Entpuppt sich Wankas Fünf-Milliarden-Digitalpakt für die Schulen als heiße Luft? Im Bundeshaushalt ist dafür bislang kein Geld vorgesehen

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BERLIN. Entpuppt sich der von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vor einem halben Jahr groß angekündigte „Digitalpakt“ für die Schulen in Deutschland als heiße Luft? Die SPD-Bundestagsfraktion schlägt Alarm. Ihr zufolge fehlt in den Haushaltsplanungen für 2018 und die folgenden Jahre jeglicher Hinweis auf die fünf Milliarden Euro, die Wanka für die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik bereitstellen möchte. VBE-Chef Udo Beckmann reagiert gereizt.

Will fünf Milliarden Euro für die Ausstattung der Schulen mit WLAN und Computern ausgeben: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Foto: wissenschaftsjahr / flickr (CC BY 2.0)
Will fünf Milliarden Euro für die Ausstattung der Schulen mit WLAN und Computern ausgeben – doch noch steht davon nichts im Haushalt: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Foto: wissenschaftsjahr / flickr (CC BY 2.0)

„Finanzminister Schäuble plant ab 2018 mit deutlich steigenden Verteidigungsausgaben und sinkenden Ausgaben für Bildung und Forschung“, erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz. Bundesbildungsministerin Wanka habe gegenüber Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Finanzplanung für die nächsten Jahre den Kürzeren gezogen. Dies ergebe sich aus einem im Kabinett verabschiedeten Eckwerte-Beschluss. Der von Wanka selbst initiierte „Digitalpakt“ von Bund und Ländern für Schulen und Berufsschulen „hängt erst einmal finanziell in der Luft“, so Schulz. „Die Ministerin erweist sich leider als unambitioniert und wenig durchsetzungsfähig.“

Beim Bundesbildungsministerium gibt man sich gelassen. Das Geld für den Digitalpakt müsse in den Haushalt noch eingestellt werden, hieß es laut Informationsdienst Golem.de. Voraussetzung sei allerdings eine Bund-Länder-Vereinbarung, über die derzeit verhandelt werde. Bis zum Sommer sei das nicht zu machen, dafür sei das Thema zu komplex. „Wichtig ist, dass Bund und Länder sich soweit verständigen, dass man in neuen Koalitionsverhandlungen die entsprechenden Mittel für einen Digitalpakt einwerben kann. Ohne grundsätzliche Verständigung hat man beim Finanzminister keine guten Argumente“, so zitiert Golem.de eine Stellungnahme des Hauses. Wie hoch die Summe dann ausfalle und in welchen Jahrestranchen sie fällig werde, werde man „dann sehen“.

Was ist wichtiger: den Unterricht digital aufzurüsten – oder die maroden Schulgebäude instandzusetzen? Wanka: beides

VBE-Chef Udo Beckmann zeigte sich bei der Eröffnung des Deutschen Schulleiterkongress am vergangenen Freitag irritiert darüber, dass für den „Digitalpakt“ bislang kein Geld im Bundeshaushalt verankert sei. Dabei gebe es viel Nachholbedarf nicht nur bei der technischen Ausstattung, sondern auch bei der Fortbildung der Lehrer. Der VBE werde Druck machen, dass das angekündigte Geld aus Berlin für die digitale Bildung fließe.

„Sie tut nichts“

In die gleiche Kerbe schlägt der FDP-Politiker Andreas Pinkwart, ehemaliger Wissenschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und Rektor der HHL Leipzig Graduate School of  Management. „In der Bildungspolitik begeht die Bundesregierung derzeit eine der größtmöglichen Unterlassungssünden. Sie weiß, was getan werden muss, sie weiß warum, und sie hat das Geld dafür. Aber: Sie tut nichts“, so schreibt Pinkwart in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“. „Während die Digitalisierung in rasanter Geschwindigkeit ganze Branchen entstehen und verschwinden lässt und unser Leben umkrempelt, ist sie in unseren Schulen noch nicht einmal Neuland. Eher ein unbekanntes Fernreiseziel. All die Versprechen, die Schulen mit moderner Technik auszustatten, neue Medien im Unterricht einzusetzen und unsere Kinder auf die digitale Zukunft vorzubereiten – verschoben auf die Zeit nach der Wahl.“ Das sei ein Trauerspiel in Zeiten von Rekord-Steuereinnahmen.

Viele deutsche Schulen seien in Sachen Netzanschluss, Computer und Software museumsreif. „Die Lehrer bekommen so gut wie keinerlei Fortbildung, um digitale Technik in den Unterricht zu integrieren. Es ist eine fatale Mischung aus technischem und pädagogischem Stillstand. Ergebnis: Unsere Schüler belegen mit ihrem digitalen Know-how in internationalen Vergleichsstudien höchstens Mittelfeldplätze, ein Drittel wird abgehängt“, erklärt Pinkwart.

Mehr und mehr stelle es sich als Fehler heraus, dass Bund und Länder das Thema nicht von vornherein zur Chefsache gemacht hätten. Stattdessen sei die digitale Infrastruktur beim Bundesverkehrsminister „angeflanscht“, der hauptsächlich mit der Maut kämpfe. „Und der Bundesfinanzminister bremst die Bildungsministerin bei den Etatverhandlungen aus. Letzte Hoffnung: die Kanzlerin. Ein Digitalgipfel mit den Ministerpräsidenten und Bildungsministern müsste jetzt eigentlich Tempo machen und dafür sorgen, dass die fünf Milliarden noch im nächsten Haushalt auftauchen und die pädagogischen Konzepte mit Hochdruck erarbeitet werden. Dafür muss Zeit sein, Wahlkampf hin oder her“, meint der Ex-Wissenschaftsminister.

Deutscher Schulleiterkongress: Warum die digitale Revolution noch lange auf sich warten lässt (an den meisten Schulen jedenfalls)

Im Oktober hatte Wanka ihre Pläne für einen „Digitalpakt“ mit den Ländern vorgestellt, um „Grundschulen, weiterführende allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, W-LAN und Geräten zu versorgen“. Danach sollen die rund 40.000 Schulen in Deutschland in den nächsten fünf Jahren mit einem Fünf-Milliarden-Euro-Programm fit gemacht werden – umgerechet also ein Durchschittsbetrag von 125.000 Euro pro Schule. Die für Schulpolitik eigentlich zuständigen Länder sollen sich im Gegenzug das Geld vom Bund „verpflichten, die entsprechenden pädagogischen Konzepte, die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie gemeinsame technische Standards umzusetzen“. Agentur für Bildungsjournalismus

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