Jung, männlich, Muslim – Lehrer kämpfen mit wachsenden Herausforderungen

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DÜSSELDORF. Individuelle Förderung, Integration behinderter und zugewanderter Kinder – Lehrer stehen deutschlandweit vor zunehmenden Herausforderungen. Knifflig kann der Umgang mit männlichen muslimischen Teenagern sein. Ein Erziehungswissenschaftler rät: Bloß nicht ständig zum Chef rennen!

Für die Studie waren 10.000 Neuntklässler befragt worden, davon 500 muslimische. Foto: Shutterstock
Zwei Drittel der ausländischen Schüler in NRW sind männlich. Foto: Shutterstock

In den Klassenzimmern wachsen die Zahlen ausländischer Schüler – und mit ihnen die Herausforderungen für die Lehrer. Beispiel NRW: im vergangenen Schuljahr wurden fast 43.000 ausländische Schüler mehr unterrichtet als ein Jahr zuvor. Das teilte das Schulministerium auf Anfrage mit.

Laut amtlicher Schulstatistik waren im Schuljahr 2016/17 fast 268.000 der insgesamt über 2,5 Millionen Schüler in NRW Ausländer mit anderer Staatsangehörigkeit. Nach Zahlen des Statistischen Landesamts hat sogar schon jeder dritte Schüler in NRW eine Zuwanderungsgeschichte. Das heißt, das Kind oder mindestens ein Elternteil wurde im Ausland geboren oder die Sprache in der Familie ist nicht Deutsch. Im Schuljahr 2010/11 traf das erst auf jeden Vierten zu.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist sich der wachsenden Aufgaben für die Lehrer bewusst: Sprache, Orientierung im Alltagsleben, im deutschen Rechtsstaat, Grundwerte. «Zweifelsohne ist dies eine besondere Herausforderung», sagte sie.

Der Düsseldorfer Erziehungswissenschaftler Klaus Spenlen sieht die Lehrer dafür nicht ausreichend gewappnet. «Die Aufgaben sind überbordend bis überfordernd und die Personalausstattung ist miserabel», sagte der Lehrbeauftragte der Heinrich-Heine-Universität. Beim Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf (8. bis 10. März) will er Lehrern vor allem vermitteln, wie sie mit der Flüchtlingsgruppe «jung, ledig, männlich, Muslim» besser umgehen können.

Die tollsten Hechte im Teich

Nach Zahlen des Schulministeriums sind zwei Drittel der ausländischen Schüler männlich. Das Merkmal «Flüchtling» wird aber in den amtlichen Schuldaten nicht erhoben.

Zu erheblichen Verstimmungen komme es, wenn Flüchtlinge aus dem orientalischen Kulturkreis die Autorität von Lehrerinnen nicht anerkennen, stellte Spenlen fest. «Manche fühlen sich als die tollsten Hechte im Teich, und das kann zu Schwierigkeiten führen.»

Allerdings sei das nicht allein auf die Herkunft zurückzuführen. «Das ist eine Milieu-Frage.» Falsch wäre der Eindruck, muslimische Jungen aus orientalischen Ländern seien per se eine Problemgruppe, mahnt der Bildungsforscher. «In dem Alter bringen fast alle genügend Auffälligkeiten mit», weiß der ehemalige Neusser Schulleiter.

«Man darf den Konflikt nicht auf die Spitze treiben und sich in der Lehrerrolle als so hilflos darstellen, dass man ständig zum Schulleiter läuft», rät der Autor zahlreicher Lehrerleitfäden zum Themenkomplex «Schule und Islam.»

Sein Erfolgsrezept aus zehnjähriger Lehrertätigkeit: «Man muss sich auch über Mathe und Englisch hinaus mit den Kindern beschäftigen und sie in anderen Situationen erleben. Ich habe mich an vielen Nachmittagen mit Kindern und Jugendlichen verabredet und außerhalb des Unterrichts Musik oder Sport mit ihnen gemacht», berichtet Spenlen. «Das sind Türöffner zu den Kindern.» Ideal wäre aus seiner Sicht, den Lehrern solches Engagement nicht als Ehrenamt abzuverlangen, sondern ein Stück der Unterrichtsverpflichtung als Freiraum zu definieren.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Nach Überzeugung der Schulministerin hat das Land bereits viel getan. Jetzt sieht Gebauer den Bund in der Pflicht, seiner Verantwortung für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe gerecht zu werden.

Seit 2015 sind in NRW nach Angaben des Ministeriums 7343 Stellen für den erhöhten Bedarf von Flüchtlingskindern geschaffen worden – darunter 1500 Integrationsstellen für Sprachförderung. Tausende befristete Stellen sind demnach mit dem Haushalt 2018 in reguläre Stellen umgewandelt worden. Für Deutsch als Zweitfremdsprache seien 2,4 Millionen Euro in die Lehrerfortbildung investiert worden.

Im Schuljahr 2016/17 besuchten über 85.000 Teilnehmer insgesamt rund 8.300 Fördergruppen für die deutsche Sprache. Die Durchschnittgröße solche Gruppen liegt nach Angaben des Ministeriums bei rund 10 Schülern.

Mit einem neuen Erlass will die Landesregierung nun präzisieren, in welcher Form zugewanderte Schüler am besten in Deutsch unterrichtet werden können. Der Entwurf, der derzeit von den Verbänden beraten wird, sieht drei Möglichkeiten vor: eigene Lerngruppen in externen Klassen, kompletter Unterricht in Regelklassen und eine Mischform. Befristet sollen auch Teilstandorte zugelassen werden, wo ausschließlich zugewanderte Kinder unterrichtet werden, falls es räumliche Engpässe gibt. Der Erlass soll zum 1. August in Kraft treten. dpa

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Cavalieri
6 Jahre zuvor

„Zu erheblichen Verstimmungen komme es, wenn Flüchtlinge aus dem orientalischen Kulturkreis die Autorität von Lehrerinnen nicht anerkennen,…“
Diese Formulierung lässt erkennen, dass man gepflegt um den heißen Brei herumreden möchte. Verstimmungen? Mehr nicht?
Viel wird diskutiert über Sexualerziehung, über Transsexuelle usw., aber die verklemmte und verkrampfte Moral (auch bei dem, was als „normal“ gelten kann) in diesen Kreisen ist normalerweise kein Thema:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/muslimische-gesellschaft-sexuelle-frustration-junger-muslime.976.de.html?dram:article_id=350994
Niemand traut sich, diese verklemmte Moral einfach abzuschaffen. Da war die 1968er Bewegung aber erheblich effektiver: das ging innerhalb weniger Jahre. „Sünde in der Religion“ war das damals auch und ist es im Katholizismus noch heute. Aber dass man religiöse Vorschriften auch ignorieren könnte, diese Botschaft soll in den Schulen wohl nicht vermittelt werden. Stattdessen scheint man die Befolgung solcher Vorschriften für integrationsfördernd zu halten. Ich kann das nicht erkennen. Umgekehrt wäre es richtig.

xxx
6 Jahre zuvor

Man könnte auch direkt schreiben, dass das Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie im islamischen Kulturkreis weit verbreitet sind und sich aktuell radikalisiert. Dazu kommen die allein eingereisten männlichen Flüchtlinge unter 30. Die Statistik über sexuelle Übertritte nach Nationalitäten (und normiert auf 100000 Angehörige dieser Nationalitäten) spricht Bände.