Depression ist ein Risikofaktor fürs Herz wie das Rauchen – und Lehrkräfte, die sich nicht anerkannt fühlen, sind gefährdet

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MÜNCHEN. Millionen Menschen leiden daran: Depression gilt als Volkskrankheit. Dabei kann die Seelennot auch aufs Herz schlagen – stärker als bislang vermutet. Auch Lehrkräfte sind betroffen. Sie sind durch ihre berufliche Belastungssituation gefährdet. Insbesondere dann, wenn sie ihre Leistung nicht anerkannt fühlen.

Viele Lehrkräfte fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Viele Lehrkräfte fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wie ein schwarzer, bleischwerer Vorhang, der sich auf das Leben legt: So beschreiben Betroffene ihren Zustand. Sie fühlen sich müde, freudlos und denken sogar daran, ihr Leben zu beenden. Depression wird als Volkskrankheit teils bis heute unterschätzt. Dabei hat sie unbehandelt mitunter schwere körperliche Folgen. Auf die Dauer kann sie auch aufs Herz schlagen – und zwar stärker als bisher angenommen.

Münchner Forscher haben herausgefunden, dass Depressionen bei Männern ein ähnlich großes Risiko für Herzkreislauferkrankungen bergen wie die klassischen körperlichen Faktoren Übergewicht und erhöhtes Cholesterin. Nur Bluthochdruck und Rauchen brächten ein noch höheres Risiko mit sich, berichtet Studienleiter Karl-Heinz Ladwig.

Die Daten sprächen dafür, dass 15 Prozent der Todesfälle in Folge von Herzkreislauferkrankungen vermeidbar gewesen wären, wenn nicht eine Depression mit dabei gewesen wäre. «Das ist vergleichbar mit den anderen Risikofaktoren wie zu hohes Cholesterin, Fettleibigkeit und Rauchen», sagt Ladwig. Bei diesen Faktoren reiche der Anteil von 8,4 bis 21,4 Prozent.

«Ein psychisches Phänomen kann größere Einflüsse auf den Körper haben, als man bisher dachte», betont Ladwig. Folglich könnte eine Therapie der Depression in manchen Fällen Herzinfarkte vermeiden helfen und im Extremfall sogar Leben retten. Der Forscher schlägt deshalb vor, bei Hochrisikopatienten eine mögliche Depression standardmäßig abzuklären. Es müsse für die betreffenden Ärzte klar sein, «dass die depressive Stimmungslage ein Teil des Risikobildes der kardiovaskulären Erkrankung ist».

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Die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hatten für die Studie Daten von 3428 Männern zwischen 45 und 74 über einen Zeitraum von 10 Jahren untersucht. Die Ergebnisse veröffentlichten sie nun im Fachmagazin «Atherosclerosis».

Die Studie hatte Daten von Männer ausgewertet, weil Frauen im Alter bis 65 selten Herz-Kreislauferkrankungen haben, erläuterte der Studienleiter. Die Ergebnisse seien aber grundsätzlich auf Frauen übertragbar – die zudem öfter an Depressionen leiden als Männer.

Schon frühere Studien hatten einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Herz-Kreislauferkrankungen nachgewiesen – jedoch nicht in diesem Ausmaß. Neu an der aktuellen Studie sei neben der hohen Zahl der ausgewerteten Daten, «die Aussage, dass Depression ein so großer Risikofaktor sein kann wie andere klassische Erkrankungen, von denen man das schon lange weiß», sagt Arno Deister, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).

Ärzte hätten zwar bei Menschen mit seelischen Erkrankungen meist auch die körperliche Seite mit im Blick, und bei körperlichen die seelische. «Aber bei der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Kardiologen und Psychiatern könnten wir noch etwas besser werden», sagt Deister, der als Chefarzt das Zentrum für psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe leitet. Depression werde häufig bis heute nicht erkannt, schließlich gehen die meisten regelmäßig zum Hausarzt, aber nicht zum Psychiater. Teils gelte sie in der Gesellschaft noch immer nicht als ernsthafte Erkrankung. «Depressive haben oft den Eindruck, sie sind nicht richtig krank – oder denken, sie hätten etwas falsch gemacht und seien selbst schuld.» Dabei greife Depression tief in den Organismus ein. «Depression ist eine Form von massivem Stress.»

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit 350 Millionen Menschen an Depressionen. Die wissenschaftliche Behandlungsleitlinie in Deutschland geht davon aus, dass hierzulande 16 bis 20 Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken.

Depressive Herzpatienten haben dabei ein besonderes Risiko: «Die Patienten nehmen nicht so strikt ihre Medikamente und kümmern sich nicht so gut um Ernährung und sportliche Betätigung wie Nicht-Depressive», sagt die Münchner Kardiologin Petra Hoppmann.

Chronische Entzündungsvorgänge

Die Depression wirke auf die Gefäße aber auch über Stresshormone: Diese verändern den Stoffwechsel. Die Folge sind chronische Entzündungsvorgänge, die Gefäße verändern und die Blutgerinnung fördern. Damit können Adern leichter verstopfen. Die neue Studie zeige den Effekt deutlicher als bisher und anhand einer sehr guten Datenlage. Ähnliche Vorgänge hätten andere Forscher auch bei chronischer Erschöpfung beobachtet.

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Das Herz reagiert über Stresshormone besonders stark auf die Psyche. Kardiologen befassen sich seit Anfang der 1990er Jahre auch mit dem «Broken-Heart-Syndrom»- im Fachjargon Stress-Kardiomyopathie – als akutes Krankheitsbild. Es geht bei schweren Verlusten, Trennungen und psychischer Belastung mit ähnlichen Symptomen einher wie ein Infarkt: Das Herz krampft sich zusammen, die Brust schmerzt. Ursache ist aber keine verschlossene Ader, sondern eine stressbedingte Schädigung des Herzmuskels, die aber normalweise heilt.

Auch wenn die Stress-Kardiomyopathie nicht gleich zum Tod führt: Redewendungen wie «Jemand stirbt an gebrochenem Herzen» und «sich etwas zu Herzen nehmen» bezögen sich auf den besonderen Zusammenhang zwischen Herz und Gefühl, sagt Deister. «Wir schreiben unter einen Brief ja auch „herzliche Grüße“ – und nicht „gehirnliche Grüße“.» Von Sabine Dobel, dpa

 

Risikofaktor: Der Stresslevel von Lehrkräften

Lehrkräfte  leiden besonders häufig unter dem Gefühl, wenig Wertschätzung für ihre Tätigkeit zu bekommen. Das zeigt eine Befragung von knapp 3.700 Lehrkräften in Bayern.

Der Bayerische Beamtenbund (BBB), Dachverband des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV), wollte wissen: Wie ist es um die psychische Gesundheit vom Bayerns Staatsbediensteten bestellt? Um das herauszufinden, lies der Verband den BBB-Stressmonitor entwickeln, einen Online-Test, mit dem jeder Teilnehmer sein persönliches Stresslevel ermitteln kann und ob bereits Anzeichen einer psychischen Erkrankung vorliegen. Insgesamt 10.906 Beschäftige absolvierten zwischen Oktober 2013 und September 2014 den Stressmonitor, darunter 3.673 Lehrerinnen und Lehrer. BBB und BLLV hatten mehrfach dazu aufgerufen, sich an der Erhebung zu beteiligen.

Der Stressmonitor ist ein Internet-Fragebogen, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Jeder Teilnehmer erhält am Ende eine individuelle Auswertung. Der Test ist seit einigen Jahren in der Wirtschaft im Einsatz, wo ihn bislang 20.000 Teilnehmer absolviert haben. Für den Bayerischen Beamtenbund wurde eine auf die Verhältnisse des Öffentlichen Dienstes angepasste Version entwickelt. Betreut wurde das Projekt von der Leuphana Universität Lüneburg, der Schön Klinik Roseneck in Prien und von Medicaltex GmbH München.

Die Ergebnisse: Etwa die Hälfte aller Teilnehmer erlebte sich – teils hochgradig (23 %) – durch Stress belastet. 39 Prozent fühlen sich ausgebrannt, 38 Prozent gaben an häufig Schlafstörungen zu haben.  Bei 7,5 Prozent der Testabsolventen zeigten sich Anzeichen auf eine Depression, bei 5 Prozent auf eine Angststörung. Lehrkräfte fühlten sich im Vergleich zu anderen Berufsgruppen am meisten gestresst. Sie klagten in höherem Maß über eine Zunahme von Arbeit, Überstunden und Verantwortung. Aber: Sie nahmen sich selbst vergleichsweise weniger oft als ausgebrannt wahr und litten seltener unter Depressionen.

Dafür stecken Lehrerinnen und Lehrer häufiger als andere Berufe in einer Gratifikationskrise, ein Risiko-Faktor, der zu einem Burnout oder einer psychischen Erkrankung führen kann. Knapp 37 Prozent beklagten ein deutliches Missverhältnis zwischen eigener Leistung und Gegenleistung. Die Betroffenen haben das Gefühl, mehr Einsatz bringen zu müssen als in Form von Anerkennung und Geld zurückkommt.  Weitere 25 Prozent der Lehrkräfte nehmen immerhin ein Ungleichgewicht war. Im Vergleich dazu fällt die Zufriedenheit in anderen Zweigen des Öffentlichen Dienstes und auch in Unternehmen höher aus.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Stressmonitor:

  • Anerkennung der Arbeit und eine gerechte Behandlung wirken sich deutlich positiv aus.
  • Das Vorhandensein von Unterstützung in schwierigen Situationen zeigt einen deutlichen Zusammenhang zu verbesserter psychischer Gesundheit.
  • Zunehmender Arbeitsumfang vermindert die psychische Gesundheit.
  • Aufstiegschancen, berufliche Stellung und Gehalt sind im Vergleich zu Unterstützung, gerechte Behandlung weniger wichtig für die psychische Gesundheit.
  • Zeitdruck und Arbeitsunterbrechungen stehen in starkem Zusammenhang mit verminderter psychischer Gesundheit.
  • Höhere Verantwortung wirkt sich dann negativ aus, wenn dies mit stärkerem Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen und zunehmender Arbeitsverdichtung einhergeht.

 

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