BERLIN. Immer mehr Kinder sind heutzutage krankhaft selbstverliebt, legen Studien nahe. Narzisstisches Verhalten und Überschätzung der eigenen Intelligenz stehen dabei in enger Beziehung, belegt jetzt eine Untersuchung aus Australien und Polen. Daraus könnte sich ein dauerhaftes Wutgefühl entwickeln.
Der Umgang mit aufbrausenden Schülern ist für Lehrer nicht immer einfach – für die Schüler selbst allerdings auch nicht. Von jungen Menschen, die zu Wutausbrüchen neigen, verlangt das schulische Zusammenleben oft ein hohes Maß an Selbstbeherrschung. Phlegmatischeren Naturen fällt es naturgemäß leichter, sich an das Schulleben anzupassen.
Die Auseinandersetzung mit ungezügelt wütenden Jugendlichen könnte für Lehrer in Zukunft häufiger werden. „Anpassung“ scheint als Erziehungsziel heutiger Eltern weit in den Hintergrund gerückt. Einige Studien steigern sich zu dem Befund, heutige Kinder würden überwiegend zu kleinen Narzissten erzogen, die sich anderen überlegen fühlten und eine Sonderbehandlung erwarteten.
Den Zusammenhang von Narzissmus, charakterbedingter Wut und Selbsteinschätzung haben jetzt Wissenschaftler der Universitäten Perth und Warschau untersucht. Menschen, die ihre Beherrschung schnell verlieren, tendieren dazu, ihre eigene Intelligenz zu überschätzen, fanden sie heraus.
Die Wissenschaftler haben die Rolle von charakterbedingter Wut (also Menschen, die aufgrund einer Veranlagung wütend werden) bei gleichzeitiger Überschätzung der kognitiven Fähigkeiten bei Bachelorstudienten in Warschau untersucht. Die Teilnehmer wurden darum gebeten, Fragen zu beantworten, die Rückschlüsse auf charakterbedingte Wut, mentale Stabilität und Narzissmus zuließen. Sie sollten darüber hinaus ihre Intelligenz auf einer 25-Punkte-Skala selbst bewerten. Anschließend nahmen sie an einem standardisierten Intelligenztest teil.
Studie: Jugend in West- und Ostdeutschland gleichermaßen narzisstisch
Für Gilles Gignac von der University of Western Australia, mit Marcin Zajenkowski von der University of Warsaw Co-Autor der Studie, ist die Beziehung zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal, schnell gereizt zu sein – bei kleinen und großen Anlässen – und der Wahrnehmung der eigenen Intelligenz insbesondere in einer Hinsicht „interessant“: Wut könne in manchen Fällen die Konsequenz von verminderter emotionaler Stabilität, beispielsweise von Ängsten, sein. „In manchen Fällen“, so Cignac, „ist es aber nicht Angst, die Frustration, Boshaftigkeit oder Wutausbrüche schürt. Hier scheint der Grund Narzissmus zu sein“. Entsprechend bewerten die Narzissten auf Nachfrage ihre Intelligenz besonders hoch.
Die Ergebnisse dieser Studie beantworteten demnach vor allem Fragen zu den dynamischen Prozessen zwischen Zorn, emotionaler Stabilität und Narzissmus. Durch das bessere Verständnis von charakterbedingten Wutausbrüchen können Lehrer, Pflegepersonal und die Gesellschaft lernen, besser mit ihnen umzugehen.
Die Studie führe überdies zu einigen Spekulationen, die künftig erforscht werden sollten. „Die Hauptpersönlichkeitsstörung des Narzissten bzw. des grandiosen Narzissten ist eine übertriebene positive Selbstwahrnehmung,” sagt Gignac. „Es ist also nicht allzu überraschend, dass wir eine Verbindung zwischen den Narzissten und der Überschätzung der eigenen Intelligenz sehen”.
„Das Interessante aber ist, dass die charakterbedingte Wut in diesem Prozess wohl auch eine Rolle spielt. Es wird vermutet, dass sich bei vielen grandiosen Narzissten dieses Wutgefühl mit der Zeit entwickelt, wenn ihnen langsam bewußt wird, dass es einen Unterschied zwischen der eigenen Wahrnehmung ihrer eingebildeten Großartigkeit und ihren tatsächlichen Leistungen und Errungenschaften gibt.” (zab, pm)
Interessanter Zusammenhang. Das erklärt einige Fälle, die ich im Schulalltag erlebt habe.
Wenn Eltern in der Erziehung diese übertriebene Selbstwahrnehmung fördern, dann erziehen sie genau in diese Richtung.
Ich verstehe nicht, wieso die Kopfnote abgeschafft wurde! Ich wäre absolut dafür, wieder Noten für Fleiß, Arbeitsverhalten und Sozialverhalten zu geben! Das kann man ja sicher in Selbstkompetenz und Sozialkompetenz quetschen, wenn es das Modell sein muss. Aber das wäre für viele Eltern sicher ein wirksamer Weckruf (und freundliche aber schwächere Lerner eine Möglichkeit, auch mal gute Noten zu sehen)! Wäre ich Arbeitgeber würde mich auch stark interessieren, ob der Bewerber sich situationsangemessen verhalten kann. (Aber auch das wird in der heutigen Gesellschaft nicht mehr so gehen, wie es früher lief und gedacht war. Wir Lehrer hätten sicher viele Anklagende “Sie behandeln mein Kind unfair, Sie hatten doch schon immer was gegen meinen Leon-Arthur-Konstantin!! Erklären Sie sich!”-Gespräche/Telefonate/Emails zu erwarten). Wer zum Narzissmus neigt wird kaum subjektive Noten anerkennen, egal wie viele Lehrer da in der Konferenz drüber angestimmt haben.
Die Kopfnoten korrelieren stark mit den Fachnoten, d.h. aus einer Notenliste mit den Fachnoten lassen sich ohne den Namen des Schülers oder den Schüler selbst zu kennen, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kopfnoten herleiten. Darüber hinaus ist es unmöglich, Kopfnoten juristisch fest und auch nur halbwegs objektiv zu ermitteln. Die Vorgabe “im Zweifel ein gut, Abweichungen nur in begründeten Ausnahmefällen” tut ihr Übriges.
Ich bin auch dafür, Kopfnoten wieder zu erteilen und sie zusätzlich auf dem Zeugnis gleichberechtigt neben den Fachnoten zu vermerken. Kopfnoten sind wie Fachnoten niemals 100% objektiv. Das muss man halt wissen, aber sie geben eine Orientierung. Wie viele Studien haben schon ergeben, dass z.B. Aufsätze von unterschiedlichen Lehrern unterschiedlich bewertet werden?
Kopfnoten orientieren die Kinder darauf, dass nicht nur das Ergebnis zählt, sondern auch der Weg dahin (Initiative, Anstrengungsbereitschaft, Durchhaltevermögen …). Das zu entwickeln und anzuerkennen ist auch gerade für jene Kinder wichtig, die keine Bestleistungen erreichen. Es muss ja nicht jeder Professor werden! Kinder mit schlechten Fachnoten haben sonst das Gefühl, immer einfach nur “schlecht” zu sein. Ihre Sekundärtugenden zu würdigen, finde ich wichtig!
Die Auswüchse wie Abweichungen von “gut” nur in Ausnahmefällen oder keine Kopfnoten auf Bewerbungszeugnissen oder die komplette Unvergleichbarkeit der Kopfnoten von Brennpunktschulen und Dorfschulen bei gleicher Schulform reduzieren die Aussagekraft allerdings erheblich, erheblicher zumindest als Fachnoten.
Kopfnoten sind daran gescheitert, dass sie kaum gerichtsfest zu erteilen sind. Das geht nur, indem Unmengen an Indikatoren festgelegt und sehr systematisch und regelmäßig dokumentiert werden.
Über zuviel Dokumentationsaufwand beschweren sich aber hier viele, u.a. auch Personen, die hier gerade Kopfnoten fordern .
Was denn nun??? Man kann eben nicht immer einfach alles fordern, ohne genauer darüber nachgedacht zu haben.
Womit mal wieder bewiesen wäre, dass Ihre Meinungsgegner nicht so genau nachdenken wie Sie.
Könnte der beschwerliche und abschreckende Dokumentationsaufwand nicht auch beschnitten werden?
Solange die Schulpolitik Eltern geradezu ermuntert, ihre Rechte immer und überall gerichtlich einzufordern – wohl kaum.
@ bolle, ich weiß nicht, wie die Kollegen das in MeVo machen, aber ich weiß, dass dort vor wenigen Jahren wieder klassische Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten eingeführt wurden, nachdem sie zuvor – von der CDU/SPD-Regierung eingeführt – lediglich verbal eingeschätzt worden waren.
Wie machen die das? Wie kommen die damit klar? Warum gibt es dort keine Klagewelle vor Gericht?
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/mecklenburg-vorpommern-will-kopfnoten-wieder-einfuehren-a-880097.html
Aus Brandenburg und Berlin weiß ich, dass es dort Ankreuzzeugnisse für das Arbeits- und Sozialverhalten gibt. Da werden Kreuzchen gemacht nach den Kategorien “trifft voll zu”, “trifft zu” … (oder so ähnlich). Ich sehe keinen Unterschied zu “richtigen Noten” (heißt nur anders) und ich habe noch von keinem Kollegen aus Brandenburg und Berlin gehört, dass sie dazu umfangreiche Dokumentationen führen müssten und ich habe allerhand Kontakte dorthin.
Hier wird einfach Quatsch erzählt und der Teufel an die Wand gemalt.
@sofawolf
Da stimme ich Ihnen voll zu, Quatsch wird hier leider sehr oft erzählt!!!
Die von Sofawolf genannte Vorgehensweise ist in der Tat pragmatisch. Bei einer anwaltsaffinen Elternschaft und einem Dezernat, das sich im Zweifel nicht vor die Lehrer stellt, ist das aber ein Problem, weil diese Beurteilung keiner juristischen Prüfung standhalten wird.
Dazu wird oben nichts behauptet, aber sollen wir es als selbstverständlich annehmen, dass diese Phänomene überall in der Welt in gleiche Weise auftreten, dass also Polen und Australien hier repräsentativ sind? Spielt die Leistungsorientierung (oder das Gegenteil) einer Gesellschaft keine Rolle dabei? Und ist es wirklich nur ein Vorurteil, dass die Ostasiaten ausgeglichener sind als zum Beispiel die Deutschen, dass es aber im Vorderen Orient mehr Hitzköpfe gibt als bei uns, die eben leicht in Wut geraten?
Mich macht stutzig, dass das an der Intelligenz festgemacht wird, also ob jemand seine Intelligenz überschätzt. Mit der Frage, wie ich selbst meine Intelligenz einschätze, bin ich zeitlebens nie konfrontiert worden.
@ xxx, dann muss man solche Vorgaben eben lassen. Wobei ich das, wenn es sehr allgemein formuliert wurde, nachvollziehen kann: -normales Arbeitsverhalten- ist gut; Abweichungen davon führen jeweils zu anderen Noten (mehr als gut = sehr gut; nicht so gut = befriedigend usw.).
Was meinen Sie eigentlich mit “gerichtsfest”? Normale Fachnoten, ja sogar Noten von Klassenarbeiten und Zeugnisnoten entziehen sich meines Wissens der gerichtlichen Überprüfung. Entsprechende Anträge von Eltern werden mit dem Hinweis auf den Ermessensspielraum des Lehrers zurückgewiesen bzw. Anwälte verweisen auf die Aussichtslosigkeit vor Gericht. Die Notenbegründung darf nur keine unsachlichen “Argumente” enthalten.
Warum soll also dieser uns zugestandene Ermessenspielraum, der Fachnoten nicht gerichtlich überprüfbar macht, nicht auch Kopfnoten zugestanden werden. Gibt es dazu schon Urteile, xxx?
Eine Kopfnote würde also vermutlich nicht genauer dokumentiert werden müssen wie heute schon die Vergabe einer Mitarbeitsnote im Fach.
Oder die Vergabe einer Note für die Heftführung als Fachnote.
Ich bin wiederum sehr gegen das Vermischen von Fachnoten mit Kopfnoten. Ruhige Charaktere werden bei Mitarbeitsnoten im Fach regelmäßig benachteiligt, denn die Mitarbeitsnoten als Fachnoten fallen schlecht aus; das Kind kann seinen Charakter aber kaum ändern. Genauso ist es mit den Genies, die das Chaos beherrschen, und sich mit schlechten Noten für die Heftführung ( = Ordnung) die Fachnote verderben! Das sollte meiner Meinung nach strikt voneinander getrennt werden.
@ xxx (Zitat): “Bei einer anwaltsaffinen Elternschaft und einem Dezernat, das sich im Zweifel nicht vor die Lehrer stellt, ist das aber ein Problem, weil diese Beurteilung keiner juristischen Prüfung standhalten wird.”
Ich verweise noch einmal darauf, dass normale Noten gerichtlich NICHT überprüfbar sind. Was für Fachnoten gilt, gilt mit Sicherheit auch für sogenannte Kopfnoten (siehe oben).
Dass jemand gegen “Kreuzchen” erfolgreich klagte, habe ich noch nicht gehört. Letztllich entsprich so ein Kreuzchen ja auch einer 1 oder 2 oder 3 oder … Eine Klage einreichen bedeutet noch lange nicht, dass ein Gericht sich auch damit beschäftigt. Sich anwaltlich beraten lassen, kann auch zu dem Ergebnis führen, auf eine Klagen zu verzichten – wegen Aussichtslosigkeit.
Zitat: “”Richter sind keine Lehrer”
Das Verwaltungsgericht überprüft zunächst, ob die Bedingungen regulär sind, darf aber auch eine inhaltliche Kontrolle vornehmen. Das Hauptproblem ist dabei der Bewertungsspielraum. “Ob Fehler so gravierend sind, dass es eine Fünf gibt, oder ob es trotz der Fehler noch für eine Vier reicht, das ist gerichtlich nicht überprüfbar”, sagt Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied beim Deutschen Anwaltverein. “Richter sind keine Lehrer, darum kann man beim Verwaltungsgericht auch keine bestimmte Note einklagen”, sagt er.”
Was aber doch geht und auch nervig genug ist, wollen wir mal lieber nicht noch verbreiten. Gilt aber jetzt auch schon für die Fachnoten. Wäre also bei Kopfnoten nichts Neues.
Danke für den Kommentar. Ich nehme aber an, dass schlechte (Kopf-) Noten in irgendeiner Weise dokumentiert werden müssen. Ich weiß nicht, ob aus anwaltlicher Sicht eine Liste mit Plussen und Minussen reicht oder ob eine detaillierte Dokumentation diverser Elterngespräche erforderlich ist.
@ xxx, naja, wie gesagt, in Brandenburg gibt es diese Kreuzchen-Zeugnisse für das Arbeits- und Sozialverhalten. Ich wüsste nicht, dass die Lehrer dazu umfangreiche Dokumentationen führen und vorlegen müssen. Die setzen sich einfach zusammen, der Klassenlehrer schlägt was vor, ggf. wird es diskutiert.
Sind Klagen oder Urteile dazu bekannt?
Wie umfangreich sind Ihre Dokumentationen zu Mitarbeitsnoten? Oder zu Noten für die Heftführung?