Patzelt: Beim Thema Populismus reden Politologen oft wie Fußballfans

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HAMBURG. Der Begriff Populismus ist in politischen Debatten allgegenwärtig. Nun wollen Politikwissenschaftler auf einer internationalen Konferenz in Hamburg über das Phänomen diskutieren. Ist Populismus mehr als ein Schimpfwort für den politischen Gegner?

Patzelt macht sich Gedanken über unsere Gesellschaft.            Foto: Metropolico.org / Wikimedia Commons / CC BY-SA 2.0

Vor Beginn eines internationalen Kongresses von Politikwissenschaftlern in Hamburg hat der Dresdner Politologe Werner Patzelt die Verwendung des Begriffes Populismus in Fachkreisen kritisiert. Nicht wenige seiner Kollegen bezeichneten Positionen als populistisch, die sie inhaltlich ablehnten. «Sie vermengen politikwissenschaftliche Analyse mit politischer Parteinahme», sagte Patzelt.

Die Politologen verhielten sich wie Fußballfans. «Sie jubeln für die eigene Mannschaft und pfeifen bei der anderen Mannschaft.» Eine Parteinahme sei voll und ganz legitim, betonte Patzelt. «Aber die Aufgabe des Politikwissenschaftlers ist es nicht, sozusagen als Fußballreporter für eine Seite Partei zu ergreifen, sondern einfach objektiv zu berichten, wie das Spiel läuft.»

Rund 2.500 Politikwissenschaftler werden zu einem viertägigen Kongress an der Universität Hamburg erwartet. Die Generalkonferenz des Europäischen Konsortiums für Politikforschung (ECPR) ist nach Angaben der Veranstalter die größte politikwissenschaftliche Fachkonferenz in Europa. Schwerpunkt-Themen sollen die Gefährdung liberaler Demokratien und der Umgang mit Populismus und Extremismus sein.

Eine wertfreie Politikwissenschaft ist für Patzelt nicht vorstellbar: «Eine Parteinahme von Politikwissenschaftlern zugunsten politischer Freiheit und zugunsten von Demokratie ist im Grunde jene Selbstverständlichkeit, mit der Mediziner meinen, Leben wäre eine gute Sache», sagte der Professor. Doch Wissenschaft beginne damit, dass man Phänomene in Übereinstimmung mit den Tatsachen beschreibe, um sie zu verstehen und anschließend zu erklären.

Die da oben

Im Alltag werde «Populismus» meist nur als Schimpfwort verwendet. In der Wissenschaft habe der Begriff dagegen klare Merkmale: Populisten vereinfachten Dinge zu demagogischen Zwecken. Sie argumentierten aus der Vorstellung heraus, «die da oben» seien böse und «wir da unten» sind gut. Populisten gingen ferner von der Vermutung aus, es gäbe einen einheitlichen Volkswillen, den sie selbst erkannt hätten, den «die da oben» aber nicht zur Kenntnis nähmen.

Unter Berufung auf den vermeintlichen Volkswillen profilierten sich Anführer, um die herum politische Bewegungen entstünden. Patzelt ist zudem der Auffassung, dass populistische Strömungen auftauchen, wenn sich ein nennenswerter Teil der Bevölkerung von den etablierten politischen Parteien und Anführern nicht vertreten fühlt.

Das Aufkommen von Populismus sei stets eine Belastung für die Demokratie. Mit der ihnen eigenen Ruchlosigkeit könnten populistische Anführer eine liberale Demokratie bis zur Systemblockade treiben, warnte der Dresdner Professor. «Stellen Sie sich Parlamentswahlen vor, nach denen allein mit der AfD oder mit der Linken Mehrheiten möglich sind. Dann sind wir in einer sehr blöden Situation.» dpa

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