Vor dem Zeugnistag: Die bayerische Schulberatung berichtet von verzweifelten Eltern

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MÜNCHEN. 1,4 Millionen Schüler in Bayern bekommen am Freitag ihre Zeugnisse. Das ist nicht für alle ein Grund zur Freude, wie die Schulberatung weiß.

Baden-Württembergs Schulen in auswegloser Misere? „Das Problem ist, dass wir mittlerweile so viele Sachen verpennt haben“, befindet Baden-Württembergs Landeselternbeiratsvorsitzender Carsten Rees. Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de
Schlechte Zeugnisse bringen Eltern zur Verzweiflung. Foto: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Eine bitterböse Überraschung muss bei der Zeugnisvergabe an diesem Freitag wohl kein Schüler fürchten – wer sitzen bleibt, hat schon zuvor einen sogenannten blauen Brief bekommen. «Vor zwei, drei Wochen war deshalb der absolute Hype bei uns. Da gingen die Briefe raus», erzählt Volker Schmalfuß, Leiter der Staatlichen Schulberatung in Bayern. Am Telefon habe er verzweifelte Mütter und Väter beraten müssen. «Sie sehen eine komplette Schullaufbahn zusammenbrechen.»

Dann gelte es, den Blick wieder nach vorne zu richten: Was lässt sich im nächsten Schuljahr besser machen? «Wichtig ist, den Kontakt mit den Lehrern das ganze Jahr über zu pflegen.» So lasse sich rechtzeitig gegensteuern. 15 500 Pflichtwiederholer (1,3 Prozent) gab es nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums im Schuljahr 2017/2018 unter Bayerns Schülern. Die Zahlen für das aktuelle Jahr stehen noch nicht fest.

Der Bayerische Elternverband empfiehlt bei schlechten Noten, das Kind selbst nach den Gründen zu fragen. In einem kleinen Vertrag könne festgehalten werden, «wie es sein Lernen künftig planen will und welche Unterstützung es dafür benötigt», so der Landesvorsitzende Martin Löwe. Von außen aufgezwungene Maßnahmen seien meist kontraproduktiv.

Elternverband: Noten sind selten objektiv

Zeugnisse spiegelten immer nur einen Teil der Leistung eines Schülers, so der Elternverband. Sie kämen selten objektiv zustande. Martin Löwe klagt, «Noten werden überbewertet». Der Druck, den sie ausübten, bringe Unruhe in den Bildungsprozess. Vor allem in der vierten Klasse, «wenn es darum geht, die Schüler auf verschiedene Schularten aufzuteilen.»

Die Schüler hingegen machen sich häufig nicht an erster Stelle Sorgen über die eigene Schulkarriere. «Sie haben Angst, nach dem Sitzenbleiben ihre Freunde zu verlieren. Und keinen Anschluss in der neuen Klasse zu finden», sagt Jeanine Rücker von der «Nummer gegen Kummer» des Deutschen Kinderschutzbundes. Viele fürchteten sich bei schlechten Noten auch vor Ärger mit den Eltern. «Da kann es helfen, einen Verbündeten zu finden. Vielleicht hat die Oma mehr Verständnis und kommt mit zum Gespräch.»

Von Strafen rät Rücker den Eltern ab. Hilfreich sei es, Verständnis zu zeigen: «Vielleicht stellt sich dann auch heraus, dass es eine ganz andere Ursache für die schlechten Noten gibt.» Probleme zu Hause etwa, oder das Kind kam mit einem bestimmten Lehrer nicht zurecht. «Die Ferien sollte man deshalb unbedingt nutzen, um als Familie zusammen zu sein – nicht nur lernen, lernen, lernen».

Volker Schmalfuß gibt den Eltern am Ende jedes Telefonats einen Rat mit auf den Weg: «Bleiben Sie gelassen!». Sogar, wenn es noch schlimmer kommt als Sitzenbleiben: Erreicht ein Schüler beispielsweise das zweite Jahr in Folge das Klassenziel nicht, muss er die Schulart wechseln. Schmalfuß versucht den Eltern dann klarzumachen, dass das keinen Abstieg bedeute, sondern einen Umstieg. «Es muss nicht jeder mit dem ICE zum Abitur durchfahren. Auch mit dem Bummelzug und über Umwege kann man ans Ziel kommen.» dpa

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