Länderseite nannte Brandenburgs Bildungsminister Günter Baaske (SPD) Kita-Standards «unverzichtbar». Die Betreuungsquoten seien insgesamt gut, aber bei der Qualität gebe es Nachholbedarf. Die Einhaltung der Standards solle durch eine Zielvereinbarung des Bundes als Geldgeber mit jedem einzelnen Bundesland gesichert werden. Baaske verwies auf eine Berechnung von Experten, wonach der Bund von seinen Investitionen stark profitiere. Für jeden in bessere Kita-Betreuung investierten Euro erhalte er 53 Euro zurück – Geld, das sonst beispielsweise in Sozialkosten und Arbeitlosengeld fließen würde.

Bund-Länder-Bericht

Nach dem neuen Bund-Länder-Zwischenbericht «Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern» liegt der qualitativ notwendige Fachkraft-Kind-Betreuungsschlüssel für unter Dreijährige bei 1 zu 3 bis 1 zu 4, ab dem dritten Lebensjahr dann bei 1 zu 9. Wie das Statistische Bundesamt im September mitgeteilt hatte, wird derzeit in Deutschland ein Drittel aller Kinder unter drei Jahren (32,7 Prozent) in einer Kita betreut.

Große Unterschiede gibt es nach wie vor zwischen Ost und West: Während die Betreuungsquote in den westdeutschen Ländern durchschnittlich 28,1 Prozent betrug, lag sie in Ostdeutschland bei 51,8 Prozent. In den knapp 55 000 Kindertageseinrichtungen in Deutschland arbeiten nach Angaben der Statistiker rund 575 000 Fachkräfte. Seit dem 1. August 2013 gibt es für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz.

 

Die Erklärung der Verbände im Wortlaut

In einer gemeinsamen Erklärung von 16 Sozial- und Bildungsverbänden (darunter die GEW) heißt es:

„Um überall in Deutschland eine hohe Betreuungsqualität sicherzustellen, müssen verbindliche, bundesweit einheitliche und wissenschaftlich fundierte Standards eingeführt werden: Gemeinsam fordern dies mehrere Familien-, Kinderrechts- und Wohlfahrtsverbände sowie Gewerkschaften. Anlass dafür ist die Veröffentlichung des Zwischenberichts der Arbeitsgruppe „Frühe Bildung“, in der Bund, Länder und Kommunen gemeinsame Handlungsziele entwickeln und Vorschläge für Finanzierungsgrundlagen erarbeiten. Die Verbände begrüßen den von Bund und Ländern eingeschlagenen Weg zur Verbesserung der Qualität in Kitas und Kindertagespflege und gehen davon aus, dass nunmehr konkrete Umsetzungsschritte erarbeitet werden.

Gemeinsam erklären sie:

Eine hohe Qualität der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung zahlt sich nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Gesellschaft aus, da eine gute frühkindliche Bildung und Erziehung unterschiedliche Startbedingungen und Zukunftschancen wirksam ausgleichen kann. Sie trägt dazu bei, Bildungsnachteile abzubauen, Armut zu überwinden und Lebensverläufe wirtschaftlich und sozial zu stabilisieren.

So ist insgesamt zu begrüßen, dass die Politik auf die wachsende Nachfrage nach Betreuungsplätzen reagiert und den Ausbau von Kitas und Kindertagespflege gezielt vorangetrieben hat. Nun gilt es, auch die Weiterentwicklung der Qualität in der öffentlichen Diskussion und der Politik voranzutreiben. Nur so kann dem Grundsatz entsprochen werden, dass jedes Kind ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat.

Für die dringend erforderliche Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung braucht es eine große politische Anstrengung sowie erhebliche Mehrausgaben, für die Bund, Länder und Kommunen gemeinsame Verantwortung tragen. Es braucht aber auch die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern, Gewerkschaften, Verbänden und Elternvertreter/innen, die den Prozess begleiten.

Um überall in Deutschland eine hohe Betreuungsqualität sicherzustellen, müssen verbindliche, bundesweit einheitliche und wissenschaftlich fundierte Standards eingeführt werden.

Diese Standards müssen folgende Qualitätsaspekte thematisieren:

  • Zugang zu Kitas: Öffnungs- und Schließzeiten, Ganztagsangebote und Kosten für die Familien
  • Qualifikation der Fachkräfte einschließlich bundeseinheitlicher Regelungen zur Ausbildung
  • Fachkraft-Kind-Relation und Gruppengröße: Fachkraft-Kind-Relation für pädagogisch qualifizierte Fachkräfte sowie Festlegung einer maximalen Gruppengröße entsprechend den Bedürfnissen und des Alters der Kinder.
  • Leitlinien der pädagogischen Arbeit unter Berücksichtigung der in der UN-Kinderrechtskonvention normierten Kinderrechte, die z.B. durch das Recht auf Spiel, Bildung, Beteiligung und Selbstentfaltung einen inhaltlichen Rahmen setzen.
  • Verantwortungsbewusste Erziehungs- und Bildungspartnerschaft: Verhältnis Kind, Eltern, Fachkraft mit dem Kindeswohl im Zentrum.
  • Dauerhafte Qualitätssicherung und –weiterentwicklung: Bundes- bzw. länderspezifisches Monitoring sowie Sicherung der organisatorischen Rahmenbedingungen für Qualitätsentwicklung

Die Erklärung wird getragen von folgenden Organisationen:

  • Arbeiter-Samariter-Bund
  • AWO
  • Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege
  • Deutsche Liga für das Kind
  • Deutscher Familienverband
  • Deutscher Kinderschutzbund
  • Deutsches Kinderhilfswerk
  • evangelische arbeitsgemeinschaft familie
  • Familienbund der Katholiken
  • Fröbel-Gruppe
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
  • Lebenshilfe
  • Pestalozzi-Fröbel-Verband
  • Verband alleinerziehender Mütter und Väter
  • Verband binationaler Familien und Partnerschaften
  • Zukunftsforum Familie
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