Pensionierungswelle rollt durch die Schulen – GEW: Das war absehbar! Länder sind trotzdem nicht vorbereitet! „Eklatantes Politikversagen“!

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WIESBADEN. Eine Pensionierungswelle in Rekordhöhe rollt durch die Schulen. Ein Ergebnis: In Deutschland gibt es mittlerweile so viele Lehrer im Ruhestand wie noch nie. Rund 386.700 frühere Lehrkräfte bekommen Bezüge. Im Vergleich zum Vorjahr waren das Anfang 2016 rund 19.900 Beamte oder gut fünf Prozent mehr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte. Die GEW schlägt Alarm. „Die hohe Zahl der Pensionierungen von Lehrkräften muss ein Weckruf für die Landesregierungen sein: Tut mehr für den Nachwuchs, sonst bluten unsere Schulen aus“, sagt Gewerkschaftschefin Marlis Tepe. Die Welle komme ja nicht überraschend. Überraschend sei allerdings, dass die Länder offenbar so wenig darauf vorbereitet seien – die Zahl unbesetzter Stellen steige.

Noch nie gab es so viele Lehrkräfte im Ruhestand wie heute. Foto: Sam Fox Photography / flickr (CC BY-SA 2.0)
Noch nie gab es so viele Lehrkräfte im Ruhestand wie heute. Foto: Sam Fox Photography / flickr (CC BY-SA 2.0)

Neu in den Ruhestand versetzt wurden laut Statistischem Bundesamt 2015 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) rund 27.900 Lehrer. Das waren genauso viele wie im Vorjahr und mehr als in allen anderen Jahren seit Beginn der Erhebungen 1993. Dienstunfähigkeit war für rund zwölf Prozent (Vorjahr: elf Prozent) der Pensionierten der Grund, in den Ruhestand zu gehen. Diese Lehrer waren im Schnitt 58,9 Jahre alt. Zwischen 1993 und 2001 ging jedes Jahr mehr als die Hälfte der pensionierten Lehrer wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. «Nach der Einführung von Versorgungsabschlägen bei vorzeitiger Pensionierung nahm bis 2014 die Bedeutung der Dienstunfähigkeit als Grund für den Ruhestand kontinuierlich ab», stellen die Statistiker fest.

Die Zahl der Pensionierungen ist bereits seit 2006 auf einem hohen Stand und seit 2010 kontinuierlich gestiegen. In den nächsten Jahren seien weiterhin hohe Zahlen zu erwarten. Wegen des Babybooms und steigender Schülerzahlen waren bis in die 1970er Jahre besonders viele Lehrkräfte eingestellt worden.

Tepe: Endlich gegensteuern

Die GEW-Vorsitzende Tepe fordert, hier endlich gegenzusteuern. „Die wichtigsten Bausteine einer konzertierten Aktion, um auch weiterhin guten Unterricht qualifizierter Lehrkräfte sicher zu stellen: gleiche Bezahlung an allen Schulformen, die frühe Spezialisierung auf Schultypen beenden, Aus- und Weiterbildung besser ausstatten, umfassender Qualifizierungsanspruch für Quer- und Seiteneinsteiger sowie bessere Arbeitsbedingungen, damit die Lehrkräfte gesund bleiben und nicht vor dem Ruhestand aus dem Beruf aussteigen müssen“, betont Tepe.

Sie stellt fest, dass es immer mehr Bundesländer bereits jetzt nicht mehr schafften, freiwerdende Stellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen: „Die Folge: Stellen bleiben frei oder werden mit Menschen ohne Lehramtsausbildung besetzt.“ Zusätzlich zu Berufs- und Förderschullehrkräften – der Bedarf kann schon seit Jahren nicht gedeckt werden –  fehlten zunehmend Lehrkräfte für Grundschulen. „Das ist eine hausgemachte Mangelsituation: Diese Lehrkräfte werden in allen Bundesländern schlechter bezahlt als (fast) alle anderen Lehrkräfte, obwohl auch für das Grundschullehramt ein Masterstudium und der Vorbereitungsdienst erforderlich sind“, unterstrich Tepe.

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Die GEW-Vorsitzende wirft den Bundesländern eklatantes Politikversagen vor: „Während die Entwicklung der Schülerzahlen durch die Zuwanderung kaum vorherzusehen war, sind die wichtigsten Kriterien für den Einstellungsbedarf von Lehrkräften, die Altersstruktur in den Kollegien und die Geburtenrate, bekannt und eine verlässlich Planungsgrundlage. Trotzdem ist über Jahre hinweg an den Unis massiv gespart worden – und zwar gerade in der Lehrerbildung, für die sich nicht so einfach Drittmittel aus der Wirtschaft einwerben lassen“, betont Tepe.

Sie weist darauf hin, dass die Pensionierungszahlen ein unvollständiges Bild des personellen Ersatzbedarfs an den Schulen zeichneten: Zusätzlich zu den verbeamteten gingen Jahr für Jahr immer mehr angestellte Lehrkräfte in Rente, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern. Hier sei die Mehrzahl der Lehrerinnen und Lehrer nach der Wende nicht verbeamtet worden. Die GEW-Vorsitzende warnte: „In den ostdeutschen Ländern wird sich die Lage in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Das Land Berlin hat bereits im vergangenen Jahr rund ein Drittel Seiteneinsteiger eingestellt. Im April warb der Berliner Senat schon mit Anzeigen in Österreich und den Niederlanden um Lehrkräfte. In Sachsen wurde in einzelnen Schulbezirken aktuell mehr als die Hälfte der Stellen mit Quereinsteigern besetzt, landesweit sind rund 45 Prozent der Neuen Quer- und Seiteneinsteiger.“ Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

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