Die „Generation Bildschirm“ ist digital mehr naiv als nativ: Experten fordern deshalb Medienbildung – schon in der Grundschule

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HANNOVER. Die junge Generation heute wächst so gläsern auf wie keine zuvor. Wer Apps herunterlädt, erlaubt in der Regel den Zugriff auf die eigenen Daten. Bei einer Tagung in Hannover ging es um die Frage: Wie können Jugendliche über diese Gefahren besser aufgeklärt werden?

Computer gehören in anderen Staaten längst zum Schulalltag - in Deurtschland noch nicht. Das soll sich jetzt ändern. Foto: Ben Grey / flickr (CC BY-SA 2.0)
Computer gehören in anderen Staaten längst zum Schulalltag – in Deurtschland noch nicht. Foto: Ben Grey / flickr (CC BY-SA 2.0)

Medienbildung sollte nach Auffassung von Experten zu einem Pflichtfach schon in der Grundschule werden. Dies müsse auf Augenhöhe mit Deutsch, Mathe sowie der ersten Fremdsprache geschehen, sagte der Braunschweiger Medienkoordinator Stefan Schaper der dpa. Die Jahrestagung der Landesstelle Jugendschutz (LJS) Niedersachsen drehte sich am Dienstag um den Schutz der Privatsphäre beim Umgang mit Smartphone und Co. «Big Data – Der Spion in uns» lautete der Titel der Tagung. Eigentlich sei Medienbildung eine zwingende Querschnittsaufgabe, sagte Schaper. Es sei aber nicht machbar, alle Lehrenden in der Schule digital fit zu machen.

Im niedersächsischen Kultusministerium gibt es derzeit keine Pläne, ein eigenes Schulfach Medienbildung zu etablieren. Im Landeskonzept «Medienkompetenz in Niedersachsen – Ziellinie 2020» hat die Landesregierung allerdings im Sommer verbindliche Schritte in allen Bildungsbereichen beschlossen. Die Medienbildung werde nach und nach in die Unterrichtsfächer eingebunden, sagte eine Ministeriumssprecherin der dpa.

Zum Beispiel über Bildrechte seien auch jüngere Kinder schon recht gut informiert, sagte Schaper. Sie hätten manchmal sogar einen Wissenvorsprung vor ihren Eltern. «Aber „digital native“ heißt hier auch oft „digital naiv“.» Kindern und Jugendlichen fehlten Weitsicht, Informationen und Erfahrung, um kompetent zu handeln, obwohl sie «Ureinwohner der digitalen Welt» sind.

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Mädchen und Jungen sei oft nicht klar, dass sie beim Herunterladen von vermeintlich kostenlosen Apps mit ihren Daten bezahlen, sagte LJS-Medienreferentin Eva Hanel. Mit Einwilligungen, die dabei erteilt werden müssen, erlaube man Dritten die Verwendung privater Daten wie Fotoalben oder Kontaktlisten. Junge Nutzer hinterfragten das nur selten, teilweise bewerteten sie sogar individuell zugeschnittene Werbeangebote als positive Serviceleistung.

«Der Zugriff auf Daten ist eine Bedrohung für die Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie», sagte die Bildungsforscherin Nadia Kutscher von der Universität Vechta, die nicht wie ursprünglich geplant zur Tagung kommen konnte. «Mädchen und Jungen müssen in der Schule besser über die Problematik aufgeklärt werden. Ich finde es aber gut, wenn dies nicht die Lehrer, sondern externe Akteure machen.»

Beim Eintritt in die digitale Welt sind Kinder immer jünger. Laut einer Umfrage unter mehr als 1000 Dritt- und Viertklässlern in Braunschweig besitzen knapp 70 Prozent von ihnen ein Smartphone, davon fast 70 Prozent mit einer Flatrate. Die Medienbildung müsse näher an der Lebenswelt der Kinder andocken, forderte Schaper, der auch ein Jugendzentrum leitet. Als Beispiel nannte er ein Ferienprojekt, bei dem Mädchen und Jungen anhand eines fiktiven Kriminalfalls Datenspuren im Netz suchen. Diese spielerische Aufklärung über die Gefahren des Daten-Diebstahls soll demnächst auch an Braunschweiger Schulen etabliert werden. dpa

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