Datenschutz: „Das Ministerium entzieht sich seiner Verantwortung“ – Philologenchef schreibt offenen Brief an Eisenmann

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STUTTGART. Bernd Saur, Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg, hat in einem offenen Brief an die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) schwere Vorwürfe erhoben. Das Land komme seiner Pflicht bei der Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (EuDSGVO) in den Schulen nicht nach – zum Leidwesen der Schulleitungen. Obwohl die EuDSGVO in der kommenden Woche in Kraft trete, gebe es noch immer keine Handlungsanweisungen. Dabei sei der Termin seit langem bekannt gewesen.

Sorgt für Empörung unter Grundschullehrkräften: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
In der Kritik: Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

Wörtlich heißt es in dem Schreiben:

„Sehr geehrte Frau Kultusministerin,

nach einer zweijährigen Übergangsfrist wird die EuDSGVO am 25.5.2018, also am Freitag kommender Woche, in Kraft treten. Sie bringt umfangreiche neue bzw. zusätzliche Dokumentations-, Kontroll- und Berichtspflichten für die schulischen Datenschutzbeauftragten mit sich, die deutlich über die bisher geltenden Pflichten hinausgehen. Das Kultusministerium hat es versäumt, die zweijährige Übergangsfrist zu nutzen, um die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die es den Datenschutzbeauftragten ermöglichen würden, diese neuen Pflichten verantwortungsvoll und gewissenhaft erfüllen zu können. Eine solche gewissenhafte Erfüllung der ausgeweiteten Aufgaben ist ohne Bereitstellung entsprechender Ressourcen in Form von Anrechnungsstunden nicht denkbar.

Das Kultusministerium ist nicht bereit, diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zur sachgerechten Umsetzung der EuDSGVO müssen die schulischen Datenschutzbeauftragten gemäß § 37 der Datenschutzgrundverordnung fachkundig sein bzw. fortgebildet werden. Solche Fortbildungen zur neuen EuDSGVO für schulische Datenschutzbeauftragte haben bisher nicht stattgefunden und sind bislang auch nicht terminiert. Unsere Schulleitungen warten täglich auf die angekündigten Handlungsanweisungen. Eine Woche, bevor die EuDSGVO geltendes deutsches Recht wird, ist die zwischenbehördliche Abstimmung, für die man zwei Jahre lang Zeit hatte, offenbar noch nicht abgeschlossen. Der Versuch des Kultusministeriums, den Regierungspräsidien diese Verpflichtung aufzuerlegen, indem diese Personen bestellen sollen, die dann von den Schulen als schulische Datenschutzbeauftragte benannt werden können, ist am Widerstand der Regierungspräsidien gescheitert.

Die Letztverantwortung für den Datenschutz und damit die Verpflichtung zur Umsetzung der EuDSGVO liegt bei den Schulleitungen. Wir halten es für inakzeptabel, in welcher Weise sich das Kultusministerium gegenüber den vor Ort Verantwortlichen bzw. Betroffenen seiner Verantwortung entzieht.  Gemäß §36 Beamtenstatusgesetz haben Beamte nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, bei „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen“ zu remonstrieren, d.h. anzuzeigen, dass eine ihnen übertragene Aufgabe gar nicht erfüllt werden kann. So-wohl die im Amt befindlichen schulischen Datenschutzbeauftragten als auch die Schulleiterinnen und Schulleiter sind sich dieser Handlungsoption bewusst.

Aufgrund des Vorliegens eines Mitbestimmungstatbestandes bedarf es bei der Benennung der schulischen Datenschutzbeauftragten des Weiteren der Zustimmung des Personalrats. Die gewählten Personalvertretungen (ggf. auch auf Bezirks- und Landesebene) sind also direkt involviert und werden sich für die rechtmäßigen Belange der Kolleginnen und Kollegen entsprechend einzusetzen wissen.

Sehr geehrte Frau Kultusministerin, gemäß meiner Ausführungen tragen vor Ort die Schulleitungen die Letztverantwortung. Für alle Schulen des Landes jedoch und die ordnungsgemäße Umsetzung gesetzlicher Vorgaben sind Sie es, die die Letztverantwortung trägt. Bitte lassen Sie die Schulen nicht im Regen stehen. Sorgen Sie umgehend dafür, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine vertretbare Umsetzung der EuDSGVO ermöglichen. Unsere Schulen sind genügend Belastungen ausgesetzt. Da wäre es angezeigt, wenn durch ministerielle Versäumnisse nicht noch vermeidbare Probleme dazu kämen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Bernd Saur

Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg“

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Christian Pocher
5 Jahre zuvor

In Hessen kam heute am 25.5.2018 (!) eine allgemein gehaltene Info des hessischen Kultusministeriums an die Schulen…
mit dem allgemeingehaltenen Titel „Hinweise behördeninterne Umsetzung EU-Datenschutz-Grundverordnung“