Bundeskongress: Der Lehrermangel setzt dem Musikunterricht massiv zu – Verband fordert mehr Wertschätzung

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HANNOVER. Lehrermangel gibt’s nicht nur an der Grundschule. Musiklehrer fehlen auch an weiterführenden Schulen. Die Folge: Singen, Tanzen und Musizieren kommt für viele Kinder und Jugendliche zu kurz. Vielerorts fällt der Musikunterricht aus. In Hannover treffen sich Musikpädagogen aus ganz Deutschland – auch, um für die Bedeutung ihres vermeintlichen „Neben“-Faches zu werben.

Die Freiherr-vom-Stein-Schule der Stadt Neumünster gehörte im vergangenen Jahr zu den Preisträgerschulen beim Deutschen Schulpreis – auch wegen ihres Ganztags. Von Montag bis Mittwoch steht den Schülern dort am Nachmittag ein abwechslungsreiches Freizeitangebot zur Verfügung, darunter Musikkurse. Foto: Robert Bosch Stiftung / Theodor Barth
Musikunterricht ist ein Qualitätsmerkmal guter Schulen – hier an der Freiherr-vom-Stein-Schule der Stadt Neumünster, Preisträgerschule beim Deutschen Schulpreis. Foto: Robert Bosch Stiftung / Theodor Barth

Der Bundesverband Musikunterricht hat vor einer weiteren Abwertung des Schulfachs Musik gewarnt. Viele Schulen hätten nur einen Musiklehrer – wenn der krank sei, falle der Unterricht aus, sagte Verbandspräsident Ortwin Nimczik auf Anfrage. Zunehmend werde Musik von Seitensteigern oder Pädagogen unterrichtet, die das Fach gar nicht studiert haben, kritisierte er. Da Fachlehrer fehlen, plädierte der Professor der Hochschule für Musik in Detmold für die Weiterbildung von musikaffinen Lehrerinnen und Lehrern, gerade an Grundschulen, wo der Mangel besonders groß ist. Dafür müssten die Länder auch Geld ausgeben, forderte Nimczik.

Von Mittwoch bis Sonntag (26. bis 30.9.) kommen über 1500 Musikpädagogen aus ganz Deutschland zum 4. Bundeskongress Musikunterricht in Hannover zusammen. Bundesweit gibt es rund 40 000 Musiklehrer für rund 8,3 Millionen Schülerinnen und Schüler. Das Schüler-Lehrer-Verhältnis werde angesichts einer Pensionierungswelle und steigender Schülerzahlen in den nächsten Jahren nicht besser, befürchtet der Verbandschef. Zudem gebe es – auch wegen der Unterrichtsausfälle – weniger Jugendliche, die Musik in der Oberstufe als Schwerpunkt wählten und anschließend studierten.

Es fehlt der Nachwuchs

Nimczik plädiert für eine größere Wertschätzung für das Schulfach Musik und für Musiklehrer. «Die künstlerischen Ausbildungen an den Musikhochschulen boomen», berichtete der Hochschullehrer. Viele Studierende entscheiden sich für ein Instrument, obwohl sie wissen, dass sie kaum Chancen auf eine feste Anstellung als Orchestermusiker haben. Der Sektor der Musiklehrer dagegen stehe vor ähnlichen Problemen wie das Handwerk – trotz hervorragender Auftragslage fehle der Nachwuchs, sagte Nimczik. «Dagegen gehen wir an.» Die musikalische Bildung dürfe nicht zur Privatsache werden.

Singen, bewegen, tanzen – Musik in der Schule habe viele Facetten, betonte der Verbandschef. Es gehe um Kommunikation und Kreativität. «Musik kann nicht die Welt verändern, aber ihr Verständnis fördert Vorurteilsfreiheit und Offenheit.»  Von Christina Sticht, dpa

Hintergund: Die Mitteilung des Verbands

Wie schlägt der Puls der Zeit im Musikunterricht? Das soll auf dem 4. Bundeskongress Musikunterricht im September 2018 in Hannover sicht- und hörbar gemacht werden! Und so wie eine lebendig und vital pulsierende Musik die musizierenden, hörenden und tanzenden Menschen ergreift – so sollen auf dem Kongress typische musikalische Pulsationen wie Metrum, Takt, Rhythmus und Groove ausgeformt und kreativ gestaltet werden – mit künstlerischem, pädagogischem und wissenschaftlichem Blick.

Doch der Puls der Zeit im Musikunterricht der allgemeinbildenden Schulen bleibt dabei nicht stehen – laut schlägt er auch für allgemeine schulische und gesellschaftliche Themen. Über 400 Veranstaltungen in Hannover widmen sich auch aktuellen und brennenden gesellschaftlichen Fragen: Welchen Beitrag kann die musikalischen Bildung an Schulen für eine digitalen Mündigkeit bei den Heranwachsenden leisten? Wie kann der Unterricht für eine zunehmend heterogene Schülerschaft konstruktiv angelegt werden – sei es mit Blick auf eine Integration und Sprachförderung der neu angekommenen geflüchteten Schüler/innen oder auf die noch lange nicht bewältigten Aufgaben der Inklusion? Wie können die vielen unterschiedlichen musikalischen Stilistiken, die das Musikleben in Deutschland prägen, im Unterricht thematisch werden? Das Motto „Am Puls der Zeit“ in seiner fortschreitenden Dynamik verweist auf notwendige und aktuelle Handlungsfelder in unserer Gesellschaft, wobei Musik als politische Botschaft für Gemeinsamkeit und gegen Abschottung fungieren kann.

Wie in den Jahren zuvor möchte der Bundesverband Musikunterricht auch im Jahre 2018 durch vielfältige Veranstaltungen Beiträge zur nachhaltigen Qualitätssicherung und Verbesserung des Musikunterrichts an allen Schulformen und -stufen leisten: Durch ein umfangreiches Angebot qualitativ hochstehender und vielfältiger Fortbildungen für Musiklehrer*innen aller Schularten und Altersstufen, durch wissenschaftliche und bildungspolitische Diskussionsforen und Arbeitskreise mit großer thematischer Bandbreite, durch den Einbezug musikpädagogischer Wettbewerbe, durch Konzerte, Verlagsausstellungen sowie regionale, nationale und internationale Anbindungen.

Mit Spannung werden in Hannover die Veranstaltungen der Nachwuchsorganisation des BMU, das „Junge Forum Musikunterricht“ (JFM) erwartet, deren Expertise zu Themen am Puls der Zeit besonders in diesem Jahr auch für Kolleg*innen aller Altersstufen und Erfahrungshorizonte interessant sein dürften.

Um das im Jahre 2016 auf dem Bundeskongress in Koblenz (in dem verabschiedeten Grundsatzpapier „Für musikalische Bildung an Schulen“) gegebene Versprechen, sich für ein umfassendes Gesamtkonzept Musikalischer Bildung einzusetzen, weiter voranzubringen, wurde der Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) als Gast auf den Niedersächsischen Kongress eingeladen. So können konstruktive Verbindungschancen zwischen schulischer und außerschulischer Arbeit sowie die Verknüpfung der beidseitigen Angebote diskutiert und in die Tat umgesetzt werden.

„Vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen und musikpädagogischen Herausforderungen der Gegenwart benötigen die jungen ebenso wie die erfahrenen  Musiklehrkräfte Unterstützung und Solidarität“, so der Präsident des BMU, Ortwin Nimczik. Sein Kollege Michael Pabst-Krueger ergänzt: „Die zunehmende Heterogenität und die vielen anderen Brennpunkte in Schule und Gesellschaft sind kein Grund zur Sorge oder zur Verunsicherung, wenn Chancen zur Erschließung neuer Wege musikalischer Bildung erschlossen werden und wir „am Puls der Zeit“ bleiben.

Hier gibt es weitere Informationen zum Kongress.

Also doch: Kulturelle Bildung wirkt – gleich sechs Studien belegen: Musik, Kunst und Co. stärken Schüler in ihrer Entwicklung

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