Über Umwege zum Traumberuf – ein Quereinsteiger berichtet

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HANNOVER. Seitdem der Quereinstieg als Lehrer erleichtert wurde, entscheiden sich immer mehr für den Umweg an die Schule. Viele neue Lehrer haben gar nicht für das Lehramt studiert. Ein Seiteneinsteiger berichtet, warum die Qualität im Unterricht darunter überhaupt nicht leidet.

Bringen Quereinsteiger neben Praxiswissen auch Qualität?                                        Foto: younma / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Auf diese Chance hatte er lange gewartet. Der Erlass der Landesregierung, den Quereinstieg als Lehrer zu erleichtern, war gerade erst wenige Stunden alt, als Markus Schlupp zum Hörer griff. «Zwei Wochen später hab ich den Vertrag unterschrieben», erinnert sich der 39-Jährige aus dem kleinen Örtchen Harste bei Göttingen. Für ihn eröffnete sich im Herbst 2016 endlich ein Umweg in den Traumberuf.

Seitdem sind viele Seiteneinsteiger in Niedersachsen denselben Weg gegangen. Im vergangenen Schuljahr fingen nach Angaben des Kultusministeriums in Hannover 369 sogenannte Quereinsteiger an niedersächsischen Schulen an. Das waren 13 Prozent aller Neueinstellungen. Fünf Jahre zuvor waren lediglich 25 Lehrer aus anderen Berufen in Schulen gewechselt, was damals einem Prozent aller Anfänger entsprach.

«Das Land hat diese Möglichkeit lange verschlafen», sagt Schlupp. Seiner Meinung nach gibt es noch viele junge Leute, die das Potenzial haben, als Lehrer zu arbeiten. Im Kampf gegen den Lehrermangel also ein probates Mittel. «Für mich ist es ein tolles Konzept», sagt Schlupp, der mittlerweile an der Thomas Mann Haupt- und Realschule in Northeim Wirtschaft und Sport unterrichtet. Die beiden Fächer also, die er an der Uni Göttingen studiert hatte, nur eben nicht auf Lehramt. Danach arbeitete Schlupp zunächst als Koordinator für die Ganztagsbetreuung von Kindern.

Unumstritten ist dieser Quereinstieg in die Schule ohne Lehramtsstudium aber nicht. Die Qualität des Lehrpersonals müsse dringend bewahrt werden, fordert der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL). «Es wäre fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass das einfach jeder machen kann», meint der VNL-Vorsitzende Torsten Neumann. Die Rückmeldungen, die er aus den Schulen erhalte, seien aber durchwachsen.

Keine Löcher stopfen

«Nicht gut organisiert und schlecht strukturiert», sagt Neumann. Für ihn darf es nicht darum gehen, Löcher zu stopfen. Das Motto «wenn die Zahlen stimmen, werden die Eltern schon nicht meckern» darf es für ihn nicht geben. «An den Ausbildungsseminaren weiß keiner genau, wie mit den Neuen umzugehen ist», kritisiert Neumann, der deshalb eine einheitliche Verordnung fordert. Für ihn werden die Quereinsteiger zu früh und vor allem zu unvorbereitet ins kalte Wasser geschmissen.

Das Argument fehlender Qualität will Neulehrer Schlupp nicht gelten lassen. «Auch bei denen, die auf Lehramt studiert haben, gibt es Absolventen, die eher nicht in die Schule gehören», meint er. Eine Abwertung des Berufs kann er nicht erkennen. Durch andere Eindrücke und Lebenserfahrung wirkten viele Neueinsteiger auf ihn sogar gefestigter. «Sie haben ja eine sehr bewusste Entscheidung getroffen.»

Diese Sichtweise entspricht den Zielen im aktuellen Koalitionsvertrag. Darin haben SPD und CDU vereinbart, dass der Quereinstieg flexibler gestaltet werden soll, weil die neuen Lehrer durch ihre außerschulischen Erfahrung den Schultag bereichern und so beide Seiten profitieren. Im Sommer 2016 war erstmals ein Aktionsplan der damaligen rot-grünen Landesregierung zum Tragen gekommen, mit dem der Quereinstieg erleichtert werden sollte. In dem Jahr hatte sich die Zahl der Seiteneinsteiger auf einen Höchstwert von 431 mehr als verdoppelt.

Quereinsteiger Schlupp teilt aber die Kritik, dass es an den Ausbildungsseminaren noch Nachholbedarf gibt. Über die Eignung eines Kandidaten gebe das Seminar nur eine Empfehlung, die Entscheidung treffe aber die Schulleitung. Das Vorgehen muss seiner Meinung nach der normalen Lehrerausbildung angepasst werden, bei der ein Kandidat entweder besteht oder nicht. Dann wäre auch die Qualitätsdebatte erledigt, meint Schlupp, der zumindest in seinem Kollegium keine Vorbehalte von anderen Lehrern spürt. Auch wenn der Urlaub in Schweden schön war, freut er sich schon, wenn er nach dem Ferienende wieder zurück an die Schule in seinen Traumberuf kann. dpa

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