HANNOVER. Zum Schuljahresbeginn lief es vielerorts nicht rund: Die kurzfristige Abordnung von Lehrern machte besonders Gymnasien zu schaffen und sorgte vielerorts für Unmut. Warum es dazu kam, wollten CDU und FDP im Landtag wissen. In der heutigen Plenarsitzung lieferten sich die Abgeordneten heftige Wortgefechte.
Beim Dauer-Streitthema Bildungspolitik ist die Opposition im Landtag angesichts geänderter Mehrheitsverhältnisse in die Offensive gegangen. Eine Debatte zu den Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grundschulen geriet am Mittwoch auch zu einer Abrechnung mit der Amtszeit von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). „Seit zwei Wochen können weder an Grundschulen, noch an Oberschulen, noch an Gymnasien vollständig fertige Stundenpläne gemacht werden. Unterricht findet aktuell in diesem Chaos nicht statt. Das ist eine Schande für dieses Land“, sagte der FDP-Bildungsexperte Björn Försterling.
Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) wies den Oppositionsvorwurf von chaotischen Zuständen an Niedersachsens Schulen zurück. Sie verwies gleichzeitig darauf, dass die Aushilfe von Lehrern an anderen Schulen kein rein niedersächsisches Problem sei. In allen Bundesländern würden derzeit Bewerber für das Grundschullehramt fehlen. In Nordrhein-Westfalen sei man sogar dazu übergegangen, Gymnasiallehrer an Grundschulen zu versetzen. „Es gibt in Niedersachsen 6.000 bis 7.000 Abordnungen pro Jahr“, sagte die Ministerin. Derzeit seien 171 Lehrer von Gymnasien an Grundschulen abgeordnet, das betreffe 48 Schulen. „Da von Chaos zu sprechen ist schlicht und einfach falsch.“ Bei künftigen Abordnungen solle jeder Einzelfall geprüft werden.
Proteste der Opposition
Heiligenstadt zeigte sich optimistisch, dass sich die Situation in den kommenden Jahren entspannen werde. Die Delle in der Lehrerausbildung werde sich glätten. Künftige Grundschullehrer hätten in Niedersachsen bereits jetzt eine De-facto-Einstellungsgarantie.
Der CDU-Abgeordnete Kai Seefried warf der Ministerin dennoch Unfähigkeit vor. „Statt auf die Situation in unseren Schulen zu reagieren, redet die Kultusministerin die Sache schön.“ Die Unterrichtsversorgung an den Schulen habe sich beständig verschlechtert. Nun werde versucht, den Mangel an Grundschullehrern mit hektischen Aktionen wie den Abordnungen zu kompensieren. „Das sind ministeriell organisierte Chaostage, die da an unseren Schulen stattfinden.“ Der FDP-Abgeordnete Stefan Birkner warf Heiligenstadt vor, jeden Gestaltungsanspruch in der Bildungspolitik aufgegeben zu haben. „Sie haben keine Konzepte, wie sie diesem Chaos begegnen.“
Die Abgeordneten Heiner Scholing (Grüne) und Stefan Politze (SPD) entgegneten auf die Oppositionsvorwürfe, es sei die schwarz-gelbe Vorgängerregierung gewesen, die die Kapazitäten zur Lehrerausbildung an den Universitäten zurückgefahren hätten. Deswegen fehlten nun Pädagogen an den Schulen.
Proteste von Elternseite
Elternvertreter machen derweil gegen die Schulpläne des Landes mobil. Wie die „Hannoversche Allgemeine“ berichtet, hat der Verband der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens am heutigen Mittwoch einen Aufruf an alle 260 Gymnasien verschickt. „Bitte informieren Sie die Eltern in Ihrer Schule und protestieren Sie gemeinsam gegen die Abordnungen von unseren Gymnasien und die zunehmend schlechte Unterrichtsversorgung“, heißt es in dem Aufruf. Laut des Verbandes werde sich die Unterrichtsversorgung an Gymnasien durch die Abordnungen noch verschlechtern. Die Elternräte in Niedersachsen kritisieren vor allem, dass zahlreiche Lehrer sehr kurzfristig an andere Schulen geschickt wurden – zu einem Zeitpunkt also, an dem sie an der eigenen Schule schon verplant waren.
Nach Beobachtung des Philologenverbandes Niedersachsen würden viele der abgeordneten Gymnasiallehrer zudem gar nicht für den Unterricht eingesetzt. Sie müssten im Gegenteil nachrangige Aufgaben erledigen, würden beispielsweise als Zweitlehrkraft oder als Aufsicht eingesetzt. Das sei eine „unerträgliche Verschwendung von wertvollen Unterrichtsstunden, die den Gymnasien fehlen“ sagte der Vorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz. dpa