DÜSSELDORF. Mit einer umstrittenen Kampagne wirbt NRW-Schulministerin Gebauer um Seiteneineinsteiger. Doch bereits im letzten Jahr zeigte sich der Anstieg der Quereinsteigerquote geradezu sprunghaft. Jeder neunte neu eingestellte Lehrer in NRW hat mittlerweile keine grundständige Ausbildung für diesen Beruf. Besonders groß ist der Lehrermangel an den Grundschulen.
Die nordrhein-westfälischen Schulen mussten im vergangenen Jahr häufig auf Seiteneinsteiger zurückgreifen, um Lehrerstellen zu besetzen. Jeder neunte neu eingestellte Lehrer in NRW hatte 2017 keine grundständige Ausbildung. Das geht aus Statistiken des NRW-Schulministeriums hervor.
Seit 2014 stieg die Seiteneinsteigerquote demnach von 2,3 auf 10,8 Prozent: 2017 waren das 789 von 7333 neu eingestellten Lehrern. Nur 2010 war die Quote mit fast 17 Prozent noch höher.
Im laufenden Schuljahr waren nach jüngsten Zahlen vom Mai 1391 und damit ein Drittel der 4051 verfügbaren Lehrerstellen noch unbesetzt. Unter den großen regulären Schulformen ist der Mangel besonders groß an den Grundschulen, wo nur gut die Hälfte der freien Jobs besetzt werden konnte, nämlich 53 Prozent von 1378 angebotenen Stellen. Die höchste Besetzungsquote hatten mit gut 93 Prozent die Gymnasien.
Vor Beginn des neuen Schuljahres am 29. August wird Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) frisch erhobene Zahlen vorstellen. Derzeit laufe noch das Meldeverfahren für die neu einzustellenden und ausscheidenden Lehrer, teilte das Ministerium mit. Zu Beginn des Schuljahres 2017/18 hatte Gebauer eine Zehn-Jahres-Prognose vorgestellt, wonach über alle Schulformen hinweg rund 15 000 Lehrer in diesem Zeitraum in NRW fehlen werden.
Die Landesregierung hat bereits mehrere Programme aufgelegt, um Seiteneinsteiger für den Schuldienst anzuwerben. Im vergangenen Jahr hatte sie eine umstrittene Kampagne gestartet mit Slogans wie: «Job mit Pultstatus – gönn Dir!» Kritiker bemängelten daran anbiederndes «Dumm-Deutsch».
Nach Angaben des Schulministeriums haben bis April mehr als 80 Pädagogen mit Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe II das neue Angebot angenommen, zunächst für zwei Jahre an einer Grundschule zu unterrichten, bevor sie eine Dauerbeschäftigung an einer weiterführenden Schule erhalten. Zum Studienjahr 2018/19 werden an Hochschulen in NRW insgesamt 250 zusätzliche Studienplätze für das Grundschullehramt eingerichtet.
Der Seiteneinstieg ist in NRW prinzipiell an allen Schulformen möglich – außer an Förderschulen. In der Sekundarstufe I gibt es die Möglichkeit für alle Fächer – in der Grundschule nur für Kunst, Musik, Sport und neuerdings für Englisch. Für Mathematik und Deutsch bleibt dieser Weg in der Primarstufe verschlossen, weil die Anforderungen aus Sicht des Schulministeriums besonders hoch sind.
Seiteneinsteiger, die zwar nicht auf Lehramt studiert haben, aber ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und mindestens zwei Jahre gearbeitet haben, können nachträglich eine Lehramtsbefähigung für zwei Fächer erhalten, wenn sie einen zweijährigen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst und eine Staatsprüfung absolvieren. Theoretisch möglich, aber praktisch selten ist darüber hinaus die Einstellung eines Handwerksmeisters als Lehrer in der Sekundarstufe I. (dpa)