Dunkle Kapitel: Universitäten fahnden nach Ex-Nazis auf ihren Ehrendoktoren-Listen

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DRESEDEN. Auch Universitäten und Hochschulen haben dunkle Kapitel in ihrer Geschichte aufzuweisen. In der NS-Zeit wurden jüdische Gelehrte entlassen und Nazis mit Ehren bedacht. Ein offener Umgang mit der eigenen Geschichte tut Not.

An welchen sächsischen Unis gibt es Nationalsozialisten mit Ehrendoktortitel?        Foto: this.is.seba / flickr / CC BY-SA 2.0

Universitäten in Sachsen suchen in ihren Listen der Ehrendoktoren nach ehemaligen Nazis. Derzeit werde geprüft, welche Personen die Würde nach heutiger Rechtslage und Bewertung nicht erhalten würden und wie man im Zweifel damit umgehe, teilte eine Sprecherin der Technischen Universität Dresden am Montag zu Recherchen des MDR auf Anfrage mit. Es gehe dabei um den Grad der Einbindung in Diktaturen oder die rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens. Der MDR hatte über 17 entsprechende Fälle berichtet. Die TU-Sprecherin verwies darauf, dass die Überprüfung «etwas Zeit in Anspruch nehmen wird».

Auch die TU Chemnitz geht den Hinweisen nach. «Sobald die Ergebnisse der Prüfung vorliegen, werden wir weiter verfahren», teilte ein Sprecher mit. In Einzelfällen wird ebenso an der Universität Leipzig geprüft, «wenn wir davon erfahren», sagte ein Sprecher. Es stehe außer Frage, dass «in der NS-Zeit auch einige fragwürdige Personen» eine Ehrenpromotion erhalten haben. Deren Zahl und Namen seien schwer zu ermitteln, da viele Unterlagen verbrannt oder anderweitig vernichtet wurden. Aus juristischer Sicht spreche einiges dafür, dass sich eine Ehrenpromotion mit dem Tod erledigt, sagte der Sprecher unter Verweis auf die Uni München.

Laut MDR werden insgesamt 38 belastete Personen an Universitäten in Mitteldeutschland weiterhin als Ehrendoktoren geführt. Das sächsische Wissenschaftsministerium stellte klar, dass die meisten der fraglichen Personen nicht mehr am Leben sind und mit dem Tod normalerweise auch die Ehredoktorwürde erlischt. «Die Aberkennung von Ehrendoktorwürden liegt in der Verantwortung der Hochschulen ebenso wie die ursprüngliche Verleihung. Die Würde eines Ehrendoktors kann widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen für die Verleihung einer solchen Würde aus heutiger Sicht nicht gegeben sind», erklärte Staatsministerin Eva-Maria Stange (SPD).

Zudem plädierte die Ministerin für eine sensible Einzelfallprüfung, zumal die rechtliche Lage nicht eindeutig sei: «Wenn Menschen während der Herrschaft des Hitlerregimes Unrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, ist die Aberkennung des Titels eines Ehrendoktors einer sächsischen Hochschule berechtigt. Eine solche Vergangenheit ist mit der heutigen Ethik der sächsischen Wissenschaft nicht vereinbar.» Diese beruhe auf Werten wie Humanität, Internationalität und Rechtmäßigkeit. Wichtig sei vor allem, dass sich Hochschulen in solchen, gut recherchierten Fällen von der damaligen Verleihung der Ehrendoktorwürde distanzieren.

Laut Ministerium betrifft die Auseinandersetzung mit dem in der NS-Zeit begangenen Unrecht aber nicht nur Ehredoktorwürden. Es seien an Universitäten noch weitere Unrechtsentscheidungen getroffen worden, wie etwa Entlassungen oder die unrechtmäßige Aberkennung von Doktortiteln. Diese Fragen müssten nach und nach aufgearbeitet werden. Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen. Es ließen sich auch nicht mehr alle Fälle nachprüfen, da Unterlagen fehlten. dpa

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