Bislang stehen nur wenige Seiteneinsteiger vor Thüringer Schulklassen – obwohl das Land mit ihnen seinen Lehrermangel in den Griff bekommen will. Bis Mitte Februar – zum Start des zweiten Schulhalbjahres – wurden vier Lehrer eingestellt, die nicht über ein Lehramtsstudium zu ihrem Job kamen, wie das Bildungsministerium auf Anfrage mitteilte. Auch für das kommende Schuljahr rechne man nicht unbedingt mit einem höheren Bedarf.
Einer, der ins kalte Wasser gesprungen ist und nun in Elternzeitvertretung unterrichtet, ist Karlheinz Teifke. Der 33-Jährige lehrt Hauswirtschaft am Förderzentrum Apolda (Weimarer Land). Einige der Schüler dort sind «verhaltensauffällig». Damit umzugehen, sei eine Herausforderung, sagte Teifke. «Man wird als Mensch auf die Probe gestellt.» Da helfe allein Lebenserfahrung.
Der Lehrerverband fordert vom Land derweil Nachjustierungen bei den Regeln. «Seiteneinsteiger brauchen eine Qualifizierung, bevor sie in die Klasse geschickt werden», sagte der Vorsitzende Rolf Busch. Bislang unterrichten solche «Neu-Lehrer» vom ersten Tag an und bilden sich parallel fort – anders als in Sachsen, wo Quereinsteiger zunächst selbst drei Monate lang die Schulbank drücken, bevor sie unterrichten dürfen. «Es braucht ein paar Grundlagen im Umgang mit Schülern«, stellte Busch fest. Nicht jeder wisse, wie man es schafft, dass Schüler einem zuhören.
Streng oder harmonisch?
Teifke ist gelernter Koch und staatlich geprüfter Betriebswirt. Bevor sie ihn in die Klasse zum Unterrichten schickten, rieten ihm einige Kollegen, von Anfang an eine gewisse Strenge zu zeigen. «Ich bin ein harmonischer Mensch. Aber aus dem Gastronomie-Bereich kenne ich auch autoritäre Führungsstile.» Einen Tag lang hospitierte er, eine Woche später stand er bereits vor der Klasse. Oft seien Kollegen dazu gekommen und hätten Hinweise gegeben. Auch die Schulleitung habe sich seinen Unterricht angesehen.
Rolf Busch vom Lehrerverband kritisierte die Mehrbelastung für jene Lehrer, die für Seiteneinsteiger Mentoren-Aufgaben übernehmen und den neuen Kollegen mit Rat zur Seite stehen. Sie müssten seiner Meinung nach entlastet werden – etwa, indem sie weniger Stunden unterrichten und dafür mehr Zeit für das Einarbeiten der Seiteneinsteiger bekommen.
Ende vergangenen Jahres hatte Thüringen den Weg für Seiteneinsteiger an allgemeinbildende Schulen frei gemacht. Davor stellte das Land solche Lehrer nur an berufsbildenden Schulen ein. Seit 2012 lag der Anteil der Seiteneinsteiger im Freistaat immer unter 5 Prozent, 2016 war er mit 3,2 Prozent am höchsten.
Auch in Zukunft sollen Seiteneinsteiger nach dem Willen des Bildungsministeriums die Ausnahme bleiben und nur dann eingestellt werden, wenn sich nicht genügend herkömmlich ausgebildete Fachkräfte finden. dpa
Eine intensivere Ausbildung der Seiteneinsteiger ist vollkommen richtig. Es geht vor allem um die Didaktik und Methodik des Unterrichtens. Viele Seiteneinsteiger scheitern am Unterrichtsalltag (wie auch einige Lehrer).